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"Freie Deutsche Stimme"
"Patriote français"
Publikationen,
aus dem Unterricht hervorgehend, mit dem Computer erstellt, bieten die Chance, 
  • einen Unterrichtsgegenstand ansprechend zu dokumentieren
  • bei den Schülern eine hohe Motivation zu erzeugen
  • mittels des Werkzeugs Computer zu handwerklicher Perfektion anzuregen
  • fächerverbindend zu arbeiten
  • projekt- und produkt(ions)orientiert zu arbeiten
  • Teamfähigkeit auszubilden
  • Selbständigkeit zu fördern

Alle Publikationenkönnen über E-MAIL (info@michaelseeger.de) zum Selbstkostenpreis (€ 1,60 bis € 3,00 zuzgl. Porto) bestellt werden.

Eine didaktisch  reizvolle Art dieser Publikationen ist das Projekt Historische Zeitung:  

1."Freie Deutsche Stimme"

über den Vormärz mit zwei neunten Klassen
 
 

2."Patriote français"

über die Französische Revolution mit einem Leistungskurs Geschichte.

Über dieses Projekt ist in der didaktischen Zeitschrift Geschichte lernen (Heft 60) im Herbst 1997 ein Bericht erschienen. Lesen Sie hier das Manuskript dieses Aufsatzes:

Patriote français
 
Projekt: Erstellen einer historischen Zeitung zur Französischen Revolution 
(Mai 1995)
 
Die Rolle der Presse in der Französischen Revolution
ITG: Motivation durch Innovation
Die Planung und Vorbereitung des Projektes
Lernvoraussetzung: Teamfähigkeit
Systemvoraussetzungen
Arbeit am Computer
Didaktische Anregungen und Bilanz
Handapparat für die Schüler
 
Patriote français, 16 Seiten Revolutionszeitung, 

€ 2,50 + Versandkosten

 

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„Eine freie Zeitung ist ein Wachtposten,
der ununterbrochen für das Volk wacht."
 
Jacques-Pierre Brissot in der ersten 
Nummer seines „Patriote français, April 1789

Die Rolle der Presse in der Französischen Revolution

Ein kräftiges Rauschen im Blätterwald hatte im revolutionären Frankreich dafür gesorgt, dass die spitze Feder gleichberechtigt an die Seite des Schwertes getreten war. Öffentlicher Diskurs war ja im 18. Jahrhundert der Hebel bürgerlichen Emanzipationsstrebens. 

Vom Wirken der Aufklärungsphilosophen über die Tätigkeit der Akademien und Freimaurerlogen zu den politischen Klubs verstärkte sich die Politisierung des ursprünglich rein literarisch ausgerichteten Räsonierens der bürgerlichen Öffentlichkeit. „Neben den Klubs war die Presse eine großartige Schule für die ersten Gehversuche des revolutionären Bürgertums". (Furet, s.u.)  Nachdem im Artikel 11 der Menschen- und Bürgerrechte am 26. August 1789 die Pressefreiheit erklärt worden war, war mit dem Verschwinden der Pressezensur die letzte Hürde genommen auf dem Weg in eine Gesellschaft, die sich hinfort anschickte, möglichst vielen Menschen möglichst viele Informationen zukommen zu lassen. Es blieb nicht bei der Information: Durch Kommentar, Pamphlet, Appell, Propaganda wurden die Zeitungen zu Motoren des historischen Prozesses. Das „Rauschen im Blätterwald" war wirklich sehr beeindruckend, von Pressekonzentration keine Rede, die Journale schossen wie Pilze aus der Erde. Dabei wurden alle politischen Haltungen bedient, wobei es die Royalisten im Wettbewerb der Meinungen verständlicherweise eher schwer hatten. Die Leserschaft wurde nach links hin zahlreicher: von Mirabeaus „Courrier de la Provence", Brissots „Patriote français", Desmoulins „Revolutions de France et de Brabant", über den „L’Ami du Peuple" Marrats bis hin zum legendären „Père Duchesne" Heberts. „Die Pressefreiheit führte zu einer kaum vorstellbaren Vermehrung der Zeitungen. Für das Jahr 1791 hat man einhundertfünfzig gezählt, und dabei ist das nur eine unvollständige, fast ganz auf die Pariser Presse beschränkte Zusammenstellung" (Furet, s.u.). Schulin gibt schon für das Jahr 1760 die erstaunliche Zahl von 10 Millionen Lesefähigen an (Schulin, s.u.), so dass man vor und in der Revolution von einer Gesellschaft schreibender Elite und lesender Masse ausgehen kann.

War die Vermehrung der Information das Paradigma bürgerlichen Emanzipationsstrebens im 18. und 19. Jahrhundert, so setzt uns das digitale Zeitalter in die Lage, globale Informationen auf innovative Weise zu verarbeiten. Die Ereignisse der Revolution und ihre Debatten simulierend, mit Schülern eine historische Zeitung zu produzieren, war eine Idee, die mich schon lange faszinierte. In Zeit Bild, Das historische Nachrichten-Magazin" aus dem Überreuter-Verlag liegt seit Jahren ein Vorbild für derartige Unterrichtsarbeit vor. Wie kann man Schüler für ein aufwendiges Zeitungs-Projekt motivieren? Wie kann man im angestrebten Produkt „Zeitung" eine ansprechende Ästhetik erreichen? Wie Schüler gleichzeitig in Geschichte, Journalismus und Layout unterrichten? waren für mich bis 1995 ungelöste Fragen.

 

ITG: Motivation durch Innovation


Wie in fast allen Bundesländern hat in Baden-Württemberg der Umgang mit dem Computer Eingang in die Bildungspläne gefunden. Neben dem Wahlfach „Informatik" in der gymnasialen Oberstufe werden alle Schüler weiterführender Schulen mit EDV vertraut gemacht: ITG („Informations-technische Grundbildung) ist im Gymnasium in Klasse 8 angesiedelt, angegliedert an den Mathematikunterricht. 1994 und 1995 gab es bescheidene Versuche, die Kompetenz in ITG auf die Geisteswissenschaften auszuweiten. In diesem Zusammenhang besuchte ich im Frühjahr 1995 eine regionale Fortbildung „Einsatz des Computers im Deutschunterricht", die mich elektrisierte. Etwa ein Jahr zuvor hatte ich mich in das Computerhandling eingearbeitet, den Computer täglich für meine Arbeit benutzt, mit Schülern aber den Computerraum der Schule, den ich für einen geheiligten Tempel für Mathematiker gehalten hatte, noch nie betreten. Die Fortbildungstagung machte mir klar: Es gibt eine Fülle von äußerst produktiven Möglichkeiten, den Computer im Klassenunterricht auch in meinen Fächern Deutsch und Geschichte einzusetzen. Das auf der Tagung kennengelernte DTP-Programm (Desktop Publishing) schien mir geeignet, meine alte Idee von der historischen Zeitung endlich in die Tat umsetzen zu können. Zufälligerweise hatte gerade zu dem Zeitpunkt der Förderkreis meines Gymnasium auf Bitten der Schülerzeitungsredaktion das auf Windows basierende Programm „MS-PUBLISHER 2.0" für die Schule angeschafft. Für die Schüler, die ich im Leistungskurs Geschichte, Jahrgangsstufe 12, unterrichtete, stand im April/Mai nach Bildungsplan die Französische Revolution auf dem Programm. Jene 20 besonders aktiven und experimentier-freudigen Schülerinnen und Schüler hatten sich von mir schon lange vorher die Aufgeschlossenheit für Innovationen als zukünftsträchtige Schlüsselqualifikation vermitteln lassen. Über diesen Begriff waren sie leicht für das Unterrichtsprojekt zu gewinnen. Nachdem zuvor im Kurs gerade höchst intensiv und extensiv die Amerikanische Unabhängigkeit als sogenanntes Sternchenthema behandelt worden war, stellte die Französische Revolution bezogen auf die Abiturvorbereitung quasi eine Spielwiese dar, was die Schüler ermutigte, einen Großteil des Themas in handlungs- und produktorientiertem Unterricht zu organisieren. 

Die Planung und Vorbereitung des Projektes

Die zu erstellende Zeitung sollte nach meinem Plan „tagesaktuell" sein, zugleich aber die Französische Revolution zur Zeit der Konstituante in entscheidenden, identitätsstiftenden, Fragestellungen repräsentieren. Das fiel bei diesem Thema nicht schwer: Die großen Journées revolutionaires drängten sich als Zeithorizont geradezu auf.

Wie immer im Unterrichtsalltag war in der Vorbereitung Eile geboten. Nach nur einer Auftaktstunde zur Sozial- und Finanzkrise des Ancien Régimes begannen die Schülerteams mit der Aneignung der historischen Inhalte, während ich diese Zeit zur Vorbereitung der Software und zur Erarbeitung der komplizierten didaktischen Struktur des Projektes nutzte.


 
 Lernvoraussetzung: Teamfähigkeit


Die Unterrichtssituation in diesem recht großen Leistungskurs (20 Teilnehmer) war für das Projekt recht günstig. Seit acht Monaten waren es die Schüler gewohnt, immer wieder neben dem Frontalunterricht in (auf Dauer etablierten) Lernteams zu arbeiten. Sie hatten sich sowohl in den Feldern Selbständigkeit, Teamfähigkeit. Initiative, Präsentationstechnik, Moderation, Recherche, Interaktion als auch in der Erarbeitung historischer Fragestellungen und deren Lösung eine jeweils hohe Kompetenz erworben. Methodischer Hebel dieser auf Kooperation angelegten Unterrichtsarbeit war die Einteilung des Kurses in ABC(D)-Gruppen, die schon das ganze Schuljahr über bestanden hatten. Diesen Gruppen war nun die Aufgabe gestellt, zu einer „Journée revolutionaire" nach Wahl

  • sich zu informieren
  • Material zu exzerpieren
  • Fragestellungen zu entwickeln
  • Material auszuwählen und
  • journalistisch aufzubereiten.

Die einzelnen Teams sollten zu ihrem Revolutionstag ein Doppelseite der Zeitung erstellen. Zur Orientierung und als Vorbild lagen ihnen drei von mir selbst gefertigte Seiten über das Föderationsfest am 14. Juli 1790 vor.

Zur Wahl standen folgende Revolutionstage aus dem Jahre 1789:
  • 5. Mai
  • 17./20./23.Juni
  • 14. Juli
  • 4./5.August
  • 26. August
  • 5./6.Oktober
Die Wahl durch die Gruppen verlief problemlos. Die Aufgaben waren gerade vor den Osterferien erteilt, so dass die Ferienzeit zur Sachorientierung via Schulbücher genutzt werden konnte. Nach den Osterferien war der Unterricht im Kursverband und Klassenraum aufgelöst. Für die 5 LK-Stunden pro Woche hatte ich sowohl den Computerraum als auch die Oberstufenbibliothek reserviert, in der ich einen Kursapparat (Titel siehe Anhang) bereitgestellt hatte.

Systemvoraussetzungen

Ich als Unterrichtender, der ich während dieses Projekts mehr und mehr in die Rollen des EDV-Beraters, des Moderators, des Produktmanagers, des Chefredakteurs hineinwachsen sollte, hatte mich in den Ferien auf doppelte Weise kundig gemacht: Im Selbststudium hatte ich mir Kompetenz im Umgang mit dem DTP-Programm „MS-Publisher 2.0" erworben, vom ausgesprochen hilfsbereiten Informatik-Fachleiter unserer Schule hatte ich mich in die Organisation des Schulcomputerraumes einweisen lassen. Es handelt sich um einen Raum mit 12 Arbeitsplätzen, 386-er Rechnern mit Server, die in einem Novell-Netzwerk miteinander verbunden sind. Entscheidend für die Bildbearbeitung im DTP-Programm war die Ausstattung mit 8 MB RAM. Geradezu rührend kümmerte sich der Informatik-Fachleiter um unser Anliegen, war bei der Netz-Installation der Software behilflich und sichtlich angetan, dass ein Nichtmathematiker die Schwelle zur EDV-Technik überstiegen hatte - eine ermutigende Erfahrung, die mir auch KollegInnen anderer Schulen bestätigen.
 

Didaktische Struktur

Wie waren die Schüler möglichst effektiv in das DTP-Programm einzuarbeiten? Die Schüler dieses Projektes waren zu alt, um in der Schule den ITG-Unterricht erlebt zu haben. Vom blutigen Anfänger bis zum „Freak" (Redaktionsmitglied der Schülerzeitung) ging die durchaus typische Mischung im Kurs. In der Arbeit am Computer sollte nach meinem Ermessen Zeit gespart werden. Schließlich war der Gegenstand des Unterrichts ein historisches Thema, der Computer sollte nicht mehr als ein Werkzeug sein! Also erstellte ich eine Formatvorlage für die Titelseite der simulierten Zeitung „Patriote français", in der die Seite so vorformatiert war, dass ein einheitliches Aussehen entstehen würde: Zeitungskopf, 3-spaltiger Aufmacher, Kommentar, Platzhalter für Grafik, Impressum, zwei kleine Rubriken, 2-spaltiger Artikel. Die Schriftgrößen, knappen Seitenränder und die Spaltenkamine hatte ich so gewählt, dass auf eine DIN A4-Seite möglichst viel Material passt, dass das Erscheinungsbild meinem ästhetischen Empfinden entspricht und das Aussehen an die den Schüler vertraute „Badische Zeitung" erinnert. Mit roter (Bildschirm)Farbe hatte ich in die Text- und Grafikplatzhalter journalistische Hinweise zum Artikeltyp und einige Programmhilfen geschrieben. Meine Idee war: Gelänge es, dass die Schüler im Erstellen der Titelseite genügend Kompetenz im DTP-Programm (im Kurs „Computenz" genannt) erwürben, könnten sie eine zweite Seite selbständig - auch im Layout - gestalten.

Während der 4-stündigen Bibliotheksarbeit des Kurses zog ich jeweils ein Schülerteam-Mitglied zur Einweisung in das Computerprogramm heraus. Hier kam der intendierten Effektivierung des Lernprozesses die etablierte ABC-Gruppenstruktur zugute. Die Teams schickten ihren „EDV-Experten" zu mir in den Computerraum, während die übrigen 2-3 Gruppenmitglieder an den Zeitungsmanuskripten weiterarbeiteten. Mit der Kleingruppe von sechs Schülern aus den sechs Filialredaktionen war die Einführung in das Computerprogramm schnell zu leisten. Ohne abstrakte Computertechnik ging es gleich medias in res. Die Übungen am Computer wurden am Beispiel halbfertiger Manuskripte der jeweiligen Gruppen durchgeführt. Demonstration war sowohl über die Großprojektion via Display als auch am einzelnen PC-Arbeitsplatz möglich. Die so ausgebildeten „Experten" hatten in den folgenden Stunden die Aufgabe, ihre TeamkollegInnen in die wichtigsten Funktionen des Computerprogramms einzuweisen. Die Wahl des DTP-Programms „MS-Publisher 2.0" war insofern hilfreich, als es erstens durch seine raffinierten Layoutmöglichkeiten begeistert und weil die Handhabung für die meisten Schüler mit Computererfahrung schnell zu erlernen ist. Es stammt vom Marktführer Microsoft und ist ähnlich wie andere Textprogramme dieses Softwarekonzerns (Works, Word) zu bedienen. Erwachsene sind immer wieder von der schnellen Aufnahmefähigkeit Jugendlicher verblüfft.


 
 Arbeit am Computer

Die 7-stündige Arbeit im Computerraum vollzog sich in der angenehm erregten Atmosphäre einer Großredaktion. Dieses Arbeiten ist pointiert individualisierend. Während ein Schüler Wort für Wort ein perfekt vorbereitetes Manuskript abtippt, formuliert der nächste Redakteur direkt am Bildschirm auf der Basis eines nur groben Exzerptes, kreieren zwei Schüler einen „choke", begeistert sich eine Schülerin für die Zeichnung einer Guillotine via Malprogramm, interessiert sich ein „Freak" im Kontakt mit dem Lehrer vor allem für die Raffinessen das Programms. Selten findet in hektischer Arbeitsatmosphäre so viel soziales Lernen statt, soviel Kooperation, soviel Kreativität, soviel Heiterkeit. Die Filialredaktionen standen untereinander in produktiver Konkurrenz. Auch ich als Lehrer konnte im Verständnis des Computerprogramms gemeinsam mit den Schülern lernen. Ich war ja quasi selbst Anfänger. Die Spaltenfunktion hatte ich in diesem meinem ersten Zeitungsprojekt noch nicht entdeckt, so dass wir auf der Basis von Tabellenfunktionen den Spaltenumbruch umständlich manuell durchgeführt hatten. Die Filialredaktionen suchten aus den Büchern die Bilder für ihre Zeitungsseiten aus. Auf meinem privaten Scanner wurden diese gescannt und den Filialredaktionen dann elektronisch via Diskette zur Verfügung gestellt. Auch in diesem Punkt litt die Zeitung „Patriote français" noch unter Anfängerfehlern, was sich in der Qualität der abgedruckten Grafiken zeigte.

Nach jeder Stunde im Computerraum sicherte ich die Ergebnisse auf Disketten, um sie zu Hause zu „korrigieren": entweder durch direktes Redigieren oder durch in roter Farbe gehaltene Hinweise für die Schüler am Rande ihres Artikels. In der nächsten Stunde hatten die Schüler entsprechend dieser Hinweise ihre Produkte zu überarbeiten. Mit diesem Verfahren, was vom Leiter des Projektes allerdings einen immensen Arbeitsaufwand erfordert, war es möglich, die Texteingabe und die Arbeit am Layout auf sieben Unterrichtsstunden zu reduzieren. Neben der einheitlich aussehenden Titelseite hatten die Teams tatsächlich selbständig eine zweite Seite gestaltet. Arbeit mit Schülern am Computer evoziert immer einen in den Jugendlichen schlummernden Spieltrieb, der - wenn vom Thema abweichend - störend wirken kann und deshalb unterbunden werden muss, der aber auch in die kreativ-produktive Richtung gehen kann und dann Euphorie erzeugt. Während unserer Arbeit waren vor allem „Französisierungen", auch auf die Autorennamen bezogen, und journalistische Anspielungen auf das Schulleben in Konjunktur.

Die Schlussredaktion oblag einer Expertengruppe (drei Schüler) und schließlich- aus Zeitmangel - dem Lehrer selbst. Der Ausdruck der Druckfahnen erfolgte mit meinem privaten Laserdrucker. Vervielfältigt wurden die Druckvorlagen via Kopiergerät (Vor und Rückseite), die 16 Seiten wurden mit einem Hefter geklammert.
 
 

Didaktische Anregungen und Bilanz

Als Lehrer war ich mit dem Projekt zufrieden, vor allem mit der Sachkompetenz, die aus den Schülerartikeln sprach. Die Schüler hatten während des Projektes eine hohe Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit entwickelt, die sich auch in der künftigen Unterrichtsarbeit noch verzinsen sollte. Der Lerneffekt lag etwa zu gleichen Teilen auf den Feldern Geschichte, Soziales Lernen, „Computenz". Durch die Simulation „Wir spielen Zeitungsredaktion im Jahre 1789" lässt sich eine hohe Motivation, Identifikation mit dem historischen Prozess und eine an Werten orientierte Stellungnahme zum geschichtlichen Vorgang erzielen. Die im Geschichtsunterricht häufig angestrebte und oft nur mühsam verwirklichte Aktualisierung ergibt sich bei diesem Projekt auf spielerische Weise geradezu von selbst, wie die (häufig witzigen) Anverwandlungen der schreibenden Schülerautoren in beide zeitliche Richtungen belegen.

Der Ablauf war z. T. zu sehr differenziert, arbeitsteilig und disloziert, so dass die Lehrer-Kontrolle des Gesamtprozesses manchmal nicht mehr möglich war. Die Störungen waren aber nicht stärker als im Alltagsunterricht. Aufgewogen waren sie allemal durch die sich entfaltende Eigeninitiative. Eine noch perfektere Vorbereitung einer Zeitungsvorlage mit mehr gezielten didaktischen Hinweisen hat bei weiteren Zeitungsprojekten manche Reibung und Verzögerung beseitigt. Nicht günstig sind Einzelstunden für die Computerarbeit, weil durch Öffnen, Speichern, Schließen etc zu viel Zeit in Anspruch genommen wird. Als günstig haben sich bei anderen Zeitungsprojekten Arbeitsblöcke von drei Unterrichtsstunden erwiesen. Alle ITG-Unterrichtsarbeit bestätigt: Die Lernenden (auch Erwachsene) befinden sich in einem extrem individualisierten Lern- und Arbeitsprozess, der die übliche Sinnenwahrnehmung stark verändert. Sinnlos sind Hinweise des Unterrichtenden, während die Unterrichteten konzentriert und fasziniert vor ihren flimmernden Bildschirmen sitzen. Gegen die elektronische Virtualität kommt antiquiertes Dozieren nicht an. Auch Versuche, via Musikregie die Aufmerksamkeit der Beteiligten zu bannen, blieben unbefriedigend. Die Aufforderung, die Bildschirme auszuschalten, ist für im erregten Arbeitsprozess stehende Menschen interruptiv-frustrierend. Der Unterrichtende sollte die gegebene Individualisierung aufgreifen und individualisierend didaktisch reagieren. So ist der Lerneffekt besonders hoch. Jedes Softwareproblem ist anders und interessiert nur einen Schüler. Die der ITG angemessene didaktische Botschaft ist die „e-mail". Sie kann realisiert werden durch „elektronische messages", welche die Lehrkraft nach der Unterrichtsstunde in die Schülerdatei schreibt. Ist von der Hardwareseite her ein (sehr teures) „didaktisches Netz" vorhanden, kann der Unterrichtende auf angemessene Weise sowohl kollektiv wie individualisierend seine Korrektur auf alle oder auf einen ausgewählten Bildschirm senden. Der Unterrichtende sollte für ein Zeitungsprojekt sowohl fachwissenschaftlich wie informationstechnologisch sicher sein, damit er für sich selbst stressfrei und für die Beteiligten störungsfrei die an ihn gestellten Anforderungen (mehrere Schüleranfragen gleichzeitig) bewältigen kann.

Gegen die Wertung der Zeitungsartikel als reguläre Klausur wehrte sich der Kurs aus Unsicherheit und Angst vor Ungleichbehandlung. So wurde die Zeitungsdoppelseite jedes Team als gewichtige „mündliche Note" (kollektiv) gewertet. Vor der traditionellen Klausur hatte jede Gruppe auf der Basis ihrer Journée revolutionaire ein halbe Unterrichtsstunde zu gestalten. Die Schüler kritisierten die Tatsache, dass sie als Experten nur eines Themas sich in den anderen Themen zu wenig Kompetenz erworben hätten. Das Ergebnis der Klausur (Schnitt 10,4 P.) relativierte diese Kritik.

Dem Stoff „Französische Revolution" eignet das moderne computergestützte Verfahren im Besonderen: Er hat erstens die für Zeitungen erforderliche Ereignisfülle. Zweitens passt der moderne, technische Umgang zu einem Grundzug der Revolution: dem der Innovation und Modernisierung aller Lebensbereiche. Mit der fertigen Zeitung hatte der Kurs ein selbst erarbeitetes Produkt in der Hand, das alle Seiten mit Stolz auf die geleistete Arbeit erfüllte. Dieses Produkt ereilte danach das Schicksal aller Zeitungen: Es ging im Schulalltag schnell wieder in neuen Aktualitäten unter. Geblieben sind gemeinsame Lernerfahrungen.

In einer neuen Unterrichtsform, der des offenen, produktionsorientierten, ganzheitlichen Projektunterrichts, wurde ein traditioneller Bildungsplaninhalt (Französische Revolution) via Medium „Historische Zeitung" mit dem modernen Werkzeug Computer in einem dynamischen Gruppenprozess, der die Teilnehmer in der Schlüsselqualifikation Teamfähigkeit schult, mit der produzierten Zeitung ein niveauvolles Ergebnis erzielt.

Es handelt sich bei solchen Zeitungsprojekten um gelungene Beispiele modernen integrierten Unterrichts. Die Redaktion, gegliedert in Großredaktion mit dem Lehrer als Chefredakteur und Filialredaktionen der Schülergruppen ist der praxisbezogene Idealtyp eines Teams.
 

Handapparat für die Schüler

  • Castelot, André: Die Französische Revolution, (Casimir Katz), Gernsbach1988 (mit zahlreichen Anekdoten und Illustrationen)
  • Furet, François/Richet, Denis: Die Französische Revolution, (S. Fischer) Frankfurt a. M. 1968
  • Grab, Walter: Die Französische Revolution, Aufbruch in die moderne Demokratie, (parkland) Stuttgart 1989 (mit zahlreichen Illustrationen)
  • Greber, Ludwig, Wurster, Karl-Heinz: Stundenblätter Die Französische Revolution, (Klett) Stuttgart 1980
  • Hartig, Irmgard und Paul: Die Französische Revolution, Tempora, Quellen zur Geschichte und Politik, (Klett) Stuttgart 1984
  • Kuhn, Annette: Die Französische Revolution, (Kösel) München 21977
  • Markov, Walter: Revolution im Zeugenstand, Frankreich 1789-1799, Bd. 1 Aussagen und Analysen, Bd. 2 Gesprochenes und Geschriebenes (Philipp Reclam jun.) Leipzig 21986
  • Mignet, François Auguste: Geschichte der Französischen Revolution von 1789 bis 1814, (Röderberg) Frankfurt a. M., 1975
  • Schulin, Ernst: Die Französische Revolution, (C. H. Beck) München 21989
  • Soboul, Albert: Die Große Französische Revolution, (EVA), Frankfurt a.M., 31973
  • Soboul, Albert: Kurze Geschichte der Französischen Revolution, (Wagenbach) Berlin 1977
  • Vovelle, Michel: Die Französische Revolution, Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitäten, (Fischer) Frankfurt a.M. 1985
  • ZeitBild: Die Französische Revolution, Das historische Nachrichten-Magazin (1789-1794), hrsg. v. Hans Erik Hausner, (Überreuter), Wien/Heidelberg 1977 (=Zeitungssimulation mit viel Bildmaterial)
  • zusätzlich ein Dutzend Schulgeschichtsbücher

© 1995-2012  Michael Seeger, Faust-Gymnasium Staufen, update 11.04.2012

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