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Didaktik

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Zusatz-Aufgabe Angelika Sauer (Deutsch)

Michael Seeger (Geschichte)

Holzfrevel

Was der Begriff Holzfrevel für die im 18. Jahrhundert am Geschehen Beteiligten beinhaltete, wird in Anette von Droste-Hülshoffs „Judenbuche“ sehr anschaulich beschrieben. Doch wie ist dieser Begriff überhaupt entstanden, wie ist er in der damaligen Zeit, also historisch zu werten und zu bewerten?

Besitz am Wald entstand in Deutschland erst im Verlauf des Mittelalters mit der Einführung der römischen Rechtsgrundsätze. Vorher war der Wald nach germanischer Rechtsauffassung Allgemeingut gewesen, das man demnach nicht besitzen konnte und das allen zur Verfügung stand.

Im Lehenswesen wurden die Territorien einschließlich ihrer Wälder durch Vergabe von Lehen in Grundbesitze aufgeteilt. Davon beanspruchten die jeweiligen Lehensherren (im Fall der „Judenbuche“ des Fürstbistums Paderborn also ein Fürstbischof) i.d.R. den größten Teil für sich, nur wenig stand den einzelnen dörflichen Gemeinschaften (Allmende) zu. 

Im Lauf der Jahrhunderte stand in den herrschaftlichen Wäldern zunächst die höfische Jagd im Vordergrund allen Interesses seitens der jeweiligen Herren (Zeit des Absolutismus). Zuwiderhandlungen gegen das herrschaftliche Jagdregal wurden als Jagdfrevel verfolgt und oft drakonisch bestraft. Derweil spielten die übrigen Nutzungen aus dem Wald nur eine untergeordnete Rolle.

Auf der anderen Seite konnte der Waldbesitz der Dorfgemeinschaften die Ansprüche einer wachsenden Bevölkerungszahl schon bald allein nicht mehr befriedigen. Vielerorts wurde es daher üblich, dass der herrschaftliche Waldbesitz der ländlichen Bevölkerung bestimmte Nutzungen wie z.B. Lese- und Reiserholz sammeln, Streunutzung usw. gegen ein gewisses Entgeld gestattete. Die herrschaftlichen Bediensteten, Jäger bzw. Förster, hatten dieses zu überwachen und das Geld einzutreiben.

Während des 18. Jahrhunderts rückte dann nach und nach auch die Funktion des Waldes als wichtigster Rohstofflieferant der damaligen Wirtschaft stärker in den Mittelpunkt. Mit dem Aufkommen zahlreicher frühindustrieller Verhüttungs- (Metall/Glas), Fabrikations- (Kalk-/Ziegelöfen) und Manufakturbetriebe (Töpferwaren, Porzellan), oft in herrschaftlichem Besitz, stieg insbesondere der Bedarf an Brennholz (Klafterholz), aber auch der Nutzholzbedarf stark an. Dem stand jedoch mittlerweile ein recht heruntergekommener Zustand der Wälder gegenüber. Die Allmendewälder waren seit langem übernutzt und ausgeplündert, in den herrschaftlichen Wäldern sah es insgesamt nicht viel besser aus, da die über Jahrhunderte hinweg hohen Wildbestände zusammen mit den gestatteten Nutzungen vielfach das natürliche Aufkommen von Jungwuchs und damit ein ausreichendes Nachwachsen des Waldes verhindert hatten. Gleichzeitig nahmen ungeregelte Holznutzungen durch die notleidende Bevölkerung drastisch zu. Unter dem Eindruck dieser Zustände und der hinzugewonnenen Erkenntnisse bezüglich einer regulären Bewirtschaftung von Wäldern kam es daher zum Erlass strengerer gesetzlicher Regelungen (Forstordnungen) zum Schutz und zur Wiederherstellung des Waldes.

Änderungen in der Waldbewirtschaftung wirken sich jedoch typischerweise nur sehr langsam aus, denn ein Baum braucht schließlich hundert Jahre und mehr, bis er eine für die Nutzung interessante Stärke erreicht hat. Daher war ein direkter Nutzen aus den neuen Forstordnungen für viele Menschen zunächst nicht erkennbar, besonders auf dem Lande wurden sie lediglich als neuerliche Demonstration obrigkeitlicher Macht empfunden und innerlich abgelehnt. Da sie gleichzeitig auch einen Großteil der althergebrachten Forstberechtigungen eingeschränkten oder gar aufhoben, wurde die akute Notlage der bäuerlichen Bevölkerung, die noch in vielen Lebensbereichen von den Leistungen des Waldes abhängig war, nicht beseitigt sondern eher noch verschärft. Vielerorts regte sich daher teils erbitterter Widerstand gegen die neuen Gesetze, ungenehmigte Holznutzungen setzten sich fort und wurden von der einfachen Bevölkerung oft stillschweigend mit getragen. Nun allerdings erfüllten sie den Tatbestand des Diebstahls, Holzfrevel genannt und wurden von Seiten der Obrigkeit unnachsichtig verfolgt und geahndet. Diese Aufgabe kam den Förstern zu, die dazu mit zahlreichen Sonderbefugnissen bis hin zum Waffengebrauch ausgestattet waren und in erster Linie als eine Art Forstpolizei fungierten. Entsprechend war der Förster damals der Feind des einfachen Mannes. Am Holzfrevel beteiligten sich die meisten Bauern und zwar nicht nur die notleidenden, da bei der allgemein herrschenden Armut Holz eines der wenigen Mittel war, mit denen man noch Geld verdienen konnte. Die Holzfrevler handelten dabei in der Überzeugung uralte Rechtstitel (s.o.) auf die Nutzung des Waldes zu besitzen.

Wie zahlreiche Quellen belegen, waren die in der „Judenbuche“ für das Dorf B. im Teutoburger Wald geschilderten Ereignisse zu dieser Zeit und bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Novelle entstand, bei Weitem kein Einzelfall. So berichtet beispielsweise das "Wormsische Zeitungs- und Intelligenzmanual" am 24.11.1792, dass im Verlauf einer kleinkriegs-ähnlichen Schießerei zwischen Förstern und Holzfrevlern im Limburg-Dürkheimer Wald (Pfalz) 53(!) Beteiligte zu Tode kamen.

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© 2002-2015 Gerrit Gertzmann, Jonas Haaf,   Faust-Gymnasium 79219 Staufen, Letzte Aktualisierung 16.09. 2015