Lernerautonomie und Selbststeuerung

In der modernen Didaktik spielen selbst gesteuertes, autonomes und selbstverantwortliches Lernen eine immer größere Rolle. 

Begriffe, Abgrenzung und Geschichte

  1. Füllen Sie aus Ihrem Vorwissen die beiden Spalten mit Merkmalen der beiden Lerntheorien.

  2. Ordnen Sie die gegebenen Begriffe den beiden Theorien zu, indem Sie die Kärtchen in die Tabelle kleben.

  3. Informieren Sie sich bei den angegebenen Quellen >> im Internet über die Lerntheorien "Behaviourismus" und "Konstruktivismus"

>> Lösungen (siehe Tabelle unten)

Methodischer Kommentar

Das Vorgehen im Kurs spiegelt einmal mehr das Prinzip "Methode in der Methode unterrichten".

ad 1) Sehr schnell füllt sich Tafel durch TN-Beiträge, die im 4-Augengespräch durch den Dozenten gefiltert, präzisiert wurden

ad 2) Irgendwann ist jede individuelle Wissenskonstruktion an ihr Ende gelangt. Der Lerner braucht Input.

Kurs 2008: Wir erfassen die Prinzipien der Lernerautonomie exemplarisch am Beispiel des "Lernzirkels".

>> zur Materialseite "Lernzirkel"

Konstruktion - "Lehren"

Konstruktion - "Lernen"

Objekt: Wissen   

Subjekt: Schüler

Lehrer vermittelt das Wissen

Schüler bauen das Wissen auf.

Lehrer "weiß"

Schüler  "kann"

Fehler werden vermieden oder bestraft.

Die Fehler werden als Hilfen genommen

Der Lehrer "ertappt" die Schüler.

Interesse der S werden geweckt, Schüler dürfen Projekte auswählen

Frontalunterricht Lehrervortrag

Projektunterricht

Die EA überwiegt

Sozialformen EA, PA, oder GA

Drills reproduktiv

Problemlösung produktiv

eintrichtern

S erwerben Kompetenzen

Schüler: passive Haltung

Schüler sind beim Lernprozess hoch aktiv.

Lernen für den Unterricht

lernen fürs Leben

Ziel: der "S. soll"

Ziel: die S "können"

Lehrer: Lehrmeister

Lehrer als Moderator

deduktiv

induktiv

Wissenstest

Selbstevaluation

Tafel abschreiben, Diktat, Vokabelarbeit, Regellernen 

Lernzirkel, Mindmap, Kreatives Schreiben, Freiarbeit

Behaviourismus

Definition Konstruktivismus   Kooperatives Lernen


Theoretische Grundlagen, Konstruktivismus-Debatte, Bibliographie

konstruk.doc Overmann gibt einen gründlichen Forschungsbericht (29 S.)
http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivismus Überblick
http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivistische_Didaktik Anwendung auf die Didaktik
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at:4711/LEHRTEXTE/StollerSchai98.html Daniel Stoller-Schai: Der Radikale Konstruktivismus nach Ernst v. Glasersfeld 
http://www.france-mail-forum.de/material/13Konstruktivismus.html#13.7.%20L.%20Bredella:%20
Die%20Verheißung%20von%20Autonomie
,
Wendt, Bleyhl, Bredella, Schüle (!), Rampillon, Keller führen eine lebhafte Debatte um die konstruktivistische Fremdsprachendidaktik.
http://computerphilologie.uni-muenchen.de/jg00/mandl.html Heinz Mandl/Gabi Reinmann-Rothmeier zeigen Wege, wie Konstruktivismus im Lernen mit neuen Medien wirken kann
http://projekte.vhs.at/ICTVOEV03/konstruktivismusglossar Dagmar Krenmaiers (2003) nützliches Glossar zum Konstruktivismus
http://www.dr-mueck.de/HM_Denkhilfen/HM_Minilektionen/HM_Konstruktivismus.htm Der Psychotherapeut Mück gibt eine leicht lesbare Einführung in den Konstruktivismus, die auch auf den pädagogischen Bereich übertragbar ist.
http://ourworld.compuserve.com/homepages/michaelwendt/ Wendt (Uni Bremen) dokumentiert den Kongress der DGFF (1999) zum Konstruktivismus
wolff-lernerautomie.doc Wolff (2007) BsAs Lernerautonomie (komplett)
wolff-lernerautomie-gekuerzt.doc Wolff (2007) BsAs Lernerautonomie (gekürzt)

>> Falsche Thesen für die Kopfstandmethode

>> Zusammenfassung der "Lernerautonomie" als Akrostichon

Konstruktivismus - was ist das eigentlich?


Der Konstruktivismus ist zunächst einmal eine Erkenntnistheorie, die die Erkenntnisse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen wie Hirnforschung, Neurobiologie, Kognitionspsychologie, Linguistik und Informatik miteinander verbindet. 

Die Grundlage der Theorie ist die Tatsache, dass das menschliche Gehirn als relativ geschlossenes und sich selbst organisierendes (autopoetisches) informationsverarbeitendes System zum allergrößten Teil seiner Aktivitäten mit sich selbst beschäftigt ist und nur zu einem geringen Teil mit der Verarbeitung von Informationen oder Reizen aus der Außenwelt. Diese Informationen der Außenwelt wie z.B. Töne oder visuelle Eindrücke bieten, durch die Sinnesorgane aufgenommen, dem Gehirn keine Informationen darüber, wie die Dinge der Welt sind, sondern dienen nur als Rohmaterial, das vom Gehirn erst interpretiert und verstanden wird. Wir hören eine Musik nicht mit unseren Ohren, sondern unsere Ohren nehmen Schallwellen wahr, setzten sie in einfache elektrische Impulse um und leiten sie an das Gehirn weiter, das aus diesen Impulsen erst die Musik werden lässt. Der Musikeindruck wird also erst im Gehirn erzeugt und nicht von den Sinnesorganen aufgenommen. 

Die wesentliche Leistung des Gehirns besteht also darin, die von den Sinnesorganen übertragenen Impulse aus der Außenwelt permanent zu interpretieren. Dabei schafft es sich seine Konstruktion davon, wie denn die Welt sei, ohne zu wissen, wie sie wirklich ist. Was wir wahrnehmen sind immer nur unsere Erfahrungen von den Dingen, nicht die Dinge selber. Etwas verstehen heißt in diesem Sinne, eine Interpretation aufzubauen, die funktioniert und schlüssig zu sein scheint. Diese strukturierende Arbeit des Gehirns hat den Zweck, dem Individuum das Überleben in seiner Umgebung zu ermöglichen. 

Diese Vorstellungen sind nicht neu, sondern in der Vergangenheit schon von Vico, Comenius, Montessori, Kant und Piaget vertreten worden. Neu sind nur die physiologischen Entdeckungen der Hirnforschung der letzten Jahre, die diese Vorstellungen zu bestätigen scheinen. 
Für das Lernen heißt dies, dass Lernen kein passives Aufnehmen und Abspeichern von Informationen und Wahrnehmungen ist, sondern ein aktiver Prozess der Wissenskonstruktion. Es heißt, sich aktiv und intensiv mit dem Lerngebiet auseinanderzusetzen. Etwas lernen heißt, das Konstrukt im Kopf zu überarbeiten oder zu erweitern. Außerdem ist Lernen ein individueller, selbst gesteuerter Prozess, der je nach Vorkenntnissen und -erfahrungen sehr unterschiedlich ausfallen kann. 

In letzter Konsequenz heißt dies aber auch, dass die Vermittlung von Lernstoff oder Wissen im Sinne einer Übertragung nicht möglich ist. Ein Lehrer oder computerunterstütztes Lernsystem kann immer nur den Konstruktionsprozess des Gehirns anregen, fördern und ihm helfen, das Wissen selbst zu erwerben.


© 2007-2009 Michael Seeger, IES "Lenguas Vivas" Buenos Aires, update 12.11. 2009  mail an m. seeger