Seminarkurs 2000/01 "Dolly": Humangenetik Diskurs Naturwissenschaft - Geisteswissenschaft

History

Ethisches Argumentieren

Gastsitzung Dr. Volker Pfeiffer am 12.12. 2000  (Protokoll)

Herr Dr. Pfeifer schilderte die ethische Debatte in Bezug auf Gentechnik in den fünf folgenden Aspekten: 

1.                 Technologischer Imperativ
 
2.                 Naturalistischer Fehlschluss
 
3.                 Kategorischer Imperativ
 
4.                 Utilitarismus
 
5.                 Schiefe Ebene

 

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Hello Dolly? Über das Klonen. 
 
von Johann S. Ach, Gerd Brudermüller, Christa Runtenberg

Taschenbuch - 250 Seiten (1998) Suhrkamp, Ffm.;
 ISBN: 3518120603  Preis: DM 19,80
 
Hier werden die in der Sitzung angerissenen Kategorien vertieft.
Sehr gut geeignet für alle TN, die sich in ihrer Arbeit mit ethischen Fragen beschäftigen, um der eigenen Arbeit eine (geistes)wissenschaftliche Grundlage zu geben. (ms)

  Technologischer Imperativ 

Zur Veranschaulichung der ersten Aussage, der Unterscheidung zwischen faktischer und normativer Wissenschaft stellte Herr Dr. Pfeifer die Frage „Soll der Mensch alles tun, was er kann?“ in den Raum.
     Hierbei ist die Biologie als deskriptive Wissenschaft abzugrenzen von der Ethik als normative. Die Biologie erarbeitet, wie im Falle der Gentechnik, die technischen Grundlagen, also die Fähigkeit, etwas zu leisten, die Ethik hat es sich zur Aufgabe gemacht, darüber zu entscheiden, ob dies auch vertretbar ist.
     „Can implies ought!“, zu deutsch „Alles, wozu wir technisch in der Lage sind, sollen wir tun!“ lautet der technologische Imperativ, der Standpunkt derer, die verstärkt den Standpunkt der uneingeschränkten Weiterentwicklung von Methoden vertreten.
     Die Schüler im Seminarkurs vertreten die Meinung, dass die Frage nach den eventuellen Schäden im Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen unabdingbar ist und erst die Beantwortung davon Klarheit darüber verschaffen kann, ob die Anwendung solchen Wissens gerechtfertigt ist.
 

  Naturalistischer Fehlschluss
 
Der naturalistische Fehlschluss beinhaltet von einer Person zu Unrecht angewandte Argumente, die bestimmte Normenbildung als zwangsläufig aus der Natur hervorgehend beschreiben, wodurch die Person einen Mangel an stichhaltigen Argumenten zu verbergen sucht.
     Von der Ethik ist ein solcher Vorgang als nicht gerechtfertigt angesehen, da eine subjektive Meinung (, die den Bezug der Natur als Ausgangspunkt zu etwas Bestimmtem herstellt) als Faktum ausgegeben wird, ohne dass dies näher begründet oder einsichtbar gemacht wird. (VS)

 

 
                                                                                                                                                      
  Kategorischer Imperativ
 
Um das moralisch richtige Handeln zu bestimmen, entwickelte der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) eine Formel, die er kategorischer Imperativ nannte. Danach soll der Mensch so leben, dass alles, was er tut, auch von anderen Menschen getan werden kann, ohne dass dadurch der Menschheit insgesamt ein Schaden entsteht.
„Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als auch in der Person      eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“
Die Möglichkeit zur Freiheit steht im Mittelpunkt dieser dritten Formel. (TH)
                                                                                                                              

  Utilitarismus   (= Nützlichkeitsstandpunkt)
 
Diejenigen Handlungen oder Handlungsregeln sind moralisch richtig,
 
A)    deren      FOLGEN (=Konsequentialistisches Prinzip)
 
B)    für das    WOHLERGEHEN (=Hedonistisches Prinzip)
 
C)    aller        BETROFFENEN (=Universalistisches Prinzip)
 
D)                   OPTIMAL (=Utilitätsprinzip)                                      sind. 
 
Überwiegen die positiven Aspekte für die Mehrheit in der Gesamtbetrachtung, so ist die Handlung utilitaristisch als richtig zu betrachten, auch wenn dadurch ein einzelner durchaus zu Schaden kommen kann.
     Somit bildet dieses Prinzip inhaltlich einen extremen Kontrast zu der kantianischen Ansicht. Aus den Reihen der Schüler entstand dadurch die Frage, ob nicht eine Kompromissform dieser beiden die meisten zufrieden stellen würde. (TH)
 
                                                                                                                                             
  Prinzip der Schiefen Ebene
 
Das Prinzip der schiefen Ebene besagt, dass die Umsetzung eines an sich positiven Falles a unweigerlich die unerwünschten Fälle b bis n mit sich bringt. Somit soll der Fall a nicht umgesetzt werden.
     Die Ausformulierung dieses Prinzips setzt voraus, dass all die hier allgemein angeführten Fälle a bis n zuvor vollständig diskutiert worden sind und die Vorteile des Falles a in Vergleich zu den Nachteilen der Fälle b bis n wenig ins Gewicht fallen. Da es allerdings in der Gesellschaft in wohl jeder Debatte Meinungsverschiedenheiten gibt und wohl auch weiterhin geben wird, kann man davon eigentlich nicht als Faktum sprechen, da es beständig solche mit anderen Standpunkten gibt, die also die Gewichtung der Folgen anders vollziehen und somit der Argumentation der schiefen Ebene wie sie ein anderer gebraucht abgeneigt sind.
     Nach dem Prinzip der schiefen Ebene („Wehret den Anfängen!“) wird das Verhältnis der Positiv- zu den Negativfolgen gar nicht hinterfragt. Es genügt für die Ablehnung des an sich positiv zu bewertenden  „Fall a“, dass als Folgen die negativ zu bewertenden Fälle b bis n zu erwarten sind. Wir als Schüler kritisieren diese Argumentation mit unserem Standpunkt, dass allgemein zwischen Vor- und Nachteilen abgewogen werden muss. (VS/MS) 
                                                                      
 
Herr Dr. Pfeifers Vortrag ließ unterm Strich keine Fragen offen, und davon abgesehen, dass es zeitweise sehr schnell ging, war er durchgehend einleuchtend und inhaltlich gut zu verfolgen.
     Herr Dr. Pfeifer gab sich sehr sprachgewandt und wusste auf jede Frage von Seiten der Schüler und Lehrer Antwort zu geben. Man hat den Eindruck gewonnen, dass er seinen Stoff recht lückenlos beherrscht.
     Die einzelnen Punkte waren unserer derzeitigen Meinung nach gut zu verstehen, und wir können uns vorstellen, dass der neu erworbene Stoff insbesondere bei der Abhandlung von Zeitungsartikeln sehr hilfreich sein wird.
     
Es wäre ohne Zweifel interessant, eine weitere Sitzung mit ihm zusammen zu gestalten, da die „Alternative“ zu dem deduktiven Vorgehen in dieser Sitzung, die (induktive)  Behandlung eines konkreten Falles anhand ethischer Gesichtspunkte, bei den Schülern, wie sich im Nachhinein zeigte, sehr großen Anklang gefunden hat.
     Vermutlich ist die Nahelegung der Theorien in Zusammenhang mit der Möglichkeit, sie danach praktisch anwenden zu können, am sinnvollsten. Deshalb würden wir uns freuen, wenn Herr Dr. Pfeifer sich einen weiteren Nachmittag Zeit nehmen würde, sich mit uns zusammenzusetzen.

         © by Tina Hellige & Vincent Sprenger, überarbeitet von Michael Seeger

   Fragen und Kommentare an Michael Seeger  © 2000-2013 Faust-Gymnasium Staufen,  letztes update 18.09. 2013