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Abschlussarbeit Das Embryonenschutzgesetz Schon seit jeher versucht die Menschheit schadhafte oder verlorengegangene Körperteile durch Prothesen zu ersetzen, die im Laufe der Zeit technisch immer mehr verbessert werden konnten: von den Knochenstückchen als Zahnersatz bei den alten Ägyptern hin zum Holzbein. Es wurden künstliche Kniegelenke hergestellt und schließlich auch ein Kunstherz. Doch schnell erkannte man die Nachteile dieser Fremdkörper. An die Leistung des menschlichen Herzens kommt einfach kein Kunstherz heran. Ein großer Erfolg war dann die erste Organtransplantation 1950, bei der eine menschliche Niere verpflanzt wurde. Aber auch hier ergaben sich Probleme. Zum einen war da die Abstoßungsreaktion des Körpers gegenüber Spenderorganen und zum anderen standen zu wenig Organe zur Verfügung. Das Streben der Menschheit nach vollkommener Gesundheit war schon immer da und wird auch immer da bleiben. "Therapeutisches Klonen" ist in neuster Zeit das Schlagwort der Medien. Wissenschaftler versprechen sich davon, schwere Krankheiten heilen zu können, für die es bisher noch keine effektiven Therapien gibt. Doch dieses sogenannte "therapeutische Klonen" wirft schwerwiegende ethische Fragen auf. Die Arbeit mit embryonalen Stammzellen ist hierbei unumgänglich. Diese Arbeit ist in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verboten und gilt als gegen die Würde des Menschen gerichtet, da bei einem Verfahren zur Gewinnung dieser embryonalen Stammzellen heranwachsendes, menschliches Leben vernichtet werden müsste und bei einem anderen Verfahren sich die Frage stellt, ob abgetriebene Föten als "Ersatzteillager" verwendet werden dürfen. Doch die Möglichkeit zur Heilung schwerer Krankheiten verführt uns Menschen, und so ist eine heftige Diskussion zwischen den Naturwissenschaftlern und den Geisteswissenschaftlern entbrannt: Soll das Embryonenschutzgesetz, das das "therapeutische Klonen" noch verhindert, geändert werden?
I Naturwissenschaftliche Grundlagen 1.1. Definition und Eigenschaften von Stammzellen 1 Als Stammzellen werden Zellen bezeichnet, die Teilungs- und Entwicklungsfähigkeit besitzen. Das heißt, sie können sich selbst durch Zellteilung reproduzieren ("unsterblich") und sie können sich zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung entwickeln ("Differenzierung"). Da diese Fähigkeiten nicht bei jeder Stammzelle gleich ausgeprägt sind, unterscheidet man zwischen embryonalen Stammzellen (ES-Zellen), embryonalen Keimzellen (EG-Zellen) und gewebespezifischen (adulten) Zellen. ES-Zellen sind Stammzellen der inneren Zellmasse der Blastocyste (Gewinnung bis ca. 3 Tage nach der Kernverschmelzung möglich) und EG-Zellen sind Stammzellen, die aus primordialen Keimzellen oder frühen Föten erhalten werden können (5.-11. Woche). Das genaue Differenzierungspotential dieser Zellen lässt sich nach heutigem Forschungsstand nur in Annäherung festlegen und mittels Wahrscheinlichkeitsaussagen ausdrücken. Hierbei wird zwischen den Begriffen der Totipotenz und der Pluripotenz unterschieden. Totipotente Zellen haben die Fähigkeit, sich zu einem ganzen Organismus zu entwickeln, während pluripotente Zellen die Fähigkeit haben, sich in unterschiedliche Gewebe eines Organismus zu entwickeln. Ein Beispiel für eine totipotente Zelle wäre die Zygote. Noch bis vor kurzem bezeichnete man auch ES-Zellen als totipotent, was sich durch Studien in den USA und in Großbritannien widerlegen ließ. Bereits vor dem 8-Zellstadium (3.Tag) haben diese Zellen ihre volle Entwicklungsfähigkeit verloren und sind somit nur noch pluripotente Stammzellen, die über ein ähnlich hohes Differenzierungspotential verfügen wie EG-Zellen. Allerdings werden doch noch Unterschiede vermutet. Erheblich eingeschränkt ist das Differenzierungspotential bei organspezifischen Stammzellen im erwachsenen Körper bzw. in Föten; diese Zellen können sich nur noch selbst vermehren bzw. erneuern oder spezialisierte Zellen bilden. Schon heute können z.B. Stammzellen des Knochenmarks für Gewebeersatz bei Knorpel- und Knochendefekten eingesetzt werden. Es konnte beim Menschen bereits gezeigt werden, dass sich Stammzellen des Knochenmarks auch in Leberzellen entwickeln können. Jedoch sind die Zelldifferenzierungsmechanismen der adulten Stammzellen noch nahezu unverstanden. Gewinnung von menschlichen Stammzellen 2Da es verschiedene Stammzellen gibt, gibt es auch verschiedene Verfahren zur Gewinnung dieser menschlichen Stammzellen.
(ES-Zellen) Nachdem die befruchtete Eizelle mehrere Zellteilungen durchlaufen hat, erreicht sie etwa nach 3 Tagen das Blastocystenstadium. Aus der inneren Zellmasse der Blastozyste können nun Stammzellen entnommen werden. Hierbei wird die Blastozyste zerstört und somit auch der sich entwickelnde Embryo.
(EG-Zellen) Primordiale Keimzellen sind Zellen, aus denen über eine Reihe von Entwicklungsstadien die Eizellen und Samenzellen entstehen. Sie sind die sogenannten "Vorläufer" der reifen Keimzellen. Diese "Vorläuferzellen" lassen sich aus abgegangenen Föten zwischen der 5. und der 11. Schwangerschaftswoche isolieren und unter Kulturbedingungen zu EG-Zellen weiterentwickeln.
Der Körperzelle eines Menschen wird der Zellkern entnommen und in eine unbefruchtete Eizelle verpflanzt, deren Zellkern zuvor entfernt wurde. Im Labor werden der Zellkern der Körperzelle und die "entkernte Eizelle" verschmolzen. Die neuentstandene Zelle beginnt sich zu teilen und erreicht schließlich auch das Stadium der Blastozyste. Dieser entnimmt man schließlich – unter Vernichtung des Embryos - die embryonalen Stammzellen.
Da die genauen Zelldifferenzierungsmechanismen der adulten Stammzellen Forschern noch nahezu unbekannt sind, ist die gezielte Gewinnung dieser Stammzellen nicht möglich. 1.3. Das "reproduktive" und das "therapeutische Klonen" Das "reproduktive Klonen" hat die Erzeugung eines ganzen Organismus zum Ziel. Dies am Menschen anzuwenden ist noch eindeutig verboten und dieses Verbot ist auch so gut wie unumstritten. 3 Genauer will ich auf das "therapeutische Klonen" eingehen. Langfristig zielt die Forschung darauf ab, durch das sogenannte "therapeutische Klonen" Krankheiten zu heilen, für die bisher effektive Therapien noch fehlen. "Therapeutisches Klonen heißt, embryonale menschliche Stammzellen zu kultivieren und sie zu bestimmten Körperzellen wachsen zu lassen, um daraus Gewebe oder ganze Organe zur Transplantation zu gewinnen oder sie zum Testen und Entwickeln von neuen Medikamenten einzusetzen." 4 Durch solche Zelltransplantationstherapien könnte bei Erkrankungen des Nervensystems, z.B. der Parkinsonkrankheit, eine Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten hervorgerufen werden. 5 Würde der Traum der Forscher in Erfüllung gehen, ganze Organe züchten zu können, so wäre dem Organmangel in der Transplantationsmedizin ein Ende gesetzt. Aufgrund der genetischen Übereinstimmung der Organe und des Gewebes gäbe es keine Abstoßungsreaktionen des Körpers mehr. 6 Das therapeutische Klonen am Menschen ist bisher nicht gelungen. Australische Forscher konnten im Sommer 2000 erstmals aus Körperzellen von Mäusen embryonale Stammzellen entstehen lassen und züchteten damit verschiedene Gewebe, die zu transplantierbaren Organen heranwachsen konnten.7 Ob sich diese Forschungsergebnisse aber auf den Menschen übertragen lassen, ist fraglich.
Durch das Embryonenschutzgesetz wird die Forschungsfreiheit im Bezug auf die Forschung an und mit embryonalen Stammzellen stark eingeschränkt. Es wurde im Dezember 1990 novelliert und trat schließlich am 1.1.1991 in Kraft. Die Änderung des Gesetzes war notwendig geworden, da unter anderem ein Verfahren ermöglicht wurde, bei dem eine menschliche Samenzelle in eine Eizelle injiziert wird mit dem Ziel, eine Schwangerschaft künstlich herbeizuführen.8 Die Verbote des Embryonenschutzgesetzes sollen Menschenwürde und Lebensschutz von Lebensbeginn an sichern.9 2.1. Ab wann beginnt das menschliche Leben? (gesetzlich)Diese Frage hat sich als sehr zentrale Frage herauskristallisiert. Denn bevor man Entscheidungen im Bezug auf Embryonenforschung trifft, müsste man definieren, ab wann man von einem Embryo bzw. von menschlichem Leben sprechen kann. Das Embryonenschutzgesetz führt in § 8 Begriffsbestimmung aus: "...vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle...".10 Das schreibt zumindest das Gesetz in Deutschland vor. 2.2. Die verschiedenen Paragraphen11 Das Embryonenschutzgesetz beinhaltet 13 Paragraphen und ist im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Inhaltsübersicht
Im Folgenden möchte ich einige entscheidende Paragraphen im Detail vorstellen. §1 Missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken
ohne eine Schwangerschaft der Frau herbeiführen zu wollen, von der die Eizelle stammt.
§ 4 Eigenmächtige Befruchtung, eigenmächtige Embryonenübertragung und künstliche Befruchtung nach dem Tode
§ 6 Klonen 1. Wer künstlich bewirkt, dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Foetus, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 2. ... 3. ... Mit dem letztgenannten Paragraphen wird ausdrücklich das sogenannte reproduktive Klonen verboten. Außerdem wird durch diese Paragraphen die Methode zur Gewinnung von ES-Zellen aus Blastozysten verboten, da dies nicht für einen der Erhaltung des Embryos dienenden Zweck geschieht. Das Verfahren, aus primordialen Keimzellen abgestorbener oder abgegangener Föten EG-Zellen zu gewinnen, ist durch das Embryonenschutzgesetz nicht verboten. Forscher dürfen das Gewebe solcher Feten für "fremdnützige experimentelle und therapeutische Zwecke" verwenden, wenn Schwangere "ihre Einwilligung in die Verwendung nach erfolgter Aufklärung schriftlich erteilen."12 Die Gewinnung von Stammzellen aus Embryoblastzellen gewonnen durch Zellkerntransplantation ist verboten, da künstlich eine totipotente Zelle ensteht. Die Verwendung von adulten, gewebespezifischen Stammzellen ist rechtlich unbedenklich. Forscher versuchen auch, das Embryonenschutzgesetz zu umgehen. Im August 2000 haben deutsche Forscher angekündigt, embryonale Stammzellen aus Ländern zu importieren, wo die Methoden zur Gewinnung dieser Zellen erlaubt sind. Hierbei würden sie eine Lücke des Embryonenschutzgesetzes ausnützen, das nur den Import von totipotenten Zellen verbietet, die Einfuhr von pluripotenten Stammzellen jedoch nicht. Über die Forschung an und mit diesen pluripotenten Stammzellen steht im Gesetz nichts geschrieben, nur die Gewinnung dieser Stammzellen ist gesetzlich verboten. Allerdings darf die Entnahme der ES-Zellen im Ausland "nicht im Zusammenhang mit dem Import nach Deutschland gestanden haben."13 Desweiteren darf Deutschland die "Herstellung embryonaler Stammzellen im Ausland" nicht finanziell, technisch oder personell unterstützen.14
Das deutsche Embryonenschutzgesetz unterscheidet sich von der Rechtslage anderer Länder. Es soll das strengste Embryonenschutzgesetz der Welt sein.15 Die strenge Gesetzgebung resultiert unter anderem auch aus der Geschichte Deutschlands unter der Herrschaft Hitlers. Die Geschehnisse in Deutschland werden ständig kritisch beobachtet, da andere Länder wohl die damalige Zeit nie vergessen werden. Zum Beispiel wurden in Deutschland unter Hitler geistig Behinderte als nicht menschenwürdig angesehen und es wurden medizinische Versuche an ihnen durchgeführt. Auch hat man missgebildete Embryonen in Behältern konserviert. Schon durch die geringsten Verstöße gegen die Menschenwürde, gäbe es heftigste Proteste anderer Länder.
2.3.1. Die Rechtslage in Großbritannien16 Dezember 2000 stimmte das britische Parlament einem Gesetz zu, das das therapeutische Klonen ermöglicht. Es ist Forschern in Großbritannien erlaubt, mit bis zu 14 Tage alten Embryos zu forschen, die bei der In-vitro-Fertilisation übrig geblieben sind. Argumentiert wird damit, dass man bis zu dem Alter von 14 Tagen nicht von einem Wesen sprechen könne, das die Vorraussetzungen für die Menschenwürde erfüllt. Verboten bleibt in Großbritannien weiterhin das Klonen von Mischwesen (Mensch und Tier) und das reproduktive Klonen von Menschen. Die Verwendung von embryonalen Stammzellen soll streng von der Bioethikkommission kontrolliert werden, damit man sicher gehen kann, dass sie auch tatsächlich nur zu therapeutischen Zwecken verwendet werden und nicht zu reproduktiven. 2.3.2. Die Rechtslage in den USA17 In Amerika gibt es kein Verbot der Entnahme von Stammzellen von menschlichen Embryonen. Es ist Wissenschaftlern erlaubt, ES-Zellen aus überzähligen Embryonen der In-vitro-Fertilisation zu gewinnen, wenn diese freiwillig gespendet wurden. Spender dürfen jedoch nicht dafür bezahlt werden, damit kein Handel entsteht. In den USA soll die Forschung mit menschlichen Stammzellen künftig nicht nur erlaubt, sondern auch finanziell unterstützt werden. Während bisher diese Forschung nur mit privaten Geldern möglich war, wird derzeit diskutiert, ob nun öffentliche Forschungsgelder für die Stammzellenforschung vergeben werden sollen. 2.4. Stellungnahmen von Politikern Natürlich gibt es unter den Politikern verschiedenen Meinungen über die Stammzellforschung im Bezug auf das therapeutische Klonen. Die CDU will weiterhin an dem Verbot der Herstellung von Geweben und Organen mittels Embryonalzellen festhalten. Das verkündete der stellvertretende Parteivorsitzende Jürgen Rüttgers in der Debatte um die gentechnische Forschung mit Embryonalzellen im Februar 2001.18 Die Wissenschaftsministerin von Thüringen Dagmar Schipanski von der CDU will allerdings das Embryonenschutzgesetz liberalisieren. Ihrer Meinung nach darf sich Deutschland nicht von der ganzen Welt abkoppeln. Außerdem sagt sie, sei "die Spannweite der Meinungen zu diesem Thema" in der CDU "sehr groß".19 Schon allein an diesem Beispiel lässt sich erkennen, wie die Einstellungen auch innerparteilich auseinandergehen. Großes Aufsehen erregte der Besuch des Bundeskanzlers Schröders im Max-Planck-Institut in für molekulare Genetik in Berlin-Charlottenburg. Er sei hochinteressiert gewesen und sagte auch, "die Bio- und Gentechnologie gehöre zu den wichtigsten Angelegenheiten in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Schließlich sei das nicht nur in der rot-grünen Koalition, sondern in der Gesellschaft ein außerordentlich kontroverses Thema."20 Schröder will alle Wege möglichst offen halten, aber vor allem keine Restriktionen erlassen, die später Chancen verbauen.21 Die technologiepolitische Sprecherin der PDS-Fraktion Angela Marquardt: "Noch verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz die Klonierung totipotenter embryonaler Stammzellen – und das ist richtig so! ... Die Diskussion über das Embryonenschutzgesetz wird nur in eine Richtung geführt: abschaffen, aufweichen oder uminterpretieren. Dabei stünde die Verschärfung des Gesetzes auf der Tagesordung."22 Die deutsche Forschungsgemeinschaft hat im Mai 2001 erstmals ihre harte Haltung gegenüber der Embryonenforschung aufgegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie der Ansicht, dass man der Forschung an adulten Stammzellen Vorrang gewähren sollte und deshalb Embryonenforschung verbieten sollte. Nun schlägt die DFG vor, pluripotente Stammzellen aus dem Ausland zu importieren und eine internationale Zusammenarbeit zu entwickeln. Falls dieser Schritt nicht möglich wird, so schlägt die DFG vor, deutschen Wissenschaftlern Arbeit an der Gewinnung embryonaler Stammzellen zu ermöglichen, gegebenenfalls solle sogar das Embryonenschutzgesetz geändert werden.23 Nachdem die deutsche Forschungsgemeinschaft diesen Import angekündigt hatte, appellierte die Gesundheitsministerin Andera Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) an sie, weiterhin freiwillig darauf zu verzichten. Man solle diese "Lücke des Embryonenschutzgesetzes" nicht ausnutzen. Vielmehr solle sich die Forschung darauf konzentrieren, "von Erwachsenen Stammzellen zu gewinnen, deren Fähigkeit sich zu unterschiedlichen Gewebearten entwickeln zu können, den embryonalen Stammzellen nicht nachsteht."24 2.5. ethische Beurteilung über den Beginn menschlichen Lebens Wie ich auch schon in 2.1 erwähnt habe, hat sich die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens als sehr zentrale Frage herauskristallisiert. Um die individuell verschiedenen Ansichten zu verdeutlichen, werde ich im Folgenden auf zwei sehr extreme Beispiele eingehen. Zuerst möchte ich die Einstellung der christlichen Kirchen zu dieser Fragestellung genauer beleuchten. "Beim vorgeburtlichen Leben handelt es sich nicht bloß um ein rein vegetatives Leben, sondern um individuelles menschliches Leben, das als menschliches Leben immer ein werdendes ist."25 Hier argumentieren sie vor allem mit einem Ergebnis der embryonalen Forschung, das ergeben hat, dass von der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle an, dieser "Zellklumpen" gar nichts anderes werden kann als ein Mensch. Natürlich begründen sie ihre Ansicht auch von theologischer Sicht her. Ein Zitat: "Jedes menschliche Leben enthält einen eigenen Wert und Sinn, indem Gott es schafft, ruft, achtet und liebt; der Mensch hat eine unverlierbare Würde, weil Gott ihn berufen hat sein Gegenüber zu sein, und ihn in Jesus Christus unbedingt angenommen hat; ungeborene Kinder sind dabei mitgemeint. Gottes Annahme des ungeborenen menschlichen Lebens verleiht ihm menschliche Würde. Daraus folgt die Verpflichtung, dass auch die Menschen das ungeborene menschliche Leben annehmen und ihm den Schutz gewähren sollen, der der menschlichen Person gebührt."26 Nun möchte ich auf ein Buch von Peter Singer (australischer Bioethiker) eingehen.27 Singer unterscheidet in seinem Buch zwischen einer Person einerseits und einem Mitglied der spezies Homo Sapiens andererseits. Er wirft uns Menschen vor, "dem Leben eines Wesens bloß deshalb den Vorzug zu geben, weil das Lebewesen unserer Spezies angehört", dies "würde uns in dieselbe Position bringen wie die Rassisten, die denen den Vorzug geben, die zu ihrer Rasse gehören."(Praktische Ethik; S.118-119;121) Kriterien für eine Person sind für ihn die Rationalität, das Selbstbewusstsein, das Bewusstsein, Autonomie, Lust- und Schmerzempfindung. Hier vergleicht er einen Fötus mit einem Kalb, einem Schwein und einem Huhn und kommt zu dem Schluss: "Denn bei jedem fairen Vergleich moralisch relevanter Eigenschaften...haben das Kalb, das Schwein und das viel verspottete Huhn einen guten Vorsprung vor dem Fötus in jedem Stadium der Schwangerschaft und wenn wir einen weniger als drei Monate alten Fötus nehmen, so würde sogar ein Fisch, ja eine Garnele mehr Anzeichen von Bewusstsein zeigen." (Peter Singer: Schwangerschaftsabbruch und ethische Güterabwägung, in: Hans-Martin Sass (Hrsg.), Medizin und Ethik. Stuttgart 1989/1994. S.139-159. Zitat S. 154-155) Desweiteren vergleicht er eine Schnecke mit einem Säugling: "...Tötet man eine Schnecke oder einen 24 Stunden alten Säugling, so vereitelt man keine Wünsche ..., weil Schnecken und Neugeborene unfähig sind, solche Wünsche zu haben." (Praktische Ethik; S.122-123) Singer gilt meiner Meinung nach zurecht als umstrittener Autor. Er setzt Menschen und Tiere als Personen gleich. Seine Argumentation gleicht der, der schiefen Ebene. Kritiker sprechen aber vielmehr, von einer "logisch unsauberen Beweiskette" (Axel W. Bauer) Jedoch muss ich zugeben, dass mir das Kriterium des Lust- und vor allem des Schmerzempfindens auch sehr einleuchtend ist. Diese "Zellklumpen", von denen Singer schreibt, haben keinerlei Gefühle und Empfindungen, davon gehen Wissenschaftler aus. Man konnte feststellen, dass bis zu 14 Tagen die Nerven des Embryos nicht entwickelt sind und diese somit nicht auf äußere Einflüsse reagieren. Es sind einfache Zellen ohne Schmerzempfinden. Und wie ich auch in vielen Diskussionen bemerkt habe, ist dieses Kriterium des Leidens ein sehr wichtiges für viele Menschen. Außerdem wäre aus naturwissenschaftlicher Sicht noch ein wichtiger Punkt, dass am 14. Tag die Implantation stattfindet und mit ihr die Verbindung zwischen Embryo und Plazenta. Ohne Implantation endet die autonome Entwicklung der befruchteten Eizelle mit dem Blastozystenstadium. Die Implantation ist somit eine der Befruchtung vergleichbare zwingende Bedingung in der Entstehung des Menschen.28 Diese muss erst abgeschlossen sein, um sicher zu gehen, dass sich aus diesem "Zellklumpen" tatsächlich ein Mensch entwickelt. Nachdem ich mich sehr lange mit diesen verschiedenen Argumenten auseinandergesetzt habe, bin ich zwar zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen, tendiere aber sehr stark dazu, dass zwar ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung nichts anderes als ein Mensch entstehen kann, aber man innerhalb der ersten 14 Tage lediglich von Zellen ohne Empfindungen sprechen kann und erst die Implantation abgeschlossen werden muss bevor man tatsächlich von menschlichem Leben spricht.
2.6. Erörterung: Soll das Gesetz geändert werden? Während meiner Arbeit verfolgte ich stets aufmerksam die heftigen Diskussionen in den Medien, um eine mögliche Änderung des Embryonenschutzgesetzes. Ich habe verschiedene Stellungnahmen durchgelesen und konnte meine Stellung zu diesem Thema immer mehr verstärken. Diese möchte ich nun genauer erörtern unter der Fragestellung: Soll das Embryonenschutzgesetz in Deutschland zugunsten der Stammzellforschung an Embryonen geändert werden? Vorweg die Anmerkung, dass ich in der folgenden Erörterung von Embryos im Sinne des Gesetzes spreche und zwar von dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung an. Wenn Menschen die Stammzellforschung an menschlichen Embryonen verneinen, so heißt das noch lange nicht, dass sie das Ziel dieser Forschung ablehnen. Das Ziel ist es ja, bei Patienten mit schweren Krankheiten eine Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten hervorzurufen oder diese Krankheiten sogar völlig zu heilen. Die Legitimität der therapeutischen Zielsetzung ist eindeutig gegeben. Es stellt sich ferner die Frage, inwieweit die als Mittel zum Erreichen dieser Ziele einzusetzenden Techniken hinsichtlich ihrer Folgen und Nebenfolgen als vertretbar zu beurteilen sind. Nun die Argumentation der Menschen, die weiterhin am Embryonenschutzgesetz festhalten wollen. Ihrer Ansicht nach dürfen menschliche Embryonen nicht als "Ersatzteillager" missbraucht werden. Für sie ist die Produktion von menschlichen Embryonen als Rohmaterial für Organe und Gewebe nicht mit dem Schutz des menschlichen Lebens vereinbar. Auch die Kirchen bringen hierbei ein ähnliches Argument vor und zwar sprechen sie von "Opfergedanken", die völlig unangebracht seien. Man könne menschliche Embryonen, auch wenn sie nur wenige Tage alt sind, nicht für kranke Menschen opfern. "...anderen zugute kann sich ein Mensch aus freien Stücken allenfalls selbst opfern."30 Und da dies bei Embryonen nicht zutrifft, ist klar, dass auch die christliche Kirchen jegliche Forschung an embryonalen Stammzellen ablehnen und ganz sicher nicht für eine Lockerung des Embryonenschutzgesetz sind. Einen weiteren Punkt bringt die technologiepolitische Sprecherin der PDS-Fraktion Angele Marquardt ein: "Die vielfach prophezeiten Heilungsmöglichkeiten mittels fetaler Zellen sind Wunschvorstellungen, die von den bisherigen Ergebnissen in diesem Forschungszweig überhaupt nicht gedeckt sind."31 An Menschen konnte das therapeutische Klonen angewandt werden, es ist Forschern aber schon bei Mäusen gelungen. Es lassen sich nun mal derzeit nur Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Möglichkeiten des therapeutischen Klonens machen. Auch wenn es Wissenschaftlern ab sofort erlaubt wäre, an embryonalen Stammzellen zu forschen, kann man nicht sicher sein, ob sie Erfolg haben werden. Es beruht auf alles lediglich Spekulationen. Ein weiteres Argument gegen die Änderung des Gesetzes und somit gegen die Stammzellforschung an Embryonen, ist, dass die Gefahr des reproduktiven Klonens ansteigen könnte. Reproduktives Klonen heißt, einen kompletten Menschen zu klonen, und derzeit sieht kaum jemand dieses Ziel als legitim an. Man befürchtet, dass, wenn man das therapeutische Klonen zulässt, es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis auch das reproduktive Klonen nicht mehr aufzuhalten wäre. Ein Erlaubnis für das therapeutische Klonen wäre sozusagen ein "Dammbruch" hin zum reproduktiven. Über das reproduktive Klonen sind schon riesige Horrorvorstellungen entstanden, wie zum Beispiel will Richard Seed (US Physiker) eine Klonklinik gründen, die den verzweifelten Kinderwunsch unfruchtbarer Paare erfüllen könnte. Seed ist von der Legitimität seines Vorhabens überzeugt: "Wenn Gott nicht gewollt hätte, das wir unser Gehirn benutzen, dann hätte er uns keines gegeben."32 Noch kommt uns eine solche Einstellung als "verrückt" vor, jedoch wird davor gewarnt, dass wir Menschen uns auch daran gewöhnen werden. Forscher sollen die Alternativen der Stammzellforschung an Embryonen mehr nutzen und zum Beispiel die adulten Stammzellen genauer erforschen. Außerdem ist ja erlaubt mit abgetriebenen oder spontan abgegangen Föten zu forschen. Aber das mit Abstand am schwersten wiegende Argument ist, dass bei der Methode der Stammzellforschung menschliches Leben vernichtet wird. Ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung entsteht ein individuelles menschliches Leben, dem genauso viel Schutz und Würde zugestanden werden muss wie uns geborenen Menschen. Zwar ist der Embryo in den ersten Tagen noch abhängig von der austragenden Mutter, jedoch schon ein eigenständiges Wesen. Man missbraucht Embryonen nicht nur als Ersatzteillager, sondern man tötet sie auch noch. Damit verstößt man eindeutig gegen die Menschenwürde. Doch auch die Gegenseite, die für eine Lockerung des Gesetzes stimmen, haben überzeugende Argumente. Forscher versuchen derzeit mit allen Mitteln das Gesetz zu umgehen. Und zwar hat sich gleich mal die Frage nach einem Embryonenimport gestellt. Wie auch schon in 2.4. erwähnt, dürfen Forscher laut dem Gesetz an und mit embryonalen Stammzellen arbeiten, nur die Methoden der Gewinnung der Stammzellen sind verboten. Als jedoch die deutsche Forschungsgemeinschaft erstmals angekündigt hatte, Stammzellen aus den USA zu importieren, apellierten deutsche Politiker, dies doch zu unterlassen. Ich persönlich bin aber überzeugt, dass trotz des Verbotes hier in Deutschland geheime Forschung an embryonalen Stammzellen betrieben wird. Denn z.B. werden bei der In-vitro-Fertilisation mehr Ei- und Samenzellen im Reagenzglas verschmolzen, als letztendlich der Frau eingesetzt werden. Die überzähligen Embryonen müssen laut Gesetz vernichtet werden. Hier habe ich starke Zweifel. Niemand kann in die Kühlschränke der Wissenschaftler einsehen und ich bin sicher, dass sie schon an diesen Embryonen forschen und sie nicht einfach wegschütten. Wissenschaftler haben einfach diesen Forschungstrieb und sie haben das Potential zur Forschung. Unter der Hand laufen ganz bestimmt Forschungsarbeiten und da wäre es meiner Ansicht nach doch besser, wenn man z.B. gerade dieses Verfahren erlauben würde, zumal man bei öffentlicher Arbeit mehr Kontrolle hätte. Die Befürworter der Änderung des Embryonenschutzgesetzes weisen auch immer wieder auf die Erlaubnis der Abtreibung hin. Embryonen bis zu 12 Wochen können abgetrieben werden, aber an Embryonen bis zu 14 Tagen darf nicht geforscht werden. Nicht einmal mit therapeutischer Zielsetzung. Außerdem haben andere Länder Deutschland jetzt schon einiges voraus. Und was soll passieren, wenn in Großbritannien nun Therapien für Alzheimer und Parkinson usw. gefunden werden? "Es wäre ethisch schwer vertretbar, später die aus diesen Forschungsarbeiten entwickelten therapeutischen Methoden übernehmen zu wollen, wenn vorher die Zulässigkeit der Forschung verneint wurde".33 Angela Marquardt hat natürlich Recht, wenn sie sagt, das therapeutische Klonen sei bisher nur Spekulation. Aber wie sollen die Forscher auch auf Ergebnisse kommen, wenn doch eben diese Forschung verboten ist? Solange in Deutschland diese strengen Gesetze herrschen, wird alles nur auf Wahrscheinlichkeitsaussagen beruhen. Hierbei liegt die Betonung auf "wahrscheinlich", denn Wissenschaftler sind sich sehr sicher und die Erfolge an Mäusen sprechen für sich. Und die Gefahr des reproduktiven Klonens besteht meiner Meinung nach so oder so. Forschungsarbeiten müssten streng kontrolliert werden, und es gibt zur Zeit auch keine 100%-ige Sicherheit, dass nicht doch irgendwo auf der Welt ein Mensch geklont wird. Und das wichtigste Argument überhaupt ist für mich die Möglichkeit, Schwerkranken helfen zu können. Es gibt so schlimme Krankheiten heutzutage und diese Patienten leiden stark darunter. Wie würde man wohl über das "therapeutische Klonen" denken, wäre man selbst betroffen von einer schweren, unheilbaren Krankheit? Oder es erkrankt z.B. ein nahestehender Mensch und seine Situation ist aussichtslos? In der Klinik stehen im Kühlschrank überzählige Embryonen der In-vitro-Fertilisation, die eh bald weggeschüttet werden. Diese Embryonen sind praktisch schon dem Tode geweiht. Ist es hier nicht eindeutig, was Vorrang hat? Ein erwachsener Mensch mit großem Leid oder ein todgeweihter Zellklumpen? Ist es nicht legitimer, diese Embryonen zum guten Zweck einzusetzen als sie einfach wegzuschütten? Letztendlich bin ich zu der Ansicht gekommen, dass man das Embryonenschutzgesetz auf alle Fälle ändern sollte und zwar so schnell wie möglich. Schon allein, um den Import und damit den Handel von embryonalen Stammzellen zu verhindern. Das reproduktive Klonen sollte meiner Meinung nach selbstverständlich streng verboten sein, aber eine Änderung des Gesetzes zugunsten des therapeutischen Klonens halte ich für sinnvoll. Allerdings mit großen Einschränkungen. Ich bin z.B. nicht dafür, Embryonen extra zu Forschungszwecken zu züchten oder durch die Dolly-Methode embryonale Stammzellen zu gewinnen. Die Forschung an und mit adulten Stammzellen soll weiterhin im Vordergrund stehen, wobei ich allerdings auch die Forschung an überzähligen Embryonen der In-vitro-Fertilisation erlauben würde. Die Kontrolle, dass nicht absichtlich zuviel Embryonen auf künstlichem Weg hergestellt werden, muss gewährleistet sein. Und außerdem empfinde ich es für wichtig, dass die Gesetze der verschiedenen Länder übereinstimmen. Oder müssen Schwerkranke künftig auswandern, um eine Chance auf Heilung zu bekommen?
Mit dem Embryonenschutzgesetz habe ich ein Thema behandelt, das von Tag zu Tag Neuigkeiten mit sich bringt. Ich bitte zu beachten, dass sich meine Arbeit auf den Kenntnisstand vom Mai 2001 bezieht.
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Fragen und Kommentare an Silke Wiesler © 2000-2013 Faust-Gymnasium Staufen, letztes update 18.09. 2013