Stockholm 1912
Ein Jahr nach der Uraufführung der "Ratten" hat das schwedische Nobel-Komitee den
Literatur-Nobelpreis an den deutschen Dramatiker Gerhart Hauptmann verliehen.
Der selbstbewusste Dichter, von dem man weiß, wie sehr er
den Ruhm liebt, genoss es sichtlich, ganz oben auf dem Olymp angekommen zu sein. Auch hier
beherrscht er die Szene mit seinem charismatischen Temperament. Ihm scheint dort die Luft
keineswegs dünn zu sein. Hauptmann, ganz hoch oben - und dennoch nie im Elfenbeiturm! Den
Kontakt zum Volk hat er nie verloren. Noch nie gab es einen deutschen Dichter, der gerade
in den unteren Klassen so breite Sympathie genoss. Hat er doch dem Proletariat und den
Randfiguren der wilhelminischen Gesellschaft zwar keinen Platz an der Sonne geschaffen, so
aber doch die Bühne für sie erobert; ganz zum Ärger des traditionellen
Bildungsbürgertums, das in fast jedem Stück des Dramatikers die Maske der Verlogenheit
und Lebenslüge vom Gesicht gerissen bekommt.
Der Grandseigneur der deutschen Literatur, der mit seiner
jüngsten Tragikomödie wieder an den Stil des Naturalismus anknüpft, goutierte es
sichtlich, den hochdotierten Preis aus der Hand des schwedischen Königs entgegenzunehmen.
Ob er dabei süffisant daran gedacht hat, dass der deutsche Kaiser Wilhelm II seine Loge
nach der Aufführung der "Weber" gekündigt hatte?