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Didaktik

Lehr- und Leerseite

Zusatz-Aufgabe Angelika Sauer (Deutsch)

Michael Seeger (Geschichte)

Friedrichs seelische und soziale Entwicklung:

Thesen zu seiner Entwicklung:

 

Geburt: Friedrich ist das Produkt einer Vergewaltigung und folglich von seiner Mutter ungewollt. Er hatte von Anfang an keine Chance auf eine gesunde Entwicklung, da es ihm an Liebe und Zuwendung fehlte. (S.7, Z.14: " ...denn Margreth soll sehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte... er ward unter einem Herzen voll Gram getragen...")

Kindheit: In seiner Kindheit darf Friedrich niemals Gefühle zulassen. Als er z.B. beim Tod des Vaters schreit, bekommt er eine Ohrfeige. Diese Gefühlskälte und Gewalt gibt er später an andere weiter. So wird er an der Hochzeit gedemütigt, versucht dies allerdings gleich mit einem Juchheschrei zu überspielen. (S.36 Z.6)

Jugend: Durch Einsatz seiner Fäuste gelangt er zu Ansehen in der Dorfjugend und achtet immer mehr auf sein äußeres Erscheinungsbild. Andererseits bleibt er der zerlumpte, verträumte Hirtenbube, womit er immer wieder Spott auf sich zieht. (siehe oben:"... das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele; ob er sich gleich durch einen tapferen Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte...")
Friedrich und sein Vater: Der Vater ist Alkoholiker und lässt seinen Frust oft durch Gewalt an seiner Familie aus. Durch den frühen Tod des Vaters wird schließlich Oheim Simon sein Vorbild und Ernährer. Dieser hat einen schlechten Einfluss auf Friedrich, da er keinerlei Moral und Skrupel besitzt.(S.10"...überhaupt hatte die Erinnerung an seinen Vater eine mit Grausen gemischte Zärtlichkeit in ihm zurückgelassen...")  Friedrich und seine Mutter: Friedrich genießt eine sehr einseitige Erziehung durch seine Mutter. Auf der einen Seite bemüht sie sich, dass er ordentlich und brav wird, auf der anderen Seite lässt sie ihm viel zu viele Freiheiten. Sie überträgt ihre eigene Einstellung zu Verbrechen auf Friedrich, wie z.B. ihre Abneigung gegen Juden und ihre gleichgültige Sichtweise gegenüber dem Holzfrevel. Somit kann Friedrich kein Unrechtsbewusstsein entwickeln. Friedrich und die Juden:  Schon früh wird Friedrich vor allem durch seine Mutter zur Abneigung gegen die Juden erzogen. Ihm wird vorgelebt, dass Juden gemeine Verbrecher sind. (S.10: "Die Juden sind alle Schelme...") Aus Angst vor weiteren Demütigungen wegen einer unbezahlten Uhr, führt dies schließlich auch zum gewissenlosen Mord am Juden Aaron.
Friedrichs Auftreten: In seiner Außenseiterrolle entwickelt Friedrich ein äußerst schwaches Selbstbewusstsein, weil er sich in der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen fühlt. Deshalb spiegelt er aus Unsicherheit immer das wieder, was die anderen in ihm sehen. Das zeigt sich vor allem, wenn er gedemütigt wird, da er dann auf einmal die Fassung verliert. (siehe Hochzeit) Friedrich und Johannes: Durch die unumstrittene Ähnlichkeit und die Tatsache, dass Johannes einsam ist, entsteht zwischen den beiden eine enge Bindung, wobei Friedrich die Führerrolle übernimmt. In dem hörigen Johannes spiegeln sich Friedrichs negative Charakterzüge, wie Unsicherheit und das Außenseiterdasein, wieder. In Johannes Fehlverhalten, fühlt sich Friedrich in seinem eigenen Stolz gekränkt, was er durch Aggressionen an Johannes auslässt. (Siehe oben: “Lumpenhund!” rief er; ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling...") Friedrichs Rückkehr:  Nach vielen Jahren der Sklaverei kehrt Friedrich als gebrochener, alter Mann ins Dorf zurück. Er gibt sich als Johannes aus, aus Angst nach so vielen Jahren noch als Judenmörder entlarvt zu werden. Somit verschmelzen Friedrich und Johannes zu einer Person und Friedrich bleibt unerkannt bis zu seinem Tod. Jedoch hält seine eigentlich schwache Persönlichkeit dem seelischen Druck einen Mord begangen zu haben nicht stand und er erhängt sich schließlich an der Judenbuche, deren hebräische Aufschrift lautet: (S. 54 Z. 15:"Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.")
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Kontext: Zentrale Textstelle:

Bei einer im Dorf stattfindenden Hochzeit, die ein sehr spektakuläres Ereignis für alle Dorfbewohner darstellte, ist auch Friedrich anwesend. Dieser hatte sich inzwischen von einem träumerischen und zurückhaltenden Jungen zu einem stolzen, eitlen und allgemein anerkannten Eleganten entwickelt. So steht er auch auf der Hochzeit im Mittelpunkt des Geschehens und genießt dies sichtlich. Auf einmal erhebt sich ein lautes Geschrei, und es stellt sich heraus, dass Johannes, Friedrichs Schatten, einen Mundraub begangen hat. Dieses bedeutet für Friedrich eine extreme Bloßstellung und er muss schnell handeln...

S.35, Z.38:

Aber Friedrich trat vor:

“Lumpenhund!” rief er; ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Tür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg.

...Er kehrte niedergeschlagen zurück; seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele; ob er sich gleich durch einen tapferen Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte - es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, sich wieder hinter die Bassviole zu flüchten; doch zuvor noch einen Knalleffekt: er zog seine silberne Taschenuhr hervor, zu jener Zeit ein seltener und kostbarer Schmuck..."

Quelle: Die Judenbuche

...Durch diesen Knalleffekt versucht Friedrich seine Unsicherheit und aufgestaute Aggression zu überspielen. Jedoch macht ihm der Jude Aaron einen Strich durch die Rechnung, indem er das für die Uhr geliehene Geld zurückfordert. Zutiefst gedemütigt ergreift Friedrich die Flucht und ein gewaltiger Hass keimt in ihm auf, der ihn später auch zum Mord am Juden veranlasst, nach welchem er das Heimatdorf verlässt. Nach vielen Jahren härtester Sklaverei, kehrt er schließlich mit der Identität von Johannes zurück und erhängt sich schließlich selbst an der für den Juden gewidmete "Judenbuche".

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Kreativer Text: 

Ein (fiktiver) Gast auf der Hochzeit schildert seine Eindrücke von Friedrichs Demütigung.

“Lumpenhund!” rief er; ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Tür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg. 

Ich hatte mich mit meiner Frau und meinen zwei Kindern schon am frühen Morgen auf den Weg nach B. gemacht, um bei dieser Hochzeit dabei zu sein. Ich unternahm nur selten solche langen Reisen, weil mein Beruf als Arzt mich voll in Anspruch nahm. 

Ohne Zweifel war die Hochzeit das Ereignis des Jahres und das ganze Dorf war anwesend. Der hitzige, junge Mann war mir schon den ganzen Abend aufgefallen, doch jetzt lag in seinen Augen der pure Hass und eine Verzweiflung, die nicht zu übersehen war.  Der Mann stand drohend über einem Jüngling, der sein Ebenbild zu sein schien. Dieser hatte sich inmitten eines Menschenkreises auf den Boden geworfen und hob seine Hände schützend über sich. Die Menschen veranstalteten einen unglaublichen Krach, aus dem ich Worte wie "Butterdieb" vernahm. Bald stellte sich heraus, dass Johannes, der schwächere Mann, Butter gestohlen hatte und Friedrich, sein überall bekannter Beschützer, von diesem Ereignis mehr als peinlich berührt war. Man sah ihm deutlich an, dass er durch das Geschehene selbst  betroffener war als Johannes. 

Dies versuchte er allerdings durch Gewalt an Johannes zu überspielen. So schlug er den Hilflosen zum Beispiel brutal ins Gesicht, um ihn dann links liegen zu lassen und schritt mit gedemütigtem Blick durch die johlende Menge. Sein wutverzerrtes Gesicht zeigte, wie sehr er von der Meinung anderer abhängig war. Ich glaubte schon, er würde sich auf einen der Umstehenden stürzen, doch nein, er flüchtete sich hinter die Bassvioline. Zuvor jedoch, versuchte er die Menge durch einen kläglichen Juchheschrei glauben zu lassen, dass ihm das Ereignis gar nichts ausmache und er zückte seine silberne Taschenuhr, ein sehr wertvolles und seltenes Exemplar zu dieser Zeit. Doch es gelang ihm nicht, seine Unsicherheit zu vertuschen, denn plötzlich tauchte der Jude Aaron auf und verlangte in aller Öffentlichkeit das von ihm für die Uhr geliehene Geld zurück. Diesen weiteren Schlag gegen seine Persönlichkeit konnte Friedrich sichtlich nicht mehr verkraften. Während die Menge in tosendes Gelächter ausbrach, floh Friedrich mit hochrotem Kopf und es war ihm anzusehen, dass er dies dem Juden niemals vergessen würde. 

Die Hochzeit verlief ohne weitere derartige Vorfälle, aber trotzdem ging mir dieser sonderbare Junge Friedrich nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder sah ich die Wut und Verzweiflung, die sich in seinem Gesicht offenbart hatte. Mir schien, dass er kaum Selbstbewusstsein besaß, um diese Ereignisse einfach so wegzustecken. Auch musste seine Armut ein großes Problem für ihn darstellen, dass er durch Wertgegenstände wie seine Uhr den Eindruck von Wohlstand erwecken wollte. Je mehr Gedanken ich mir darüber machte, desto mehr tat mir der arme Junge leid. Ich fragte mich, wie seine Kindheit wohl ausgesehen haben musste, dass er derartig auf die Meinung anderer angewiesen war und nur durch Gewalt mit seinen Problemen fertig werden konnte. Auch mit seinem Schützling Johannes schien es etwas Sonderbares auf sich zu haben, ja schien er alle schlechten Eigenschaften Friedrichs zu verkörpern. Kein Wunder, dass er so aggressiv auf dessen Verhalten reagiert hatte. Ich war mir sicher, dass dies nicht das letzte Mal war, dass man über diesen Jungen sprechen würde.

Bildquelle: A.v.Droste-Hüllshoff, Judenbuche, Peter Bekes und Werner Bockholt, Schroedel Verlag GmbH Hannover 2001

© 2002-2015 Bettina Bauer, Theresa Heizmann, Julia Allgaier,   Faust-Gymnasium 79219 Staufen, Letzte Aktualisierung 18.09. 2015