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Seminarkurs 2000/01 "Dolly": Humangenetik
Diskurs Naturwissenschaft - Geisteswissenschaft | |
Ethisches Argumentieren
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Gastsitzung
Dr. Volker Pfeiffer am 12.12. 2000 (Protokoll)
Herr Dr. Pfeifer
schilderte die ethische Debatte in Bezug auf Gentechnik in den
fünf folgenden Aspekten:
- Zur
Veranschaulichung der ersten Aussage, der Unterscheidung zwischen
faktischer und normativer Wissenschaft stellte Herr Dr. Pfeifer die
Frage „Soll der Mensch alles tun, was er kann?“ in den Raum.
- Hierbei
ist die Biologie als deskriptive Wissenschaft abzugrenzen von der Ethik
als normative. Die Biologie erarbeitet, wie im Falle der Gentechnik, die
technischen Grundlagen, also die Fähigkeit, etwas zu leisten, die Ethik
hat es sich zur Aufgabe gemacht, darüber zu entscheiden, ob dies auch
vertretbar ist.
- „Can
implies ought!“, zu deutsch „Alles, wozu wir technisch in der Lage
sind, sollen wir tun!“ lautet der technologische Imperativ, der
Standpunkt derer, die verstärkt den Standpunkt der uneingeschränkten
Weiterentwicklung von Methoden vertreten.
- Die
Schüler im Seminarkurs vertreten die Meinung, dass die Frage nach den
eventuellen Schäden im Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen
unabdingbar ist und erst die Beantwortung davon Klarheit darüber
verschaffen kann, ob die Anwendung solchen Wissens gerechtfertigt ist.
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Naturalistischer
Fehlschluss
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- Der
naturalistische Fehlschluss beinhaltet von einer Person zu Unrecht
angewandte Argumente, die bestimmte Normenbildung als zwangsläufig aus
der Natur hervorgehend beschreiben, wodurch die Person einen Mangel an
stichhaltigen Argumenten zu verbergen sucht.
- Von
der Ethik ist ein solcher Vorgang als nicht gerechtfertigt angesehen, da
eine subjektive Meinung (, die den Bezug der Natur als Ausgangspunkt zu
etwas Bestimmtem herstellt) als Faktum ausgegeben wird, ohne dass dies näher
begründet oder einsichtbar gemacht wird. (VS)
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Kategorischer
Imperativ
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- Um
das moralisch richtige Handeln zu bestimmen, entwickelte der Philosoph
Immanuel Kant (1724-1804) eine Formel, die er kategorischer Imperativ
nannte. Danach soll der Mensch so leben, dass alles, was er tut, auch
von anderen Menschen getan werden kann, ohne dass dadurch der Menschheit
insgesamt ein Schaden entsteht.
- „Handle
so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als auch in der
Person eines
jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel
brauchst.“
- Die Möglichkeit zur Freiheit steht im
Mittelpunkt dieser dritten Formel. (TH)
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Utilitarismus
(= Nützlichkeitsstandpunkt)
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- Diejenigen
Handlungen oder Handlungsregeln sind moralisch richtig,
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- A)
deren FOLGEN (=Konsequentialistisches Prinzip)
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- B) für das
WOHLERGEHEN (=Hedonistisches Prinzip)
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- C)
aller BETROFFENEN
(=Universalistisches Prinzip)
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- D)
OPTIMAL (=Utilitätsprinzip)
sind.
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- Überwiegen
die positiven Aspekte für die Mehrheit in der Gesamtbetrachtung, so ist
die
Handlung utilitaristisch als
richtig zu betrachten, auch wenn dadurch ein einzelner durchaus zu
Schaden kommen kann.
- Somit bildet dieses Prinzip inhaltlich
einen extremen Kontrast zu der kantianischen Ansicht. Aus den Reihen der
Schüler entstand dadurch die Frage, ob nicht eine Kompromissform dieser
beiden die meisten zufrieden stellen würde. (TH)
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Prinzip
der Schiefen Ebene
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- Das
Prinzip der schiefen Ebene besagt, dass die Umsetzung eines an sich
positiven Falles a unweigerlich die unerwünschten Fälle b bis n mit
sich bringt. Somit soll der Fall a nicht umgesetzt werden.
- Die
Ausformulierung dieses Prinzips setzt voraus, dass all die hier
allgemein angeführten Fälle a bis n zuvor vollständig diskutiert
worden sind und die Vorteile des Falles a in Vergleich zu den Nachteilen
der Fälle b bis n wenig ins Gewicht fallen. Da es allerdings in der
Gesellschaft in wohl jeder Debatte Meinungsverschiedenheiten gibt und
wohl auch weiterhin geben wird, kann man davon eigentlich nicht als
Faktum sprechen, da es beständig solche mit anderen Standpunkten gibt,
die also die Gewichtung der Folgen anders vollziehen und somit der
Argumentation der schiefen Ebene wie sie ein anderer gebraucht abgeneigt
sind.
- Nach dem Prinzip der schiefen Ebene
(„Wehret den Anfängen!“) wird das Verhältnis der Positiv- zu den
Negativfolgen gar nicht hinterfragt. Es genügt für die Ablehnung des
an sich positiv zu bewertenden „Fall
a“, dass als Folgen die negativ zu bewertenden Fälle b bis
n zu erwarten sind. Wir als Schüler kritisieren diese
Argumentation mit unserem Standpunkt, dass allgemein zwischen Vor- und
Nachteilen abgewogen werden muss. (VS/MS)
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- Herr
Dr. Pfeifers Vortrag ließ unterm Strich keine Fragen offen, und davon
abgesehen, dass es zeitweise sehr schnell ging, war er durchgehend
einleuchtend und inhaltlich gut zu verfolgen.
- Herr
Dr. Pfeifer gab sich sehr sprachgewandt und wusste auf jede Frage von
Seiten der Schüler und Lehrer Antwort zu geben. Man hat den Eindruck
gewonnen, dass er seinen Stoff recht lückenlos beherrscht.
- Die
einzelnen Punkte waren unserer derzeitigen Meinung nach gut zu
verstehen, und wir können uns vorstellen, dass der neu erworbene Stoff
insbesondere bei der Abhandlung von Zeitungsartikeln sehr hilfreich sein
wird.
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- Es
wäre ohne Zweifel interessant, eine weitere Sitzung mit ihm zusammen zu
gestalten, da die „Alternative“ zu dem deduktiven Vorgehen in dieser
Sitzung, die (induktive) Behandlung
eines konkreten Falles anhand ethischer Gesichtspunkte, bei den Schülern,
wie sich im Nachhinein zeigte, sehr großen Anklang gefunden hat.
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Vermutlich ist die Nahelegung der Theorien
in Zusammenhang mit der Möglichkeit, sie danach praktisch anwenden zu können,
am sinnvollsten. Deshalb würden wir uns freuen, wenn Herr Dr. Pfeifer
sich einen weiteren Nachmittag Zeit nehmen würde, sich mit uns
zusammenzusetzen.
© by Tina
Hellige & Vincent Sprenger, überarbeitet
von Michael Seeger
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