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Didaktik

Lehr- und Leerseite

Zusatz-Aufgabe Angelika Sauer (Deutsch)

Michael Seeger (Geschichte)

 

Friedrichs Elternhaus

Friedrich kommt aus einer Familie, in der Vater und Mutter nicht liebevoll miteinander umgehen. Nachdem die erste Frau des Vaters das Weite gesucht hat und wenig später vor Gram gestorben ist, heiratet er erneut. Seine neue Frau Margreth wiederum nahm ihn nicht aus Liebe, sondern aus Torschlusspanik und der wahnwitzigen Vorstellung, den Alkoholiker ändern zu können. 

Friedrich hatte jedoch ein gutes Verhältnis zu seinem Vater:

Der Vater hatte ihn sehr lieb, kam nie nach Hause, ohne ihm ein Stückchen Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man meinte sogar, er sei seit der Geburt des Knaben ordentlicher geworden; wenigstens ward das Lärmen im Hause geringer. (Zitat S.7, Z. 19 ff)

Friedrich vermisst den Vater sogar:

"Mutter, kommt der Vater heute nicht?" fragte er.  - "Nein, Kind, morgen." - "Aber warum nicht, Mutter? Er hat es doch versprochen." (Zitat S. 7 und 8,   Z.38 ff )  

Friedrich bekommt zwar teilweise mit, was die Eltern für Probleme untereinander haben, aber ganz kann er noch nicht alles realisieren:

Friedrich ward still; er horchte noch ein Weilchen und schlief dann ein. Nach einigen Stunden erwachte er. ...  Nach einer Weile merkte er, dass die Mutter auch nicht schlief. Er hörte sie weinen und mitunter "Gegrüßt seist du, Maria!" und "bitte für uns arme Sünder!" Die Kügelchen des Rosenkranzes glitten an seinem Gesicht hin. - Ein unwillkürlicher Seufzer entfuhr ihm.

"Friedrich, bist du wach?"

"Ja, Mutter."

"Kind, bete ein wenig - du kannst ja schon das halbe Vaterunser - dass Gott uns bewahre vor der Wasser- und Feuersnot."

Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Das mannigfaltige Geräusch und Getöse im Hause kam ihm wunderlich vor. Er meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen sein und draußen auch.

"Hör, Mutter, gewiss, da sind Leute, die pochen."

"Ach nein, Kind; aber es ist kein altes Brett im Hause, das nicht klappert."

Margreth versucht das Geräusch zu überhören, weil sie froh ist ihren Mann aus dem Haus zu wissen und sich in ihren Glauben in Form des Betens flüchtet. Dies ist ihre einzige Möglichkeit dem schier auswegslosen Alltag zu entkommen.

"Hör! hörst du nicht? Es ruft! Hör doch!"

Die Mutter richtete sich auf; das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere Stimmen: "Margreth! Frau Margreth, heda, aufgemacht!" 

Margreth stieß einen heftigen Laut aus: "Da bringen sie mir das Schwein wieder!" 

Doch  als Mutter hat sie eine gewisse Verantwortung ihrem Sohn gegenüber und ist  deshalb gezwungen zu reagieren und den Männern die Türe zu öffnen und ihren, wie sie glaubt, schwer betrunkenen Mann, in Empfang zu nehmen. Eine Mutter muss, egal wie sie auch zu dem Vater ihres Kindes steht, diesem immer eine gewisse Form von Respekt entgegenbringen, damit das Kind wenigstens ein minimales Gefühl einer familiären Bindung erfährt. 

Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brettstuhl, die Kleider wurden heftig herbeigerissen. Sie fuhr zum Herde, und bald darauf hörte Friedrich sie mit trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Margreth kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel Gemurmel und fremde Stimmen... Mit einem Male ward eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich meinte, sie sei tot; er erhob ein fürchterliches Geschrei, worauf ihm jemand eine Ohrfeige gab, was ihn zur Ruhe brachte, und nun begriff er nach und nach aus den Reden der Umstehenden, dass der Vater von Ohm Franz Semmler und dem Hülsmeyer tot im Holze gefunden sei und jetzt in der Küche liege. (Zitat S.8-9, Z.17-20)

Margreth fühlte sich in diesem Moment vermutlich ihrer Lebensperspektive beraubt. Plötzlich stand sie als alleinerziehende Mutter und Witwe da, was in dieser Zeit als äußerst unschicklich und unangenehm galt. Außerdem hatte sie von da an überhaupt keine Hoffnung mehr auf jeglichen Wohlstand.

Er wollte den Vater nicht so fürchterlich sehen, weil dieser immer lieb und zärtlich zu Friedrich war:

Friedrich hatte seinen Vater auf dem Stroh gesehen, wo er, wie man sagt, blau und fürchterlich ausgesehen haben soll. Aber davon erzählte er nie und schien ungern daran zu denken. Überhaupt hatte die Erinnerung an seinen Vater eine mit Grausen gemischte Zärtlichkeit in ihm zurückgelassen, wie denn nichts so fesselt wie die Liebe und Sorgfalt eines Wesens, das gegen alles verhärtet scheint, und bei Friedrich wuchs dieses Gefühl mit den Jahren durch das Gefühl mancher Zurücksetzung von Seiten anderer. (Zitat S.10, Z.22-31)

Jeder, der etwas Böses über seinen Vater sagt, bekommt Friedrichs Aggressionen zu spüren:

Es war ihm äußerst empfindlich, wenn, solange er Kind war, jemand des Verstorbenen nicht allzu löblich gedachte; ein Kummer, den ihm das Zartgefühl der Nachbarn nicht ersparte. (Zitat S.10, Z. 31-34)

Friedrich musste  von den anderen Knaben vieles darüber hören (Anm.: Der alte Mergel war das Gespenst des Brederholzes geworden; einen Betrunkenen führte er als Irrlicht bei einem Haar in den Zellerkolk; die Hirtenknaben, wenn sie nachts bei ihren Feuern kauerten und die Eulen in den Gründen schrieen, hörten zuweilen in abgebrochenen Tönen ganz deutlich dazwischen sein "Hör mal an, feins Liseken".); dann heulte er, schlug um sich, stach auch einmal mit seinem Messerchen und wurde bei dieser Gelegenheit jämmerlich verprügelt. 

Friedrich wusste auch, dass der Vater seine Mutter nicht so gut behandelte wie ihn: 

Dadurch, dass Friedrichs Mutter zu Beginn der Ehe ihrem Mann noch imponierte, kam er aus Respekt nicht nach Hause, wenn er zuviel Alkohol getrunken hatte. Mit der Zeit hielt er sich aber auch nicht mehr daran, sondern torkelte regelmäßig betrunken nach Hause, wo er die Möbel zerschlug. Margreth war dies äußerst peinlich und versuchte dies, so gut es ging, vor den Dorfbewohnern zu vertuschen, indem sie alles schnell verriegelte. (Zitat S.6 und 7, Z.36-13)

Natürlich konnte sie die schlechte Beziehung zwischen sich und ihrem Mann nicht vor ihrem Sohn verheimlichen, der die schrecklichen Auseinandersetzungen seiner Eltern ständig hautnah erlebte und darunter zu leiden hatte.   

Friedrichs Moralvorstellungen sind durch die Erziehung der Mutter gespalten:

"Fritzchen", sagte sie, "willst du auch fromm sein, dass ich Freude an dir habe, oder willst du unartig sein und lügen, oder saufen und stehlen?"

"Mutter, Hülsmeyer stiehlt."

"Hülsmeyer? Gott bewahre! Soll ich dir auf den Rücken kommen? Wer sagt dir so schlechtes Zeug?"

"Er hat neulich mit Aaron geprügelt und ihm sechs Groschen genommen."

"Hat er dem Aaron Geld genommen, so hat ihn der verfluchte Jude gewiss zuvor darum betrogen. Hülsmeyer ist ein ordentlicher angesehener Mann, und die Juden sind alle Schelme."

"Aber, Mutter, Brandis sagt auch, dass er Holz und Rehe stiehlt."

"Kind, Brandis ist ein Förster."

"Mutter, lügen Förster?"

Margreth schwieg eine Weile, dann sagte sie: " Höre, Fritz, das Holz lässt unser Herrgott frei wachsen, und das Wild wechselt aus eines Herren Lande in das andere; die können niemand angehören. Doch das verstehst du noch nicht; jetzt geh in den Schuppen und hole mir Reisig." (Zitat S.10, Z.3-21)

© 2002-2015 Lena Kölbin, Eva Rütschle-Stickel, Annette Dreher,  Faust-Gymnasium 79219 Staufen, Letzte Aktualisierung 18.09. 2015