Michael Seeger Rezensionen

Walser

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Martin Walser

Angstblüte

Roman

Rowohlt. Reinbeck bei Hamburg 2006

477 S.

gelesen Dezember 2007

cover

Traurige Altersgeilheit

"Fotze" und "Ficken" sind kein sprachlicher Ausweg aus der literarischen Sackgasse.

Ein echtes Alterswerk in all seiner Problematik. Das Börsengeschehen seit dem 1997er Hype und das Geldmotiv der alten Alt- und Neureichen hat Walser gut recherchiert und formulierungsstark dargestellt. Dennoch zweifle ich, dass damit jemand etwas anfangen kann, der nicht selbst in Börsenwetten drinsteckt und etwa den Chart der Puma-Aktie verfolgt hat.

Der zweite Strang ist eine peinliche Altersgeilheit, von wohlmeinenden Rezensenten als Erotik schön geredet. Wie bei Houellebecq gewohnt und auch dem französischen Erfolgsautor nicht nachgesehen steigt der 80-jährige Walser in die Tiefen der Sprachpornographie hinab: „Ich denke mit der Fotze an dich!“ lässt er die 33-jährige Joni nicht nur einmal lügen. Ansonsten: „Schwanz“, „Ficken“, „Fotze“. Auch der dutzendhafte Gebrauch oder Verbrauch dieser sexuellen Vokabeln machen diese nicht literarisch oder können das Gefühl der Langeweile und der Banalität nicht vertreiben. Zum Ekel reicht es so wenig wie zur Unterhaltung. Und so bleibt zu bedauern, dass der Meister seine immer noch virtuell-virulente Sprachgewalt an ein eher unwichtiges Sujet und an ein primitives Vokabular verschwendet hat.

Michael Seeger, im Dezember 2007

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