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Jens Sparschuh

Ich dachte, sie finden uns nicht

Zerstreute Prosa

Kiepenheuer & Witsch (KiWi 456) Köln 1997

175 S. 8,90 €

ISBN: 3-462-02657-7

wieder gelesen April 2020

 

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Beflissene Geschwätzigkeit

Beim Wiederlesen nach 30 Jahren merkt der Leser, was Weltliteratur von Gelegenheitsprosa scheidet.

Wieder durchstreift das suchende Auge in der eigenen Bibliothek den Bestand und wundert sich, dass da neben dem "Zimmerspringbrunnen" auch "Zerstreute Prosa" von Jens Sparschuh steht. Keinerlei Erinnerung mehr an das Buch. Die schöne Widmung des Autors aber gibt den Ausschlag zum Wiederlesen. Wie zuletzt bei "Hyperion" endet auch dieser Versuch in Enttäuschung. Was lehrt uns das?

Ein zeitgenössisches Aufgewecktsein für das Ende der Deutschen Teilung faszinierte damals nicht nur zeitgeschichtlich, sondern emotionalisierte den Freund der Deutschen Einheit auch für deren literarische Zeugen. Ja, der Pankower Autor versteht sich in diesem Sammelband als Zeuge, Chronist, Essayist, Beobachter der beiden - und schließlich des einen Deutschland ... und (aufgemerkt!) auch der Welt:

"Deutschland liebe ich am meisten (und aus tiefster Seele), wenn ich ein Stück weit weg bin." (S. 94)

Von solch banalen (höchst innovativen !!) Aphorismen überborden die Prosastücke, garniert mit unerträglicher Beflissenheit, welche uns kundtut, dass der Autor Leibnitz, Marcuse, Münchhausen, Einstein, Kennedy und Schiller tatsächlich kennt! Bleiben wir für diese Besprechung bei Schiller:

"Mir, dem Ex-DDR-Autor, kam es immer so vor, als verstünde niemand Freund Schiller so gut wie ich .... Weil er eben, wie ich, alles aus-dem-Kopf-heraus tat." (S. 100)

Der Aufsatz "Schiller in Amerika" beginnt zunächst mit einer Interpretation von Schillers Gedicht "Kolumbus".

Was mir bei Ex-DDR-lern (vulgo "Ossis") gelegentlich auffällt, ist das beliebte Hinüberschwenken von der Welt zum Ich. Und so ist Sparschuh - völlig unvermittelt - flugs bei seiner Gastdozentur im US-Mittelwesten und der Schilderung seines Amerikabildes. Das ist an Banalitäten und Wiedergeben bekannter Klischees und deren Aufbrechen ("Land ohne Geschichte", "Skylines", "Auto", "Sheriff" etc) kaum zu überbieten und gleitet schließlich in völlige Geschwätzigkeit ab.

Nach seitenlang präsentierten Allgemeinplätzen, wird es "langsam Zeit, wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren." ( S. 100) und der war ja, richtig!, Schiller und Kolumbus.

Schließlich landet Sparschuh wieder in Berlin, ist wieder ganz bei sich und versucht erneut witzig zu sein:

"So schlendere ich bewußtseinserweitert und hinkend davon und lasse mir von der rußigen Berliner Luft meinen immerhin heil in die Heimat geretteten Skalp zausen." (S. 102)

Da darf dann auch das Kennedy-Outing nicht mehr fehlen. Ich biege mich vor Lachen und stelle das Bändchen zurück ins Bücherregal.

Michael Seeger, 30. April 2020

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