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- Untersuchung
der Berichterstattung über die Gentechnik
-
-
- INHALT
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- I
Vorwort
- II Naturwissenschaftliche Grundlagen
- 1.
Was sind Gene
- 2.
Was ist Gentechnik/Gentechnologie?
- 3.
Wie sind Gen- und Biotechnik miteinander in Verbindung zu bringen?
- 4.
Chronologie der Entwicklung der Gentechnik und ihrer Grundlage, der
Genetik
- III
Auswahl der Artikel
- IV Kriterien zur Textanalyse
- V Textanalyse
- 1.
ZEIT-Artikel
- 2.
BILD-Artikel
- 3.
SPIEGEL-Artikel
- VI
Vergleich
- VII Schlusswort
- VIII Literaturliste
- VIII
Anhang: Die Zeitungsartike
-
-
-
- I VORWORT
-
- Auf folgenden Seiten werde ich
mich mit der Berichterstattung über Gentechnik und gentechnische
Verfahren auseinandersetzen.
- Da
die Zukunft dieser Innovationen wohl maßgeblich von der öffentlichen
Meinung, welche hauptsächlich durch die Medien geprägt wird, abhängt,
bin ich der Ansicht, dass die Betrachtung dieser zur Auseinandersetzung
mit der Gentechnik unabdingbar ist.
- Ich
werde mich bei dieser Untersuchung ausschließlich mit der Rolle der
Printmedien beschäftigen. Hierzu habe ich drei weitgehend
unterschiedliche Artikel ausgewählt.
- Je
ein Artikel des Magazins „Spiegel“, der Wochenzeitung „Zeit“ und
der Tageszeitung „Bild“ werden hier einer Textanalyse unterzogen. Maßgebliche
Fragen bei der Arbeit mit diesen Texten sind, was Sprache schaffen kann,
mit welcher Argumentationsweise verfahren wurde und ob die Artikel
wissenschaftliche korrekt sind.
- Das
vorliegende Ergebnis der Analyse und der anschließende Vergleich sind der
Versuch auf diese komplexen Fragen eine Antwort zu geben.
-
-
-
- II
NATURWISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN
-
- VORAB:
-
- Zum Verständnis der nachfolgenden Artikel ist es
von Nöten über die Grundlagen dieser medizinischen Innovation
unterrichtet zu sein.
- Aus
diesem Grunde möchte ich hier die grundlegenden Begrifflichkeiten
definieren, nicht zuletzt, weil diese häufig sehr undifferenziert
verwendet oder „in einen Topf geworfen“ werden.
- Bitte
zu beachten und zu berücksichtigen, dass diese naturwissenschaftlichen
Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, somit sollte der Leser
diesen bestenfalls auch verwerfen.
-
- 1.
Was sind Gene?
-
- 2.
Was ist Gentechnik/Gentechnologie?
-
- 3.
Wie sind Gen- und Biotechnik miteinander in Verbindung zu bringen?
-
- 4.
Chronologie der Entwicklung der Gentechnik und ihrer Grundlagen,
derGenetik.
-
-
- 1.
Was sind Gene?
-
- Gene
sind Teile der Erbinformation, somit der Bauplan zur Herstellung eines
Proteins.
- Sie
sind die Erbanlagen, die in jeder Zelle eines lebenden Organismus
enthalten sind.
- Die
Ausbildung der Merkmale vollzieht sich in Wechselwirkung zwischen den
Anlagen und den von außen einwirkenden Faktoren, durch Modifikation
hervorgerufen. Hierunter ver-
- steht
man eine nicht erbliche, durch bestimmte Umweltbedingungen entstandene Abänderung
eines Merkmals im Phänotyp. Diese Anpassung an die Umwelt ist für die
Organismen lebens-notwendig.
- Die
Mehrzahl der Gene ist in den Chromosomen des Zellkerns lokalisiert. Sie
sind durch die Folge der Bausteine der Nucleinsäuren verschlüsselt, die
identisch reproduziert werden kann und die Aminosäurenfolge in einem
Polypeptid enthält. Die wissenschaftliche Bezeichnung für die langen
Doppelhelix der Erbsubstanz lautet „Desoxyribonucleinsäure“ (DNA).
- Der
vollständige Satz von Genen, der die gesamte genetische Information eines
Organismus umfasst, wird als Genom bezeichnet. Das menschliche Genom
findet sich auf 23 verschiedenen Chromosomen.
- Gene
können durch Mutation verändert werden.
-
-
- 2.
Was ist Gentechnik/Gentechnologie?
-
- Als
Gentechnik bezeichnet man alle Methoden, welche sich mit der Isolierung,
Charakterisierung, Vermehrung und Neokombination von Genen beschäftigen.
Dies kann auch über Artgrenzen hinweg geschehen.
- Im
Allgemeinen bezeichnet man die Isolierung eines Gens aus einem Organismus
und seine Vermehrung in einem anderen als Gentechnik.
- Gentechnik
bedeutet also die gezielte Manipulation des genetischen Materials. Häufig
werden biotechnische und genetische Verfahren mit Gentechnik in Verbindung
gebracht, obwohl diese im eigentlichen Sinn nicht in den Bereich der
Gentechik einzukategorisieren sind.
- Somit
sind folgende medizinische Bereiche aus der Gentechnik auszugrenzen:
- -
Insemination
(künstliche Befruchtung)
- -
Embryonentransfer
und
- -
Klonierung
(identische Vervielfältigung von Zellen und Organismen).
- Die
Wissenschaft von der Gentechnik ist die Gentechnologie.
-
-
- 3.
Gen- und Biotechnik
-
- Gen- und Biotechnik werden
oftmals gleichgesetzt, doch meinen die Begriffe längst nicht dasselbe.
Biotechnik soll den Stoffwechsel, die biologischen Fähigkeiten zumeist
einfacher Lebewesen technisch ausnutzen. Auf diese Weise werden schon seit
Jahrtausenden Substanzen in Bakterien und Hefen hergestellt. Einfache
Beispiele sind die Gärung von Bier oder die Verwendung von Backhefen.
Gentechnik ist der Biotechnik vorgelagert:
- War
die Biotechnik bislang auf die natürlichen Eigenschaften von Organismen
angewiesen, so eröffnet die Gentechnik ihr neue Wege. Gentechnisch veränderte
Bakterien können bakterienfremde Eiweiße, wie z.B. das menschliche
Hormon Insulin produzieren. Die Gentechnik kreiert also Lebewesen mit
neuen Eigenschaften, die dann biotechnisch ausgemacht werden können. So
ist die Gentechnik der jüngste Zweig der Biotechnologie.
-
-
- 4.
Chronologie der Entwicklung der Gentechnik und ihrer Grundlagen, der
Genetik
-
- 8000
v. Chr.
- Sumerer
und Babylonier stellen Bier her. Durch die Auslese züchten sie
Nutzpflanzen und Tiere, um ihren Nahrungsbedarf zu decken.
-
- 6000
v.Chr.
- Die
Ägypter verwenden Mikroorganismen um Nahrungsmittel wie Wein, Käse und
Brot herzustellen. Die Vorgänge dahinter verstehen sie aber noch nicht.
-
- 353
v. Chr.
- Platon
stellt Überlegungen an, weshalb gewisse äußerliche Merkmale von den
Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden können.
-
- 1665
- Bei
der Betrachtung eines Korkzapfens mit einem Vergrößerungsglases stellt
Hook fest, dass dieser aus einzelnen Zellen besteht.
-
- 1680
- Die
Brüder Jansen konstruieren in Holland das erste Mikroskop. Diese
Erfindung machte es erst möglich, Mikroorganismen zu untersuchen.
-
- 1750
- Kreuzungs-
und variationsstatistische Untersuchungen an Tieren und Pflanzen
-
- 1860
- Pasteur
entwickelte die erste Impfung. Kurz darauf gelingt es ihm zu beweisen,
dass der Prozess der Gärung durch Mikroorganismen zustande kommt.
-
- 1865
- Mendel
formuliert seine Vererbungsgesetze, die Grundlage der klassischen
Gentechnik.
-
- 1869
- Miescher
entdeckt Nukleinsäuren in den Zellkernen von Leukozyten (weiße Blutkörperchen).
-
- 1875
- Hertwig
erkennt, dass der Zellkern Träger des Erbgutes ist.
-
- 1883
- Roux
und Weismann vermuten in Chromosomen Träger der Vererbung.
-
- 1902/1904
- Sutton
und Boverle stellen die Chromosomentheorie auf, diese macht Mendelschen
Gesetze kausal verständlich.
-
-
-
- 1944
- Avery,
Mac Leod und McCarty zeigen, dass die Desoxyribonukleinsäure
Erbinformationen speichert.
-
- 1953
- Watson
und Crick erkennen Doppelhelixstruktur der DNA.
-
- 1961
- Nirenberg
und Ochoa entschlüsseln die Transkription.
-
- 1971
- Arber,
Smith und Nathans (Schweiz/USA) entdecken die Restriktionsenzyme, wichtige
Instumente der Gentechnik, erhalten 78 Nobelpreis.
-
- 1972
- Berg
gelingt die Übertragung eines Bakteriensgens in ein Virus.
-
- 1978
- Goodman,
Rutter, Gilbert u.a. gelingt die Synthese von Ratten-Insulin in Bakterien
(Insulin: Hormon, das für Zuckerhaushalt zuständig ist, Diabetikern
fehlt es, wird heute größtenteils gentechnisch hergestellt).
-
- Ab
1979
- Neue
Erkenntnisse in der Tumorgenetik (Bishop, Weinberg, Wigler, Barbacid u.a.)
-
- Ab
1982
- Methoden
zur Genübertragung in tierischen Organismen mit Hilfe von Retroviren (Palmiter,
Brinster u.a.) seitdem zahlreiche neue Entdeckungen
-
-
- III
AUSWAHL
DER ARTIKEL
-
- Die Auswahl der Artikel wurde
nach folgenden Kriterien getroffen:
-
- 1.
Alle
Artikel sollen sich mit der am Menschen anzuwendenden Gentechnik beschäftigen.
-
- 2.
Die
Zeitungen/Zeitschriften, aus denen die Artikel entnommen werden, sollen möglichst
unterschiedlich sein, d.h. bei der Auswahl muss Folgendes beachtet werden:
-
- ·
Welche Leserschaft wird bei der vorliegenden Zeitung/Zeitschrift erwartet?
- ·
Welche politischen Ansichten vertritt die Zeitung/Zeitschrift für gewöhnlich?
-
-
-
- IV KRITERIEN ZUR
TEXTANALYSE
-
- Bei der Analyse eines Textes
sollen folgende Kriterien beachtet werden:
-
- Zu
welchem Zeitpunkt wurde der Text publiziert?
-
- Wie weit ist die Forschung hier
schon fortgeschritten? (Falls für den Inhalt des Textes relevant)
-
- Mit
welcher Problematik befasst sich der Autor?
- Um was geht es in dem Text?
-
- Aus
welchem Grund wurde gerade dieser Titel von dem Autor gewählt?
-
- Stellt
der Autor eigene Thesen auf oder gibt er die Thesen anderer wieder?
- Welche Thesen sind das?
-
- Welche
Argumente liegen vor?
- Wie wird argumentiert?
-
- Wurde
gut wurde recherchiert?
- Sind die angefügten
wissenschaftlichen Informationen korrekt?
-
- Sind
aus dem Text Quellen, die der Autor gebraucht hat, ersichtlich?
- Werden beispielsweise Experten
herangezogen und zitiert?
-
- Mit
welchen sprachlichen Mitteln (z.B. Schlagwörter) wird gearbeitet?
-
-
-
- 9. Wie ist es um die
Glaubwürdigkeit des Textes bestellt?
-
Macht der Text einen seriösen Eindruck?
-
Wie ist mein eigener Eindruck?
-
- Welches
Ziel strebt der Autor dieses Textes an?
- Was sind die Beweggründe des
Autors oder der Zeitung/Zeitschrift für die Veröffentlichung dieses
Textes?
-
-
-
- IV TEXTANALYSE
-
-
- 1.
ZEIT-Artikel
Erschienen
in der Ausgabe 12/2001 in „DIE ZEIT“
- AUTOR:
Ulrich Bahnsen
-
- TITEL:
Der Wahn
des Doktor Antinori (Text)
- Forscher
wollen Menschen klonen. Dabei ignorieren sie ethische Bedenken und
biologische Risiken.
-
- Im vorliegenden Artikel wird über
eine umstrittene Forschergruppe unter der Leitung des
Reproduktionsmediziners Severino Antinori und über das Projekt, das diese
geplant haben, berichtet.
- Severino
Antinori und zwei seiner Gehilfen (der amerikanische Arzt Panayiotis Zavos
und der israelische Wissenschaftler Avi Ben-Abraham) kündigten zu Beginn
des Jahres die baldige Klonierung eines Babys an. Mit dieser Ankündigung
lockten sie eine Vielzahl von Journalisten aus der ganzen Welt nach Rom.
Hier sollte am 9. März 2001 beim Workshop Human Therapeutic Cloning
Genaueres bekannt gegeben werden.
- Nach
einer erläuternden Einleitung setzt sich Ulrich Bahnsen, der ebenfalls an
diesem Workshop teilgenommen zu haben scheint, mit der dortigen Begegnung
mit der Forschergruppe auseinander.
- Schon
im 2. Abschnitt des Artikels schreibt Bahnsen, die Forscher seien eher als
„Gruselkabinett“, denn als Pioniergruppe zu bezeichnen und noch nicht
einmal am Ende angekommen, muss der Leser dem überzeugenden Artikel Recht
geben.
- Vor allem die dubiose
Vergangenheit Antinoris und Co.s ruft Kopfschütteln hervor.
Beispielsweise hat Antinori „einer Frau von immerhin 62 Jahren zu einem
Kind“ verholfen. Auch Karl Illmensee, der „seit Jahren des
Forschungsbetrugs bezichtigt wird“ gibt kein besseres Bild ab.
- So
lässt die seriös wirkende Vergangenheits-Recherche von Ulrich Bahnsen
die Forscher zunehmend unseriöser erscheinen.
- Auch
die Zitate, welche der Autor anführt, werfen ein schlechtes Licht auf die
selbsternannten Menschenrechtspioniere („Menschenrecht auf ein Kind“).
Hier erweisen sie sich nicht nur im ethisch-moralischen, sondern auch im
wissenschaftlichen Bereich als inkompetent.
- „Ein
Klon ist der eineiige Zwilling seines Vaters, bloß wird er 40 Jahre später
geboren.
- Was ist daran falsch?“ fragt
Zavos. Hierauf folgt auch sogleich Bahnsens Antwort: „Fast alles. Vor
allem wissenschaftlich betrachtet. Zwar sind auch eineiige Zwillinge
Klone, doch sie entstehen durch die regelrechte Vereinigung von Spermien
und Eizelle. Erst danach, auf dem Weg zur Gebärmutter, zerfällt der
Embryo in zwei Teile. Das hat wenig mit dem Vorhaben der Klonallianz zu
tun: Geht es nach ihnen, so wird ein Kern einer erwachsenen Körperzelle
in eine Eihülle übertragen. Unter dem Einfluss unbekannter Faktoren soll
sich der erwachsene Zellkern dann in einen embryonalen Kern verwandeln und
die Entwicklung eines Embryos, dann eines Fötus und schließlich eines
Kindes in Gang bringen.“
- Hier entsteht bei dem Leser der
Eindruck, der Journalist kenne sich besser mit den wissenschaftlichen
Verfahren aus, als dies bei dem eigentlichen Wissenschaftler der Fall ist.
Des weiteren zeigt der Autor sein Wissen auf dem Feld der Dolly-Methode.
- Dieses Verfahren, das den
Durchbruch der Gentechnik vor allem auch in der Öffentlichkeit bedeutet
und die damit verbundenen Komplikationen, werden ein paar Zeilen darauf
erläutert.
- So schafft Ulrich Bahnsen nicht zuletzt durch sein
Expertenwissen und seine gute Recherche Glaubwürdigkeit, die ihm auch
zugestanden werden muss. Denn die Gentechnik
ist nicht so einfach und machbar wie manche andere Artikel oder
manche Forscher glauben machen wollen.
- Dieser Gedanke leitet wohl auch Bahnsen, wenn er
sich in ironischem Tonfall („Der alte Herr – Richard Seed - fehlte
keineswegs, stakste kurz nach Beginn der Pressekonferenz steifbeinig vor
und krähte: ‚Ich werde meine Frau klonen und meine ganze Familie.’
bevor man ihm das Mirkofon entreißen konnte.“) über die Forscher, die
von ihrem kommenden Erfolg überzeugt zu sein scheinen, lustig zu machen
scheint. Diese Haltung gegenüber den Forschern, insbesondere Antinori,
ist auch im Titel des Artikels („Der Wahn des Doktor Antinori“)
wiederzufinden. Glücklicherweise zieht der Autor auch sich realistisch äußernde
Forscher, wie z.B. Rudolf Janisch, zu Rate, sonst könnte sich eine
Forschungsverdrossenheit ganz schnell der Politikverdrossenheit anschließen.
- Auch, wenn in diesem Artikel nicht
von Menschenzüchtern Frankensteins oder anderen apokalyptisch klingenden
Visionen die Rede ist, bezieht der Journalist eindeutig Stellung gegen das
Klonen von Menschen. So zeigt der Artikel, dass es möglich ist, sich auch
mit Stil und guter Recherche überzeugend gegen die Gentechnik
auszusprechen und dass es hierzu keiner Schreckensvisionen bedarf.
- Was der Artikel nicht zu
beantworten vermag, ist die Frage, wie erfolgreich die Forschergruppe
trotz ihres schlechten Rufs sein wird. Bleibt nur abzuwarten – bis zur nächsten
Meldung über Antinori & Co.
-
-
- 2.
BILD –Artikel
(Text)
-
- Erschienen am 20.06.1999 in der
BILD-ZEITUNG
-
- AUTOREN : Thorsten Dargatz und
Ullrich Voigt
-
- TITEL:
Unheimlich!
-
Klon-Professor baut erste Babyfabrik –
- Für
380.000 Mark will er Embryos herstellen
-
- In dem vorliegenden Artikel wird
über Forschungsergebnisse und –vorhaben der Firma Advances Cell
Technology (ACT) berichtet. Hierzu ziehen die Autoren auch mehrere
Zukunftsprognosen erstellende Forscher und Experten heran. Im Anhang des
Artikels wird schließlich das Klonierungs-Verfahren erläutert. Ganz im
Stil der Bild-Zeitung ist der Artikel sprachlich etwas einfacher gehalten,
was auch schon auf die Leserschaft der Zeitung hinweist. Der Artikel
vermittelt den Eindruck einer unmittelbaren Bedrohung der Menschheit durch
die Gentechnik. Er macht glauben, es wäre schon heute möglich Menschen
zu züchten und dies würde höchstwahrscheinlich auch schon irgendwo auf
der Welt vonstatten gehen.So wird z.B. „Professor Hans Günter Gassen
(61), Biochemiker und Gentechnik-Experte an der Universität Darmstadt“
zitiert: “Uns droht tatsächlich die Menschenzüchtung.“ Mindestens
genauso selbstsicher zeigt sich „Professor Horst Badehaus (58),
Mikrobiologe und Gentechniker an der Biologischen Bundesanstalt in
Braunschweig“ in nachfolgenden Zitat: „Technisch sind wir schon heute
in der Lage einen Menschen zu klonen. Es gibt bestimmte Institute auf der
Welt, in denen solche Klon-Versuche schon stattfinden.“ Hier fragt sich
der Leser natürlich, weshalb sich Herr Badehaus so unbestimmt über
„bestimmte Institute“ äußert, wo „auf der Welt“ dies schon
stattfinden soll und welche Klonversuche denn von ihm gemeint sind. Doch
die Antwort auf diese Fragen bleiben uns bis zum Ende des Artikels
verwehrt. Belege, die diese wissenschaftlichen Thesen, die
die Autoren von den herangezogenen Forschern übernehmen,
untermauern könnten, sind nicht vorhanden. Für einen Artikel, welcher über
die Gentechnik Bericht erstatten, also wissenschaftlich informieren soll,
ist dieser in einer sehr emotionsgeladenen Sprache verfasst. Dies ist auch
daran zu erkennen, dass hier Informationen und Wertung nicht getrennt
behandelt werden. Beispiel: „Die ACT-Forscher mussten ihren schaurigen
Menschenversuch, der erst jetzt öffentlich gemacht wurde, abbrechen.
“Die Information in oben stehendem Satz ist schlicht und einfach, dass
die ACT-Forscher ihr Experiment abbrechen mussten. Doch gleichzeitig mit
der Information wird schon die Wertung vorgenommen: „schauriger
Menschenversuch“. So ist die Information für den Leser automatisch
negativ behaftet, wenn er sie sich ein anderes Mal wieder daran erinnert.
Nicht nur, dass Dargatz und Voigt eindeutig Position gegen die Gentechnik
beziehen, indem sie vom „Klon-Professor“, der die „erste
Babyfabrik“ bauen möchte, sprechen. Es scheint hier auch
wohlwissentlich „Babyfabrik“ anstatt Menschenfabrik geschrieben worden
zu sein, da dies das Bild eines wehrlosen Babys, mit dem bösartige
Forscher herumexperimentieren, entstehen lässt. Des weiteren wird von
wird von „derart künstlich hergestelltem Leben“ gesprochen. Auf diese
Weise ist die Sprache und Wortwahl der Redakteure äußerst negativ
besetzt. Die totale Apokalypse scheint kurz bevor zustehen. Hier werden
Schreckens-Utopien heraufbeschworen. Als Utopien darf man sich erlauben
die Thesen der Herrn Dargatz und Voigt zu bezeichnen, da sie keinerlei
handfeste Nachweise für ihre Thesen in dem Artikel mit einfließen
lassen. Außerdem unglaubwürdig auf den Artikel wirkt sich aus, dass die
weitgehend unrealistischen Vorstellungen einiger Forscher wie
beispielsweise die des „Genetikersund Physikers Professor Richard Seed
(70) aus Chicago“, eine Fabrik zu eröffnen, in welcher Babys
professionell geklont werden, als feste Vorhaben ausgelegt werden. Einmal
ganz davon abgesehen, dass Nachrichten über Herrn Seed bei einer Vielzahl
von Journalisten nur noch ein mattes Lächeln auf den Lippen entstehen
lassen, da dieser Mann mittlerweile für seine Spinnereien bekannt
geworden ist und selbst Gentechnik-Forscher, also Personen aus dem
gleichen Lager, nicht mit ihm in Verbindung gebracht zu werden wünschen.
Der Artikel ist also reine Panikmache, es wird von „derart
unkontrollierter Gentechnik“ gesprochen; die juristischen Grenzen, die
noch in vielen Ländern bestehen, werden gar nicht erst erwähnt. Auch
formulieren Dargatz und Voigt keine wirklichen ethischen Bedenken, sondern
verrennen sich nur in Übertreibungen. Der Artikel, der also vor der
Gentechnik warnen soll, kann aber ganz schnell in die gegenteilige
Propaganda umschlagen. Da die Gefahr besteht, dass der Leser diese ganzen
Überzogenheiten und mit ihnen zusammen auch seriöse Artikel, die sich
gegen die Gentechnik richten, in einen Topf werfen und als Quatsch abtun könnte.
So ist fraglich, was die Bild-Zeitung mit dieser Art von Berichterstattung
bezweckt. Höchstwahrscheinlich soll einfach die Meinung des Volkes, das
größtenteils noch skeptisch ist, eingefangen und damit Leserschaft
gewonnen werden.
-
-
- 3.
SPIEGEL
– Artikel
(Text)
-
- Erschienen
in der Ausgabe 3/2001 im Spiegel
- AUTOR:
Jörg Blech
- TITEL:
Magischer Moment – Forscher haben den ersten gentechnisch
manipulierten Affen erschaffen –Probelauf für den Menschen nach Maß?
-
- In
dem hier vorliegenden Artikel wird von der Erschaffung des ersten
gentechnisch manipulierten Affen berichtet. Der Primatenforscher und
Frauenarzt Gerald Schatten nennt seinen, im amerikanischen Bundesstaat
Oregon zur Welt gekommen, Zögling ANDI, dessen Name rückwärts gelesen
„inserted D N A“ (eingefügte DNA) bedeutet“. Blech zitiert in
seinem Artikel den jubelnden Schatten („Das ist ein magischer Moment“
– daher auch die Überschrift)
und lässt auch andere Forscher, wie z.B. Franz-Josef Kaup
vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen, zu Wort kommen. Dieser
(Kaup) schwelgt auch sogleich in Zukunftsprognosen und behauptet: „Man
kann so etwas von der Technik her mühelos auch beim Menschen machen.“
Auch Jörg Blech scheint der Ansicht zu sein, dass es vom Affen zum
Menschen jetzt nur noch „ein kleiner Schritt“ ist. So schließt er
daraus, dass „die bisher entdeckten Gene von Rhesusaffen und Menschen zu
95 Prozent identisch“ sind, dass sich „Hirnleiden wie Alzheimer und
Parkinson deshalb in genmanipulierten Rhesusaffen trefflich simulieren“
ließen. Doch wie mühelos ist die Gentechnik wirklich beim Menschen
anzuwenden? Und wieviel Prozent Übereinstimmung der gesamten Gene sind
bei Rhesusaffe und Mensch zu finden, wenn von den bisher entdeckten Genen
95 Prozent identisch sind? Ähnliche Prophezeiungen wie schon von
Franz-Josef Kaup werden auch von Paul Serhal, Reproduktionsmediziener am
University College Hospital in London, ausgesprochen. Doch Serhal
prophezeit nicht nur was andere machen werden, er selbst ist bereit „ein
gentechnisch verändertes Menschenbaby herzustellen“. Auch dem
Erschaffer des genmanipulierten Affen wird das Wort erteilt. Der
Primatenforscher scheint gentechnische Veränderungen am Menschen zu
verurteilen, wollte er doch nur „ganze Horden gentechnisch veränderter
Affen züchten, um an ihnen menschliche Krankheiten zu studieren“. Auch
der Autor bezieht eindeutig Stellung gegen die gentechnische Veränderung
von Embryonen. Dies wird schon zu Beginn des Artikels deutlich, wenn Blech
schreibt, dass die Schreckensvision vom gentechnischveränderten Menschen
erstmals als reale Möglichkeit erscheint“. Außer der Beschreibung des
Verfahrens, mit welchem ANDI erschaffen wurde und zahlreicher
Zukunftsprognosen des Autors und einiger zitierter Forscher, ist
inhaltlich eigentlich nicht mehr zu finden. So verspricht die Alliteration
„Magischer Moment“ mehr als der Artikel hergibt, aber dies liegt mit
Sicherheit nicht zuletzt an der Kürze des Artikels.
-
-
- VI
VERGLEICH
-
- Die Medien werden häufig als 4.
Gewalt bezeichnet, da man der Meinung ist, sie würden maßgeblich zur
Meinungsbildung im deutschen Lande beitragen. Diese Annahme ist sicherlich
nicht falsch und ebenso wenig ist sie von der Hand zu weisen.
- Häufig
wurde auch darüber spekuliert, wie frei die Presse wirklich sei, wenn
schon die Politik diesen Anspruch nicht mehr zu erfüllen scheint. So
kommen Vermutungen zustande, die die Abhängigkeit von
marktwirtschaftlichen Unternehmen wähnen.
- In Bezug auf die Gentechnik aber
scheinen all diese Vorwürfe weder Hand noch Fuß zu haben. Alles deutet
darauf hin, dass die Industrie wohl doch nicht den vermuteten Einfluss auf
die Presse besitzt. Denn die Gentechnik erfreut sich in Deutschland nicht
allzu großer Beliebtheit.
- Der
Optimist (und Gegner der Gentechnik) würde hinter dieser Tatsache die
Aufgeklärtheit der Bevölkerung vermuten, doch hat sich diese allerdings
noch nicht allzu oft gezeigt. So steht die Frage nach dem „Warum“
weiterhin unbeantwortet im Raum. Was mögen wohl die Beweggründe der
Autoren und Zeitungen/Zeitschriften sein, so gut wie ausschließlich
negativ über die Gentechnik zu berichten und dabei nicht zu beachten,
dass dies der deutschen Forschungsindustrie und Wirtschaft maßgeblichen
Schaden zufügt? Denn alle hier analysierten Artikel nehmen gegenüber der
Gentechnik eine oppositionelle Haltung ein. Und es war für mich unmöglich,
in zahlreichen Online-Archiven einen Artikel zu finden, der Positives über
gentechnische Verfahren enthält.
- Eine
weitere Gemeinsamkeit des hier vorliegenden Artikels besteht darin, dass
in allen dreien Experten oder zumindest selbsternannte Experten
herangezogen werden. Auch diese Tatsache lässt sich auf weitgehend alle
Berichterstattungen zu diesem brisanten Thema finden.
- Denn
mit Sicherheit steigt die Überzeugungskraft des Artikels, wenn
Professoren oder Ärzte die Aussagen des Autors bestätigen. Dass diese
dem Leser häufig aus dem Kontext gelöst präsentiert werden, fällt hier
kaum jemandem auf. Natürlich ändert sich die Qualität der Zitate je
nach dem, welche Zeitung/Zeitschrift man zu Hand nimmt. So auch die Qualität
des gesamten Artikels.
- Hier
schneidet die Bild-Zeitung, auf den ersten Blick ersichtlich, am
schlechtesten ab.
- Wie
allgemein bekannt, vermag „DIE ZEITUNG“ es, das Stimmungsbild der Öffentlichkeit
einzufangen und dies bis ins Extreme zu schüren. Ebenso auch in der
Berichterstattung über die neuste Sparte der Biotechnologie.
- Der
Leser bekommt hier das Gefühl vermittelt, der Welt stehe unmittelbar eine
Apokalypse bevor, die denn heißt "„Menschenzüchtung", „Baby’s
aus Fabriken“, „die Auferstehung des Frankenstein“ oder
„Vergiftung des Essens durch Gen-Food“.
- Einerseits
beruhigend, dass sich die Bild-Zeitung so rigoros gegen die Gentechnik
wendet, da ihr im gegenteiligen Fall wohl zu einem rasanten Durchbruch
verholfen wäre. Andererseits kann diese unglaubwürdige Art von
Berichterstattung womöglich bei einzelnen Personen auch dazu führen,
jegliche seriöse Kritik mit der der Bild-Zeitung gleichzusetzen und als
Panikmache abzutun.
- Wobei bei Artikeln, wie dem hier
vorliegenden der „Zeit“, davon nicht die Rede sein kann. Hier hat der
Leser das Gefühl, einen gut recherchierten Artikel vorliegen zu haben,
dem er auch Glaubwürdigkeit schenken kann. Schon durch die sprachliche
Gestaltung des Zeit-Artikels wird Seriösität gewonnen.
- Dies
lässt sich auch auf den Spiegel-Artikel übertragen. Auf den ersten Blick
wirkt der Artikel
- informativ,
seriös und glaubhaft. Wirft man nun aber einen Blick hinter die Fassade
der Sprache, ist ein mehr schlecht als recht gebautes Gerüst aus
Zukunftsprognosen, die scheinbar keiner Argumentation bedürfen und einer
einfachen Berichterstattung über das in diesem Fall angewandte
gentechnische Verfahren zu entdecken.
-
- So
ist erkennbar wie illusionsreich die Presse ist. Nicht nur inhaltliche
Verfälschungen und Ungenauigkeiten sind zu entdecken, nein, der Artikel
kann auch ein falsches Bild von sich selbst und der eigenen Qualität
wiedergeben.
-
-
-
- SCHLUSSWORT
-
- Häufig wird uns von
Genforschern versichert, dass sie einstweilen nur an ausgewählten Stellen
in die embryonalen Gene einzugreifen gedenken. Und doch beschleicht einen
der Gedanke:
- Was,
wenn auch hier der Fehlerteufel, getarnt als menschlicher Faktor,
eintritt? So ist diese allzu häufig gehörte Äußerung nur wenig
beruhigend. Vorerst geht es nur um die Optimierung harmloser Embryonen, an
direkte Manipulation oder gar Züchtung mag im Augenblick niemand denken.
Es nützt nichts, als apokalyptische Phantasie abzutun, was dereinst nüchterne
Risikokalkulation sein wird. Natürlich kann noch nicht von einem Umlenken
der Evolution gesprochen werden. Jedoch sitzt der Laie, der potentielle
Nutzer der Gentechnologie, längst in der Falle. Verweigern hilft nichts,
die Entscheidung haben ihm andere abgenommen, ihm bleibt nur, sich
vertrauensvoll hinzugeben, wie immer, wenn Wissenschaft sich der intimsten
Lebensbereiche bemächtigt.
- Die
Spezialisten experimentieren, die Spezialisten können sich irren, die
Spezialisten werden es richten. Mehr denn je werden wir auf ihr
Krisenmanagement angewiesen sein.
- Man
sagt uns, wir wüssten auf welchen Chromosomen die erblichen Krankheiten
liegen. Mit anderen Worten: Die Speicherplätze für Farbenblindheit etwa,
Alzheimer oder bestimmte Formen von Blutkrebs sind nunmehr dingfest
gemacht. Man kann sie, wie Steckbriefe von Schwerverbrechern, jetzt an die
Öffentlichkeit weitergeben. Demnächst also wird man den Symptomen
zuvorkommen, ohne die furchtbare Wirkung erst abwarten zu müssen.
- Mit
solcherlei unanfechtbarer Argumentation panzert sich heute die Forschung.
- So
arbeitet man auf etwas hin, von dem man schon immer träumte: den
perfektionierten Menschen.
-
-
-
- Für
die naturwissenschaftlichen Grundlagen gebrauchte Quellen:
-
- www.genetic.diner.com
- www.uni-heidelberg.de
- www.zum.de
- „Der
kleine Rocher“
- www.zum.de
-
-
- Für
die Textanalyse gebrauchte Quellen :
-
- Online-Archive :
-
- www.zeit.de
- www.bild.de
- www.spiegel.de
-
-
-
- VIII Anhang:
Die Zeitungsartikel
-
- Der
Wahn des Doktor Antinori
Forscher wollen Menschen klonen.
Dabei ignorieren sie ethische Bedenken und biologische Risiken
Von Ulrich
Bahnsen
- Panayiotis Zavos wähnt sich in
Gefahr. Doch der amerikanische Arzt griechischer Abstammung scheut das
Risiko eines Attentats nicht. "Schauen Sie sich die Geschichte der
amerikanischen Präsidenten an", meint er. "Ruhm hat seinen
Preis. Das nehme ich auf mich." Ob das, was Doktor Zavos Minuten
zuvor im ehrwürdigen Hörsaal der Policlinica Umberto I zu Rom verkündet
hatte, ihn tatsächlich zu einem potenziellen Anschlagsopfer qualifiziert
oder vielleicht doch eher zu einem Fall für einschlägige Paragrafen zur
beschränkten Geschäftsfähigkeit, ist nur schwer zu entscheiden.
Immerhin hatten Zavos, ein Reproduktionsmediziner aus Lexington, Kentucky,
sein italienischer Kollege Severino Antinori und der israelische
Wissenschaftler Avi Ben-Abraham das Kunststück fertig gebracht, die
Weltpresse mit einer vagen Ankündigung nach Rom zu locken: Man werde
binnen 18 Monaten das erste Baby klonen. Genaueres werde man beim Workshop Human Therapeutic Cloning am 9. März bekannt geben. Selbst
japanische und australische Sender schickten daraufhin Kamerateams in die
ewige Stadt.
- Zu übertragen gab es indes kaum
mehr als heiße Luft. Ziemlich schnell dämmerte der versammelten
Reporterschar, dass hier weniger eine Pioniertruppe mit dem Zeug zu
wissenschaftlichen Großtaten als vielmehr ein Gruselkabinett vor den
Linsen der Kameras stand. Die Herren hatten wolkige Statements, aber kaum
sachdienliche Hinweise zu bieten. "Dolly ist hier, die Klone sind da.
Wer ist als Nächstes dran?", ruft Zavos die steilen Ränge des Hörsaals
hinauf. Die Antwort liefert er gleich selbst: "Wir!" Auf den
hinteren Reihen brandet Beifall auf. Da sitzt Antinoris Entourage, eine
Riege weiß bekittelter Assistenzärztinnen. Ihr Chef - als hochbefähigter
Fortpflanzungsmediziner ebenso gerühmt wie als Tüftler mit fragwürdigen
ethischen Standards berüchtigt, seit er einer Frau von immerhin 62 Jahren
zu einem Kind verhalf - hatte zuvor einige grundsätzliche Worte fallen
lassen. Kinderlosigkeit sei eine Krankheit, das Klonen als Ultima Ratio
des labortechnischen Schwängerns könne nicht länger tabu sein.
"Geklonte Kinder sind auch einzigartig", meinte er, "und
sie wachsen ebenso individuell heran."
- Tatsächlich ist der Verdacht, das
Wissen um die genetische Identität mit dem Vater werde schwere psychische
Schäden bei geklonten Kindern hervorrufen, bisher nur Spekulation. Doch
wie soll das erste Klonkind zum Beispiel später mit den Nachstellungen
der Boulevardpresse umgehen - à la Klonjunge
verliebt: Wird er Monster zeugen?. Das interessiert die künftigen
Kloner wenig. Die Entscheidung zum Klonen sei eine Privatangelegenheit der
Eltern, stellt Antinori fest, der Staat solle sich gefälligst
heraushalten. Doch auch wer die ethische Fragwürdigkeit des Babyklonens
mit dem "Menschenrecht auf ein Kind" wegwischen will, muss
Fragen nach der Sicherheit des Verfahrens, nach der Gefahr für Leib und
Leben von Mutter und Kind beantworten können. "Klone sind Klone, und
die Natur klont auch." Mehr sagt Zavos nicht dazu, nur noch:
"Ein Klon ist der eineiige Zwilling seines Vaters, bloß wird er 40
Jahre später geboren. Was ist daran falsch?"
- Fast alles. Vor allem
wissenschaftlich betrachtet. Zwar sind auch eineiige Zwillinge Klone, doch
sie entstehen durch die regelgerechte Vereinigung von Spermium und
Eizelle. Erst danach, auf dem Weg zur Gebärmutter, zerfällt der Embryo
in zwei Teile. Das hat wenig mit dem Vorhaben der Klonallianz zu tun: Geht
es nach ihnen, so wird ein Kern einer erwachsenen Körperzelle in eine Eihülle
übertragen. Unter dem Einfluss unbekannter Faktoren soll sich der
erwachsene Zellkern dann in einen embryonalen Kern verwandeln und die
Entwicklung eines Embryos, dann eines Fötus und schließlich eines Kindes
in Gang bringen. So was kann - siehe Dolly - funktionieren. Vor allem aber
geht vieles schief. Ian Wilmuts Forscherriege im schottischen
Roslin-Institut verbrauchte fast 300 Schafeizellen, um zunächst ganze 29
Retortenembryos herzustellen. Gerade einer überlebte bis zur Geburt - das
war Dolly. Bis heute, bekennt Wilmut, selbst ein erbitterter Gegner des
Menschenklonens, habe sich die Erfolgsrate der Technik kaum verbessern
lassen.
- Die Kloner ficht das nicht an.
"Wilmut arbeitet nur mit Schafen", tönt Zavos. "Wir, und
nicht Herr Wilmut, haben mehr als 20 Jahre Erfahrung mit menschlicher
Reproduktion: Millionen von Embryotransfers, mindestens 200 000 Kinder
wurden so geboren." Recht hat der Mann, nur hat auch das nichts mit
Klonen zu tun. Die Leistung der bisherigen Reproduktionstechniken besteht
genau genommen darin, der Befruchtung mehr oder weniger energisch im
Reagenzglas nachzuhelfen und den Embryo dann in die Gebärmutter zu spülen.
Immerhin, zur Frage, woher denn die vielen Eizellen kommen sollen, die bei
der Klonerei verbraucht werden, haben die Herren eine Idee: Man werde den
Bedarf reduzieren. Jeder Embryo, so lautet das Kalkül von Antinori und
Zavos, werde im Achtzellstadium in einzelne Zellen zerlegt, dann soll aus
jeder Embryozelle wieder ein ganzer Embryo wachsen. Der Plan erregt bei
Experten eher Heiterkeit. "Das geht im Achtzellstadium kaum
noch", sagt Davor Solter, Klonfachmann vom Max-Planck-Institut für
Immunbiologie in Freiburg. "Vielleicht gelingt es bei Vierzellern,
aber wer glaubt, dass aus jeder dieser Zellen ein lebensfähiger Embryo
heranwächst, hat sich gefährlich getäuscht."
- Aber das sind alles nur
Detailfragen, verglichen mit dieser: Wie man sich denn nun gegen
Totgeburten oder Missbildungen wappnen wolle, fragt eine inzwischen
deutlich missgelaunte Reporterin des US-Senders ABC. Die Herren haben
erkennbar keine Ahnung. Avi Ben-Abraham bügelt weitere kritische Fragen
ab: "Wir stehen mit dem Versuch auf einer soliden wissenschaftlichen
und medizinischen Basis. Wir sind Experten, und wir sagen der Welt: Ihr
seid in guten Händen."
- Von
100 menschlichen Klonen wird vielleicht einer überleben
- Die wahren Experten sehen das
leider völlig anders. "Bei allen bisher geklonten Säugetieren hat
es gravierende Probleme gegeben", sagt Rudolf Jaenisch. "Und
warum", fragt der Klonpionier vom Whitehead Institute in Cambridge,
USA, "sollte das beim Säuger Mensch anders sein?" Von 100
menschlichen Klonen werden die meisten bei einer spontanen Fehlgeburt
infolge schwerer genetischer oder körperlicher Defekte sterben, lautet
die Prognose. Die wenigen, die in der Gebärmutter anwachsen, werden stark
vergrößerte Plazenten haben und unter Fettlebern leiden.
- Vielleicht werden drei oder vier
der Klone ihre Geburt überleben, doch auch sie würden von schweren
Krankheiten oder Deformationen heimgesucht. Die Liste der klontypischen
Geburtsfehler liest sich wenig ermutigend: Föten mit einem Gewicht von
bis zu sieben Kilo und möglichen Schädeldeformationen lassen keine natürliche
Geburt zu. Die Kaiserschnittkinder werden mit großer Wahrscheinlichkeit
in den ersten Wochen an Herz- und Gefäßmissbildungen sterben, an
unterentwickelten Lungen oder Immunschwäche. Und sollte doch einer der
100 Klone auf einer Intensivstation überleben, wird er zeitlebens als
Klon zu erkennen sein: am überdimensionierten Nabel, Überbleibsel einer
unerklärlich dicken Nabelschnur, die sich bei den meisten
Klonschwangerschaften bildet.
- Selbst der Versuch, trauernden
Eltern einen toten Säugling zu ersetzen, sei daher als zynische Missetat
zu werten, resümiert Dolly-Schöpfer Ian Wilmut (ZEIT Nr. 11/01) ergrimmt: "Das wahrscheinliche Ergebnis ist
noch ein totes Kind." Die internationale Forschergemeinde verzichtete
darauf, Antinoris Team mit dieser Tatsache zu konfrontieren. Kein
ausgewiesener Experte mochte sich auf der Tagung blicken lassen. Niemand
will in Verdacht geraten, mit Antinori und Co. zu sympathisieren. Im
Gegenteil: Die Zunft fürchtet ihre Diskreditierung durch das Vorhaben.
Endet der Klonversuch in einer Katastrophe, könnte das auch der
Stammzellforschung und selbst der herkömmlichen Reproduktionsmedizin auf
lange Zeit die Arbeit schwer machen. Entsprechend furios fallen die
Reaktionen der Fachkollegen aus. "Schlicht gewissenlos" nennt
etwa der Lübecker Reproduktionsmediziner Klaus Diedrich die Pläne
Antinoris.
- Hinzu kommt: Nicht nur ihr
Vorhaben, auch die Klontruppe selbst erscheint reichlich dubios. So gab
sich etwa Zavos als Mitglied der amerikanischen Fachgesellschaft für
Reproduktionsmedizin aus - was diese nachdrücklich bestreitet. Seine
Fertilitätsklinik in Lexington beteiligt sich nicht an dem freiwilligen
Qualitätssicherungsprogramm, dem die meisten US-Zeugungszentren
angeschlossen sind.
- "Ich
werde meine Frau klonen und meine ganze Familie"
- Über die Befähigung von
Ben-Abraham zum Klongeschäft lässt sich nur angeben, dass er bereits mit
18 Jahren dem Arztberuf nachging. Und zu Karl Illmensee, der sich bei
Antinoris Auftritt als wissenschaftlicher Berater präsentierte, muss
gesagt werden, dass er seit Jahren des Forschungsbetrugs bezichtigt wird.
Schon vor 1979 hatte Illmensee angeblich Mäuse geklont (siehe
nebenstehende Chronik). Nur konnte niemand die vorgebliche Großtat mit
seiner Methode wiederholen. Illmensee räumte darauf seinen Lehrstuhl an
der Genfer Universität und soll so einem Rauswurf zuvorgekommen sein.
- Ein echtes Dream-Team also.
"A priori", höhnt der Klonexperte Davor Solter, "erwecken
die ja nun nicht gerade viel Vertrauen - da fehlt nur noch Richard Seed."
Seed, ein bis dato völlig unbekannter US-Forscher, hatte kurz nach der
Geburt des Klonschafs Dolly Aufsehen erregt: Er werde mit dem Klonen von
Menschen beginnen. Was Seed angeht, irrte Solter allerdings. Der alte Herr
fehlte keineswegs, stakste kurz nach Beginn der Pressekonferenz
steifbeinig vor und krähte: "Ich werde meine Frau klonen und meine
ganze Familie", bevor man ihm das Mikrofon entreißen konnte. Selbst
die Gruppe um Severino Antinori nimmt den Mann nicht ernst.
- Bleibt die Frage, wie ernst
Antinori und Co. zu nehmen sind: Allzu viel ließen die Herren im Dunkeln.
Wer denn nun dem Team alles angehöre? "Kein Kommentar." Wer das
Experiment bezahle? "Wir haben unbegrenzte Mittel zur Verfügung."
Wo das Experiment stattfinden solle? "Geheim. Aus Sicherheitsgründen."
Die bisherigen Kandidaten für die Durchführung der Klonpremiere
jedenfalls winkten energisch ab: In Israel, Italien oder Zypern ist
Antinori nicht willkommen. Und die italienische Ärztekammer drohte ihm
mit drastischen Konsequenzen, sollte er sein Vorhaben wahr machen.
- So wird Antinoris Crew vermutlich
bereits am Widerstand von Standeskollegen, Staatsanwälten und Parlamenten
scheitern, bevor die Biologie den Wahnwitz des Projekts enthüllt. Ein
Klonverbot sei überflüssig, äußerte sich der Nobelpreisträger Jim
Watson schon vor Jahren. Watsons Begründung: "Sollte es jemand
versuchen, wird er sofort merken, dass das eine lausige Idee ist."
Allerdings: Lässt Antinori nicht ab, könnte diese Erkenntnis mit Toten
bezahlt werden. Kommt es schlimm, liegt neben dem Säugling auch die
Mutter im Sarg.
- (c) DIE ZEIT
12/2001
-
- 20.06.1999
-
Für
380.000 Mark will er Embryos herstellen
- Von
THORSTEN DARGATZ und ULLRICH VOIGT
- Ein
Mensch war der Zellhaufen noch nicht, den die Forscher im Labor der
amerikanischen Firma Advanced Cell Technology (ACT) aus menschlichem
Erbgut und einer zuvor entkernten Kuh-Eizelle gezüchtet hatten. Aber aus
einem derart künstlich hergestellten Leben, das 14 Tage in dem Labor der
Firma ACT im US-Bundesstaat Massachusetts in einer Nährflüssigkeit
schwamm, hätte theoretisch einmal ein Baby werden können – ein
sogenannter Klon, eine perfekte Kopie des menschlichen Zellspenders.
-
In einem komplizierten
Verfahren wird die Erb-Information einer menschlichen Körperzelle
in die Eizelle einer Kuh übertragen. Der daraus entstehende Embryo
kann zum Klonen eines Babys benutzt werden. Das Vorgehen ist ähnlich
wie bei der Befruchtung im Reagenzglas
|
- Die
ACT-Forscher mußten ihren schaurigen Menschenversuch, der erst jetzt öffentlich
gemacht wurde, abbrechen. So schreibt es das amerikanische Recht vor. Aber
er hat Millionen Menschen in Deutschland und der ganzen Welt schockiert.
Alle bewegt die unheimliche Frage, ob wir tatsächlich irgendwann einmal
Menschen nach unserem Vorbild vervielfältigen können.
- „Möglich
ist das“, sagt Professor Hans Günter Gassen (61), Biochemiker und
Gentechnik-Experte an der Universität Darmstadt. „Uns droht tatsächlich
die Menschenzüchtung.“ Noch deutlicher äußert sich Professor Horst
Backhaus (58), Mikrobiologe und Genetiker an der Biologischen
Bundesanstalt
in Braunschweig: „Technisch sind wir schon heute in der Lage, einen
Menschen zu klonen. Es gibt bestimmt Institute auf der Welt, in denen
solche Klon-Versuche schon stattfinden. Ethisch ist das allerdings äußerst
bedenklich.“
-
Professor Richard Seed,
Physiker und Genetiker aus Chicago, gibt es bislang nur im Spiegel
doppelt. Er hat jetzt auf den Bahamas eine Firma gegründet, die
eine Klinik errichten soll, in der Babys geklont werden können. Der
US-Forscher will sich sogar selbst klonen lassen
|
- Die
Einwände deutscher Wissenschaftler werden aber im Wettrennen um einen
Mega-Markt der Zukunft, der mit Milliarden-Gewinnen lockt, immer häufiger
übergangen.
- Bestes
Beispiel ist der Genetiker und Physiker Professor Richard Seed (70) aus
Chicago. Schon im Januar vergangenen Jahres hatte er angekündigt,
professionell Menschen klonen zu wollen. Vor zwei Tagen setzte er seine
Idee in die Tat um: eine Fabrik, in der Babys geklont werden. Sie soll „Clonaid“
heißen und auf den Bahamas gebaut werden.
- Der
winzige Inselstaat vor der Küste des US-Bundesstaates Florida ist ein
idealer Standort. Denn anders als in Deutschland, wo die künstliche
Erzeugung menschlichen Lebens nach dem Embryonenschutz von 1990 strikt
verboten ist, schränkt dort keine Bestimmung die Forscher ein.
-
Präsident Dr. Michael D. West
in einem Labor seines Technologie-Unternehmens ACT in Worcester
(USA). Hier fanden die Experimente an lebenden menschlichen Zellen
statt. Kritiker befürchten, dass Forscher mit ihren Versuchen noch
viel weiter gehen
|
- Seed
macht keinen Hehl daraus, dass er sich mit seiner Firma hauptsächlich an
reiche Interessenten wendet. 200 000 Dollar (umgerechnet 380 000 DM)
verlangt der Wissenschaftler für seinen Klon-Service, etwa 90 000 Mark
kostet die Lagerung menschlicher Zellen, aus denen später, zu einem vom
Kunden gewünschten Zeitpunkt Embryonen gezüchtet werden können.
- Dr.
Brigitte Boisselier, wissenschaftliche Leiterin von Clonaid, ist davon überzeugt,
dass das Zuchtlabor ein Segen für die Menschheit ist: „Eltern sollten
das Recht haben zu entscheiden, ob das Kind den genetischen Code des
Vaters oder der Mutter haben soll.“ Außerdem könne die Wissenschaft
auf diese Weise Trost spenden: „Wie glücklich wäre eine Witwe, wenn
sie ein Kind aufwachsen sehen könnte, welches das Ebenbild ihres
verstorbenen Mannes ist.“
-
Ängstlich klammern sich die
Äffchen aneinander. Sie wurden zu Forschungszwecken geklont. Die
Tiere leben nicht mehr
|
- Schon
jetzt, so schätzen die Clonaid-Betreiber, finden sich weltweit etwa eine
Million zahlungskräftige Kunden. Der erste wird der Gründer selbst sein.
Aus einer Eizelle seiner Frau und seinem Erbgut will er sich selbst ein
Ebenbild schaffen.
- Aufgerüttelt
durch derartige Auswüchse und durch die ACT-Forschungsergebnisse von
Massachusetts, haben sich in Amerika wütende Proteste gegen derart
unkontrollierte Gentechnik gebildet. 70 Abgeordnete des Kongresses haben
sich in einem Brief an den Präsidenten für das totale Verbot der
Forschung an Embryonen ausgesprochen. 67 Nobelpreisträger wollen
lediglich Arbeiten an sogenannten embryonalen Stammzellen, wie sie im
ACT-Labor hergestellt worden sind, genehmigen.
- Diese
Zellen würde man – wie bei ACT geschehen – nicht zur Embryonalphase
heranwachsen lassen. Man würde sie, so die Vision der Wissenschaftler,
zur Zucht von menschlicher Haut, Nervenzellen und Organen verwenden.
-
Die niedlichen Mäuse sind künstliche
Zwillinge, wurden im Labor mit Hilfe der Gentechnik geschaffen,
sollen als Medikamentenfabrik dienen
|
- „Wir
halten diese Forschung für ausgesprochen wichtig“, sagt Dr. Michael D.
West, Präsident und Geschäftsführer von ACT zur BamS. „Wenn man eine
ausgereifte Körperzelle in eine junge, beliebig genetisch programmierbare
Zelle zurückverwandeln und dann ohne Abwehrreaktion des Körpers
einpflanzen kann, haben wir das Mittel gegen Krebs, Herzschwäche, Aids,
Parkinson und andere schwere Krankheiten.“
-
Prof. Hans Günter Gassen von
der TU Darmstadt warnt vor unkontrollierbaren Folgen der
Klon-Forschung
|
- Noch
ist die Wissenschaft nicht soweit, Zellen zu „befehlen“, dass sie sich
als Haut, Organ oder Nervenstrang weiterentwickeln sollen. Aber der
Wettlauf um das entsprechende Patent ist voll entbrannt. Denn die Sieger
werden mit gigantischen Profiten belohnt.
- Kritiker
befürchten allerdings, dass Ethik und Anstand dabei auf der Strecke
bleiben und mögliche grauenhafte Klon-Unfälle vertuscht werden.
- Kontrollierbar
ist die Entwicklung nach Meinung vieler Experten schon lange nicht mehr.
Allein in Südkoreas Hauptstadt Seoul, wo das Klonen nicht verboten ist,
gibt es mindestens zwölf Institute, in denen Klon-Experimente durchgeführt
werden können. Der genaue Entwicklungsstand ist unbekannt. Und der
japanische Professor Yukio Tsunoda klagt: „Niemand weiß, was in welchem
Land hinter verschlossenen Türen erforscht wird.“
- Klonen
– so geht’s
-
- Klonen:
Der Begriff kommt von dem griechischen Wort Klon = der Sprößling. So
gehen die Wissenschaftler im Labor vor: Sie trennen das Erbmaterial eines
Menschen aus einer beliebigen Körperzelle heraus – zum Beispiel aus der
Haut des Unterschenkels. In jeder Zelle ist die gesamte Erbinformation
(DNS) enthalten. Diesen Kern mit den Erbinformationen verpflanzen die
Forscher dann in die Eizelle einer Kuh, aus der der Kern mit den gesamten
Erbinformationen des Tieres zuvor entfernt worden war. In einer chemischen
Nährlösung beginnt dann die Verdoppelung der Zellen – wie nach einer
normalen menschlichen Befruchtung. Wenn man diesen Zellhaufen in die Gebärmutter
einer Leihmutter einpflanzen würde und von ihr austragen ließe, wäre es
möglich, Lebewesen mit perfekt identischer Erbmasse beliebig oft zu
kopieren, also zu klonen. Noch schwieriger ist das Fernziel, aus dem
Zellhaufen einmal neue Organe zu züchten.
-
-
- DER
SPIEGEL 3/2001
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,113217,00.html
Magischer
Moment
- Forscher
haben den ersten gentechnisch manipulierten Affen erschaffen - Probelauf für
den Menschen nach Maß?
- Von Affenbabys zu Menschenkindern
ist es an der Universität für Gesundheitswissenschaften im
amerikanischen Bundesstaat Oregon nur ein kleiner Schritt. Während auf
der Wochenstation die Säuglinge brüllen, schreit im Zentrum für
Primatenforschung ein Äffchen.
- Andi, so der Name des dreieinhalb
Monate alten Herrentiers, ist gesund, aber nicht normal - beides zur
Freude seines wissenschaftlichen Vaters. "Das ist ein magischer
Moment", jubelt der Primatenforscher und Frauenarzt Gerald Schatten
über seinen Andi: den ersten gentechnisch manipulierten Affen der Welt.
- Die Existenz des haarigen
Verwandten, vergangenen Freitag im Wissenschaftsmagazin
"Science" verkündet, lässt die Schreckvision vom gentechnisch
veränderten Menschen erstmals als reale Möglichkeit erscheinen. "Spätestens
jetzt ist klar: Man kann so etwas von der Technik her mühelos auch beim
Menschen machen", kommentiert Franz-Josef Kaup vom Deutschen
Primatenzentrum in Göttingen die Geburt des Affen in Beaverton bei
Portland.
- "Man wird nicht beim Primaten
Halt machen", prophezeit Paul Serhal, Reproduktionsmediziner am
University College Hospital in London. "Das ist nur der Startschuss für
die genetische Manipulation des Menschen in der Zukunft."
- Eltern könnten ihre Nachkommen im
Labor genetisch verbessern lassen: Frauen würden Designer-Babys gebären,
die ihre neuen Eigenschaften weitervererbten.
- Solche Eingriffe in die
menschliche Keimbahn verbietet in Deutschland das Embryonenschutzgesetz.
Auch in den Vereinigten Staaten hat eine Arbeitsgruppe des Amerikanischen
Verbandes zur Förderung der Wissenschaft solche ethisch heiklen
Experimente im vergangenen September strikt abgelehnt.
- "Gott verbietet, dass wir die
Technik beim Menschen einsetzen", sagt denn auch Schatten. Er habe
lediglich das Ziel, beteuert der Mediziner, ganze Horden gentechnisch veränderter
Affen zu züchten, um an ihnen menschliche Krankheiten zu studieren:
"Andi und seine künftigen Cousins und Brüder und Schwestern werden
uns helfen, unsere Wissenslücke zu schließen."
- Tatsächlich sind Rhesusaffen in
vielerlei Hinsicht weitaus bessere Modelltiere als die ungezählten Mäuse,
Ratten, Schafe, Rinder und Schweine, die bisher für unterschiedliche
medizinische Zwecke gentechnisch verändert wurden. Wie die Menschen gehören
Rhesusaffen zur Ordnung der Herrentiere (Primaten); die bisher entdeckten
Gene von Rhesusaffen und Menschen sind zu 95 Prozent identisch. So ist
auch das Affenhirn ähnlich strukturiert wie das des Homo sapiens.
Hirnleiden wie Alzheimer und Parkinson ließen sich deshalb in
genmanipulierten Rhesusaffen trefflich simulieren.
- Andi, dessen Name rückwärts
gelesen "inserted DNA" (eingefügte DNS) bedeutet, taugt
allerdings nicht zum medizinischen Modelltier. Er wurde bloß geschaffen,
um zu beweisen, dass der Eingriff ins Affen-Erbgut machbar ist.
- Zu diesem Zweck schleusten
Schatten und seine Teamkollegen Quallen-Gene in 224 Rhesusaffen-Eizellen.
Das neu eingefügte Gen stellt ein Protein her, das grünlich leuchtet,
wenn man es mit UV-Licht bestrahlt.
- Ein grünes Schimmern verriet den
Forschern folglich, welche der Eizellen das fremde Leucht-Gen aufgenommen
hatten. In diese Eizellen spritzen die Gelehrten dann jeweils ein
Spermium. Die 40 vitalsten der entstandenen Embryonen verpflanzten sie in
20 äffische Leihmütter.
- Gut fünf Monate später wurden
schließlich drei Affen geboren. Aber nur Andi trägt das fremde Gen im
Erbgut; bei seinen zwei Spielgefährten, mit denen er jetzt im Gehege
balgt, hat die Manipulation nicht geklappt.
- Und zur Enttäuschung seiner Schöpfer
leuchtet Andi selber nicht. Das Quallen-Gen hat sich zwar dauerhaft in
sein Erbgut eingefügt, doch aus noch rätselhaften Gründen stellt es
nicht das gewünschte Protein her.
- Gleichwohl dürfte Andi nun eine
"neue Ära der genetischen Manipulation" einläuten, wie
Reproduktionsmediziner Serhal glaubt. Denn obwohl die amerikanischen
Forscher nicht kontrollieren konnten, an welcher Stelle im Erbgut das
eingeschleuste Fremd-Gen schließlich landete, hat der Embryo sich völlig
normal entwickelt. Allem Anschein nach ist Andi ein putzmunteres Äffchen.
- Dass dieser Durchbruch andere
Forscher ermuntern könnte, Ähnliches auch beim Menschen auszuprobieren,
mag selbst Schatten nicht ausschließen. "Wir lehnen eine solche
Ausweitung ab und haben das auch nicht im Sinn", sagt er. Es gebe
aber "keine Kristallkugel, mit der sich vorhersagen ließe, wie neue
Techniken gebraucht oder missbraucht werden".
- Schon jetzt melden sich Forscher,
die keinerlei Skrupel plagt. "Ich hätte überhaupt keine Probleme,
ein gentechnisch verändertes Menschenbaby herzustellen", behauptet
Fortpflanzungsmediziner Serhal. Von Affen zu Menschen sei es nur ein
kleiner Schritt.
- JÖRG BLECH
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- © DER
SPIEGEL 3/2001
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