Bei Pablo Picassos Bild "Guernica" fällt auf, dass Außen- und Innenraum fließend ineinander übergehen bzw. dass nicht genau zu erkennen ist, was außen und was innen ist.

Die Figuren, die das Bild bevölkern, Menschen wie Tiere, bewegen sich in äußerster Panik, scheinen den Rahmen sprengen und aus dem Format ausbrechen zu wollen. Die nackte Glühbirne an der Decke und die Petroleumlampe, die eine Frau mit ausgestrecktem Arm in den Raum hält, wollen das Geschehen bis in den hintersten Winkel erleuchten: das getroffen wiehernde Pferd, den Stier, der, obwohl beide seiner Augen zu sehen sind, doch im Profil dargestellt ist, die zu Schreien geöffneten Münder und die weit aufgerissenen Augen der - fast sämtlich nackten - Menschen.

Eine am Boden liegende Hand hält ein zerbrochenes Schwert und gleichzeitig, als könne sie sich nicht davon trennen, eine Blume.

Alle schreien zum Himmel; von dort kommt die Gewalt, die das Chaos des Bildes bewirkt und der sie so machtlos ausgeliefert sind. Aber es ist keine Spur von einem der Täter zu sehen; auch keine Brandbombe, kein Kampfflugzeug, kein faschistisches Zeichen der Deutschen. Allein die Opfer sind gegenwärtig, und ihr stummes Geschrei ist eindeutig anklagend genug.

Nur der Stier steht gleichmütig und reglos mitten im Tumult; und weil er alles ohne mit der Wimper zu zucken über sich ergehen lässt, verstärkt er die Wirkung des Chaos auf den Betrachter noch. Außer der Hilflosigkeit der von der Katastrophe völlig überraschten Menschen und Tiere - deutlich sichtbar am ziellosen Hin- und Herrennen der Menschen und Tiere und an den ausgestreckten zum Himmel erhobenen Armen der Frau, die den rechten Bildrand begrenzt - drückt das Bild ausschließlich abgrundtiefes Entsetzen und Abscheu über dieses grauenhafte geschehen aus.   (Ulli)

 

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