Klassenarbeit: "Tell in der hohlen Gasse"

Literarischer Aufsatz: Friedrich Schiller: Wilhelm Tell

 
Thema 3.: Tell in der hohlen Gasse; IV, 3

Aufgabenstellung:

Füge mindestens zwei Zitate ein!

Nach dem Wendepunkt (der Peripetie) des gesamten Stückes, III.3, ist dies eine weitere wichtige Szene. Tell wird nach dem Apfelschuss von Gessler verhaftet. Gessler will Tell nach Küssnacht bringen, um ihn dort einzukerkern. Küssnacht ist außer Landes (d.h. nicht in Uri), und der schnellste Weg dorthin führt über den Vierwaldstättersee. Allerdings lässt Schiller den See erneut mit dem Schicksal der Menschen spielen. Wie schon in I.1 peitscht der See hoch, die hohen Wellen sind Folge eines heftigen Gewitters. Tell liegt gefesselt im Schiff, "wehrlos, ein aufgegebner Mann" (2220), wie er selbst später sagt. Das Schiff ist dem See hilflos ausgeliefert. Eine Wendung bringt ein Diener des Vogtes. Er überredet Gessler, Tell das Schiff steuern zu lassen. Tell macht seine Sache gut; an einer Felsplatte aber gelingt ihm die Flucht. Er ist "gerettet aus des Sturms Gewalt und aus der schlimmeren der Menschen." (2270ff) Doch Tell hat eine Rechnung mit Gessler offen.


Er musste auf seinen Sohn schießen, gegen die Natur handeln, und, als er das Schiff steuerte, Gessler helfen. Tell will Rache. Er weiß, dass es außer der hohlen Gasse keinen Weg nach Küssnacht gibt. Tell geht davon aus, dass Gessler heil aus den tosenden Wassern herauskommt und den Weg zulande fortsetzen wird. Er lässt sich von Jenni, dem Fischersohn, nach Küssnacht führen. Noch in der hohlen Gasse sucht er sich hinter einem Holunderstrauch ein Versteck und rechtfertigt im Stillen seine Tat.

Ohne Frage hat Tell seine Gründe. Gessler hat ihn aus seinem Frieden geschreckt und "in gärend Drachengift hast du die Milch der frommen Denkart mir verwandelt." (2573ff) Nicht nur, dass sich Tell als Beschützer der Kinder, Frauen und Wehrlosen sieht, er ist bereit, ihre "holde Unschuld" (2633) zu verteidigen und jedem anderen Vater das zu ersparen, was er tun musste. Denn auf das eigene Kind anlegen zu müssen - eine solche Szene wie den Apfelschuss - hätte sich der Kaiser selbst nicht erlaubt. Gessler hat also so gehandelt, als hätte er mehr Macht als der Kaiser! Der Kaiser sandte Gessler in die Schweiz, "um Recht zu sprechen -strenges, denn er zürnet- doch nicht, um mit mörderischer Lust dich jedes Gräuels straflos zu erfrechen." (2594ff) Besonders mit dem 'straflos' ist Tell nicht einverstanden. Und "wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte, der kann auch treffen in das Herz des Feindes." (2574ff) Mit dem Apfelschuss zwang Gessler Tell, gegen die Natur zu handeln - gegen die Natur und jede Würde. Tell war zu diesem Zeitpunkt derart verletzt, dass er Rache geschworen hat- tödliche Beleidigungen sind nun einmal tödlich. Und auch wenn Tell unbesonnen ist, so wird er sein Wort nicht brechen. Zwar hat er nur vor sich selbst und Gott geschworen - spricht er doch von heiliger Schuld -, doch er wird sein Wort, egal ob gedacht, gebetet oder gesprochen, um jeden Preis halten. Gessler scheint dies geahnt zu haben, allerdings ist er jetzt nirgendwo mehr sicher. Tell ist bereit, zu töten. Er selbst bezeichnet es zwar nur als "gerechte Notwehr eines Vaters"(3177), doch das wird Gessler auch nicht helfen.

Gesslers Tod ist eine ungeplante Revolution. Die Rütli-Schwörer betrachten den Fall des Tyrannen allerdings als Signal, die auf Ostern geplante Landbefreiung vorzuziehen. Tells Tat ist Auslöser für die Erstürmung der Burgen. Durch Tell ist der Tyrann tot, der "Tag der Freiheit ist erschienen." (2857) Die Burgen werden in ihren Grundmauern erschüttert und im Flammenmeer verbrennen die letzten Überbleibsel. Als letztes fällt Zwing Uri nach Schloss Sarnen und Rossberg. Selbst vor einem Rückschlag des Kaisers brauchen sich die nun freien Schweizer nicht zu fürchten. Rösselmann und Stauffacher bringen die Nachricht eines weiteren, zwar grauenvollen, aber für die Schweizer durchaus günstigen Mordes. "Der Kaiser ist ermordet." (2944) Dieser Mord schneidet im Vergleich zu Tells Tat schlecht ab. Johann von Schwaben, der Neffe des Kaisers, hat den Herrscher aus Gier nach Land, Besitztum und Macht erschlagen. Da er kein ausschlaggebendes Motiv hat, ist dieser Mord für ihn nichts als eine wilde Wahnsinnstat. Die Schweizer aber "brechen mit der reinen Hand des blut'gen Frevels segenvolle Frucht" (3017ff). Der Freiheit größter Feind ist gefallen, und unter dem voraussichtlich neuen Kaiser, Graf von Luxemburg, können die Schweizer auf Gerechtigkeit hoffen.

© 2004-2020 Michael Seeger, Faust-Gymnasium Staufen, Letzte Aktualisierung 30.08.2020  mail an organisator