Seminarkurs 2000/01 
"Dolly und die Folgen"
Eine Begegnung von Natur- und Geisteswissenschaft
in Fragen der Humangenetik
 
Team
 
 
Untersuchung der Berichterstattung über die Gentechnik
 
 
INHALT
 
I        Vorwort
II       Naturwissenschaftliche Grundlagen
1.                 Was sind Gene?
2.                 Was ist Gentechnik/Gentechnologie?
3.                 Wie sind Gen- und Biotechnik miteinander in Verbindung zu bringen?
4.                 Chronologie der Entwicklung der Gentechnik und ihrer Grundlage, der Genetik  
III      Auswahl der Artikel 
IV     Kriterien zur Textanalyse  
V      Textanalyse
1.                 ZEIT-Artikel
2.                 BILD-Artikel
3.                 SPIEGEL-Artikel  
VI     Vergleich
VII    Schlusswort  
VIII   Literaturliste
VIII   Anhang: Die Zeitungsartikel
 
 
 
I VORWORT
 
Auf folgenden Seiten werde ich mich mit der Berichterstattung über Gentechnik und gentechnische Verfahren auseinandersetzen.
Da die Zukunft dieser Innovationen wohl maßgeblich von der öffentlichen Meinung, welche hauptsächlich durch die Medien geprägt wird, abhängt, bin ich der Ansicht, dass die Betrachtung dieser zur Auseinandersetzung mit der Gentechnik unabdingbar ist.
Ich werde mich bei dieser Untersuchung ausschließlich mit der Rolle der Printmedien beschäftigen. Hierzu habe ich drei weitgehend unterschiedliche Artikel ausgewählt.
Je ein Artikel des Magazins „Spiegel“, der Wochenzeitung „Zeit“ und der Tageszeitung „Bild“ werden hier einer Textanalyse unterzogen. Maßgebliche Fragen bei der Arbeit mit diesen Texten sind, was Sprache schaffen kann, mit welcher Argumentationsweise verfahren wurde und ob die Artikel wissenschaftliche korrekt sind.
Das vorliegende Ergebnis der Analyse und der anschließende Vergleich sind der Versuch auf diese komplexen Fragen eine Antwort zu geben.
 
 
 
II NATURWISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN
 
VORAB:
 
Zum Verständnis der nachfolgenden Artikel ist es von Nöten über die Grundlagen dieser medizinischen Innovation unterrichtet zu sein.
Aus diesem Grunde möchte ich hier die grundlegenden Begrifflichkeiten definieren, nicht zuletzt, weil diese häufig sehr undifferenziert verwendet oder „in einen Topf geworfen“ werden.
Bitte zu beachten und zu berücksichtigen, dass diese naturwissenschaftlichen Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, somit sollte der Leser diesen bestenfalls auch verwerfen.
 
1. Was sind Gene?
 
2. Was ist Gentechnik/Gentechnologie?
 
3. Wie sind Gen- und Biotechnik miteinander in Verbindung zu bringen?
 
4. Chronologie der Entwicklung der Gentechnik und ihrer Grundlagen, derGenetik.
 
 
1.      Was sind Gene?
 
Gene sind Teile der Erbinformation, somit der Bauplan zur Herstellung eines Proteins.
Sie sind die Erbanlagen, die in jeder Zelle eines lebenden Organismus enthalten sind.
Die Ausbildung der Merkmale vollzieht sich in Wechselwirkung zwischen den Anlagen und den von außen einwirkenden Faktoren, durch Modifikation hervorgerufen. Hierunter ver-
steht man eine nicht erbliche, durch bestimmte Umweltbedingungen entstandene Abänderung eines Merkmals im Phänotyp. Diese Anpassung an die Umwelt ist für die Organismen lebens-notwendig.
Die Mehrzahl der Gene ist in den Chromosomen des Zellkerns lokalisiert. Sie sind durch die Folge der Bausteine der Nucleinsäuren verschlüsselt, die identisch reproduziert werden kann und die Aminosäurenfolge in einem Polypeptid enthält. Die wissenschaftliche Bezeichnung für die langen Doppelhelix der Erbsubstanz lautet „Desoxyribonucleinsäure“ (DNA).
Der vollständige Satz von Genen, der die gesamte genetische Information eines Organismus umfasst, wird als Genom bezeichnet. Das menschliche Genom findet sich auf 23 verschiedenen Chromosomen.
Gene können durch Mutation verändert werden.
 
 
2.      Was ist Gentechnik/Gentechnologie?
 
Als Gentechnik bezeichnet man alle Methoden, welche sich mit der Isolierung, Charakterisierung, Vermehrung und Neokombination von Genen beschäftigen. Dies kann auch über Artgrenzen hinweg geschehen.
Im Allgemeinen bezeichnet man die Isolierung eines Gens aus einem Organismus und seine Vermehrung in einem anderen als Gentechnik.
Gentechnik bedeutet also die gezielte Manipulation des genetischen Materials. Häufig werden biotechnische und genetische Verfahren mit Gentechnik in Verbindung gebracht, obwohl diese im eigentlichen Sinn nicht in den Bereich der Gentechik einzukategorisieren sind.
Somit sind folgende medizinische Bereiche aus der Gentechnik auszugrenzen:
-         Insemination (künstliche Befruchtung)
-         Embryonentransfer und
-         Klonierung (identische Vervielfältigung von Zellen und Organismen).
Die Wissenschaft von der Gentechnik ist die Gentechnologie.
 
 
3.      Gen- und Biotechnik
 
Gen- und Biotechnik werden oftmals gleichgesetzt, doch meinen die Begriffe längst nicht dasselbe. Biotechnik soll den Stoffwechsel, die biologischen Fähigkeiten zumeist einfacher Lebewesen technisch ausnutzen. Auf diese Weise werden schon seit Jahrtausenden Substanzen in Bakterien und Hefen hergestellt. Einfache Beispiele sind die Gärung von Bier oder die Verwendung von Backhefen. Gentechnik ist der Biotechnik vorgelagert:
War die Biotechnik bislang auf die natürlichen Eigenschaften von Organismen angewiesen, so eröffnet die Gentechnik ihr neue Wege. Gentechnisch veränderte Bakterien können bakterienfremde Eiweiße, wie z.B. das menschliche Hormon Insulin produzieren. Die Gentechnik kreiert also Lebewesen mit neuen Eigenschaften, die dann biotechnisch ausgemacht werden können. So ist die Gentechnik der jüngste Zweig der Biotechnologie.
 
 
4.      Chronologie der Entwicklung der Gentechnik und ihrer Grundlagen, der Genetik
 
8000 v. Chr.
Sumerer und Babylonier stellen Bier her. Durch die Auslese züchten sie Nutzpflanzen und Tiere, um ihren Nahrungsbedarf zu decken.
 
6000 v.Chr.
Die Ägypter verwenden Mikroorganismen um Nahrungsmittel wie Wein, Käse und Brot herzustellen. Die Vorgänge dahinter verstehen sie aber noch nicht.
 
353 v. Chr.
Platon stellt Überlegungen an, weshalb gewisse äußerliche Merkmale von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden können.
 
1665
Bei der Betrachtung eines Korkzapfens mit einem Vergrößerungsglases stellt Hook fest, dass dieser aus einzelnen Zellen besteht.
 
1680
Die Brüder Jansen konstruieren in Holland das erste Mikroskop. Diese Erfindung machte es erst möglich, Mikroorganismen zu untersuchen.
 
1750
Kreuzungs- und variationsstatistische Untersuchungen an Tieren und Pflanzen
 
1860
Pasteur entwickelte die erste Impfung. Kurz darauf gelingt es ihm zu beweisen, dass der Prozess der Gärung durch Mikroorganismen zustande kommt.
 
1865
Mendel formuliert seine Vererbungsgesetze, die Grundlage der klassischen Gentechnik.
 
1869
Miescher entdeckt Nukleinsäuren in den Zellkernen von Leukozyten (weiße Blutkörperchen).
 
1875
Hertwig erkennt, dass der Zellkern Träger des Erbgutes ist.
 
1883
Roux und Weismann vermuten in Chromosomen Träger der Vererbung.
 
1902/1904
Sutton und Boverle stellen die Chromosomentheorie auf, diese macht Mendelschen Gesetze kausal verständlich.
 
 
 
1944
Avery, Mac Leod und McCarty zeigen, dass die Desoxyribonukleinsäure Erbinformationen speichert.
 
1953
Watson und Crick erkennen Doppelhelixstruktur der DNA.
 
1961
Nirenberg und Ochoa entschlüsseln die Transkription.
 
1971
Arber, Smith und Nathans (Schweiz/USA) entdecken die Restriktionsenzyme, wichtige Instumente der Gentechnik, erhalten 78 Nobelpreis.
 
1972
Berg gelingt die Übertragung eines Bakteriensgens in ein Virus.
 
1978
Goodman, Rutter, Gilbert u.a. gelingt die Synthese von Ratten-Insulin in Bakterien (Insulin: Hormon, das für Zuckerhaushalt zuständig ist, Diabetikern fehlt es, wird heute größtenteils gentechnisch hergestellt).
 
Ab 1979
Neue Erkenntnisse in der Tumorgenetik (Bishop, Weinberg, Wigler, Barbacid u.a.)
 
Ab 1982
Methoden zur Genübertragung in tierischen Organismen mit Hilfe von Retroviren (Palmiter, Brinster u.a.) seitdem zahlreiche neue Entdeckungen
 
 
III AUSWAHL DER ARTIKEL
 
Die Auswahl der Artikel wurde nach folgenden Kriterien getroffen:
 
1.      Alle Artikel sollen sich mit der am Menschen anzuwendenden Gentechnik beschäftigen.
 
2.      Die Zeitungen/Zeitschriften, aus denen die Artikel entnommen werden, sollen möglichst unterschiedlich sein, d.h. bei der Auswahl muss Folgendes beachtet werden:
 
· Welche Leserschaft wird bei der vorliegenden Zeitung/Zeitschrift erwartet?
· Welche politischen Ansichten vertritt die Zeitung/Zeitschrift für gewöhnlich?
 
 
 
IV KRITERIEN ZUR TEXTANALYSE
 
Bei der Analyse eines Textes sollen folgende Kriterien beachtet werden:
 
  1. Zu welchem Zeitpunkt wurde der Text publiziert?
Wie weit ist die Forschung hier schon fortgeschritten? (Falls für den Inhalt des Textes relevant)
 
  1. Mit welcher Problematik befasst sich der Autor?
Um was geht es in dem Text?
 
  1. Aus welchem Grund wurde gerade dieser Titel von dem Autor gewählt?
 
  1. Stellt der Autor eigene Thesen auf oder gibt er die Thesen anderer wieder?
Welche Thesen sind das?
 
  1. Welche Argumente liegen vor?
Wie wird argumentiert?
 
  1. Wurde gut wurde recherchiert?
Sind die angefügten wissenschaftlichen Informationen korrekt?
 
  1. Sind aus dem Text Quellen, die der Autor gebraucht hat, ersichtlich?
Werden beispielsweise Experten herangezogen und zitiert?
 
  1. Mit welchen sprachlichen Mitteln (z.B. Schlagwörter) wird gearbeitet?
 
9. Wie ist es um die Glaubwürdigkeit des Textes bestellt?
      Macht der Text einen seriösen Eindruck?
   Wie ist mein eigener Eindruck?
  1.  
    Welches Ziel strebt der Autor dieses Textes an?
Was sind die Beweggründe des Autors oder der Zeitung/Zeitschrift für die Veröffentlichung dieses Textes?
 
 
 
IV TEXTANALYSE
 
 
1.      ZEIT-Artikel
Erschienen in der Ausgabe 12/2001 in „DIE ZEIT“
 
AUTOR:          Ulrich Bahnsen
 
TITEL:   Der Wahn des Doktor Antinori (Text)
Forscher wollen Menschen klonen. Dabei ignorieren sie ethische Bedenken und biologische Risiken.           
 
Im vorliegenden Artikel wird über eine umstrittene Forschergruppe unter der Leitung des Reproduktionsmediziners Severino Antinori und über das Projekt, das diese geplant haben, berichtet.
Severino Antinori und zwei seiner Gehilfen (der amerikanische Arzt Panayiotis Zavos und der israelische Wissenschaftler Avi Ben-Abraham) kündigten zu Beginn des Jahres die baldige Klonierung eines Babys an. Mit dieser Ankündigung lockten sie eine Vielzahl von Journalisten aus der ganzen Welt nach Rom. Hier sollte am 9. März 2001 beim Workshop Human Therapeutic Cloning Genaueres bekannt gegeben werden.
Nach einer erläuternden Einleitung setzt sich Ulrich Bahnsen, der ebenfalls an diesem Workshop teilgenommen zu haben scheint, mit der dortigen Begegnung mit der Forschergruppe auseinander.
Schon im 2. Abschnitt des Artikels schreibt Bahnsen, die Forscher seien eher als „Gruselkabinett“, denn als Pioniergruppe zu bezeichnen und noch nicht einmal am Ende angekommen, muss der Leser dem überzeugenden Artikel Recht geben.
Vor allem die dubiose Vergangenheit Antinoris und Co.s ruft Kopfschütteln hervor. Beispielsweise hat Antinori „einer Frau von immerhin 62 Jahren zu einem Kind“ verholfen. Auch Karl Illmensee, der „seit Jahren des Forschungsbetrugs bezichtigt wird“ gibt kein besseres Bild ab.
So lässt die seriös wirkende Vergangenheits-Recherche von Ulrich Bahnsen die Forscher zunehmend unseriöser erscheinen.
Auch die Zitate, welche der Autor anführt, werfen ein schlechtes Licht auf die selbsternannten Menschenrechtspioniere („Menschenrecht auf ein Kind“). Hier erweisen sie sich nicht nur im ethisch-moralischen, sondern auch im wissenschaftlichen Bereich als inkompetent.
„Ein Klon ist der eineiige Zwilling seines Vaters, bloß wird er 40 Jahre später geboren.
Was ist daran falsch?“ fragt Zavos. Hierauf folgt auch sogleich Bahnsens Antwort: „Fast alles. Vor allem wissenschaftlich betrachtet. Zwar sind auch eineiige Zwillinge Klone, doch sie entstehen durch die regelrechte Vereinigung von Spermien und Eizelle. Erst danach, auf dem Weg zur Gebärmutter, zerfällt der Embryo in zwei Teile. Das hat wenig mit dem Vorhaben der Klonallianz zu tun: Geht es nach ihnen, so wird ein Kern einer erwachsenen Körperzelle in eine Eihülle übertragen. Unter dem Einfluss unbekannter Faktoren soll sich der erwachsene Zellkern dann in einen embryonalen Kern verwandeln und die Entwicklung eines Embryos, dann eines Fötus und schließlich eines Kindes in Gang bringen.“
Hier entsteht bei dem Leser der Eindruck, der Journalist kenne sich besser mit den wissenschaftlichen Verfahren aus, als dies bei dem eigentlichen Wissenschaftler der Fall ist. Des weiteren zeigt der Autor sein Wissen auf dem Feld der Dolly-Methode.
Dieses Verfahren, das den Durchbruch der Gentechnik vor allem auch in der Öffentlichkeit bedeutet und die damit verbundenen Komplikationen, werden ein paar Zeilen darauf erläutert.
So schafft Ulrich Bahnsen nicht zuletzt durch sein Expertenwissen und seine gute Recherche Glaubwürdigkeit, die ihm auch zugestanden werden muss. Denn die Gentechnik          ist nicht so einfach und machbar wie manche andere Artikel oder manche Forscher glauben machen wollen.
Dieser Gedanke leitet wohl auch Bahnsen, wenn er sich in ironischem Tonfall („Der alte Herr – Richard Seed - fehlte keineswegs, stakste kurz nach Beginn der Pressekonferenz steifbeinig vor und krähte: ‚Ich werde meine Frau klonen und meine ganze Familie.’ bevor man ihm das Mirkofon entreißen konnte.“) über die Forscher, die von ihrem kommenden Erfolg überzeugt zu sein scheinen, lustig zu machen scheint. Diese Haltung gegenüber den Forschern, insbesondere Antinori, ist auch im Titel des Artikels („Der Wahn des Doktor Antinori“) wiederzufinden. Glücklicherweise zieht der Autor auch sich realistisch äußernde Forscher, wie z.B. Rudolf Janisch, zu Rate, sonst könnte sich eine Forschungsverdrossenheit ganz schnell der Politikverdrossenheit anschließen.
Auch, wenn in diesem Artikel nicht von Menschenzüchtern Frankensteins oder anderen apokalyptisch klingenden Visionen die Rede ist, bezieht der Journalist eindeutig Stellung gegen das Klonen von Menschen. So zeigt der Artikel, dass es möglich ist, sich auch mit Stil und guter Recherche überzeugend gegen die Gentechnik auszusprechen und dass es hierzu keiner Schreckensvisionen bedarf.
Was der Artikel nicht zu beantworten vermag, ist die Frage, wie erfolgreich die Forschergruppe trotz ihres schlechten Rufs sein wird. Bleibt nur abzuwarten – bis zur nächsten Meldung über Antinori & Co.
 
 
2.      BILD –Artikel  (Text)
 
Erschienen am 20.06.1999 in der BILD-ZEITUNG 
AUTOREN : Thorsten Dargatz und Ullrich Voigt
 
TITEL:       Unheimlich!
                  Klon-Professor baut erste Babyfabrik –
Für 380.000 Mark will er Embryos herstellen
 
In dem vorliegenden Artikel wird über Forschungsergebnisse und –vorhaben der Firma Advances Cell Technology (ACT) berichtet. Hierzu ziehen die Autoren auch mehrere Zukunftsprognosen erstellende Forscher und Experten heran. Im Anhang des Artikels wird schließlich das Klonierungs-Verfahren erläutert. Ganz im Stil der Bild-Zeitung ist der Artikel sprachlich etwas einfacher gehalten, was auch schon auf die Leserschaft der Zeitung hinweist. Der Artikel vermittelt den Eindruck einer unmittelbaren Bedrohung der Menschheit durch die Gentechnik. Er macht glauben, es wäre schon heute möglich Menschen zu züchten und dies würde höchstwahrscheinlich auch schon irgendwo auf der Welt vonstatten gehen.So wird z.B. „Professor Hans Günter Gassen (61), Biochemiker und Gentechnik-Experte an der Universität Darmstadt“ zitiert: “Uns droht tatsächlich die Menschenzüchtung.“ Mindestens genauso selbstsicher zeigt sich „Professor Horst Badehaus (58), Mikrobiologe und Gentechniker an der Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig“ in nachfolgenden Zitat: „Technisch sind wir schon heute in der Lage einen Menschen zu klonen. Es gibt bestimmte Institute auf der Welt, in denen solche Klon-Versuche schon stattfinden.“ Hier fragt sich der Leser natürlich, weshalb sich Herr Badehaus so unbestimmt über „bestimmte Institute“ äußert, wo „auf der Welt“ dies schon stattfinden soll und welche Klonversuche denn von ihm gemeint sind. Doch die Antwort auf diese Fragen bleiben uns bis zum Ende des Artikels verwehrt. Belege, die diese wissenschaftlichen Thesen, die       die Autoren von den herangezogenen Forschern übernehmen, untermauern könnten, sind nicht vorhanden. Für einen Artikel, welcher über die Gentechnik Bericht erstatten, also wissenschaftlich informieren soll, ist dieser in einer sehr emotionsgeladenen Sprache verfasst. Dies ist auch daran zu erkennen, dass hier Informationen und Wertung nicht getrennt behandelt werden. Beispiel: „Die ACT-Forscher mussten ihren schaurigen Menschenversuch, der erst jetzt öffentlich gemacht wurde, abbrechen. “Die Information in oben stehendem Satz ist schlicht und einfach, dass die ACT-Forscher ihr Experiment abbrechen mussten. Doch gleichzeitig mit der Information wird schon die Wertung vorgenommen: „schauriger Menschenversuch“. So ist die Information für den Leser automatisch negativ behaftet, wenn er sie sich ein anderes Mal wieder daran erinnert. Nicht nur, dass Dargatz und Voigt eindeutig Position gegen die Gentechnik beziehen, indem sie vom „Klon-Professor“, der die „erste Babyfabrik“ bauen möchte, sprechen. Es scheint hier auch wohlwissentlich „Babyfabrik“ anstatt Menschenfabrik geschrieben worden zu sein, da dies das Bild eines wehrlosen Babys, mit dem bösartige Forscher herumexperimentieren, entstehen lässt. Des weiteren wird von wird von „derart künstlich hergestelltem Leben“ gesprochen. Auf diese Weise ist die Sprache und Wortwahl der Redakteure äußerst negativ besetzt. Die totale Apokalypse scheint kurz bevor zustehen. Hier werden Schreckens-Utopien heraufbeschworen. Als Utopien darf man sich erlauben die Thesen der Herrn Dargatz und Voigt zu bezeichnen, da sie keinerlei handfeste Nachweise für ihre Thesen in dem Artikel mit einfließen lassen. Außerdem unglaubwürdig auf den Artikel wirkt sich aus, dass die weitgehend unrealistischen Vorstellungen einiger Forscher wie beispielsweise die des „Genetikersund Physikers Professor Richard Seed (70) aus Chicago“, eine Fabrik zu eröffnen, in welcher Babys professionell geklont werden, als feste Vorhaben ausgelegt werden. Einmal ganz davon abgesehen, dass Nachrichten über Herrn Seed bei einer Vielzahl von Journalisten nur noch ein mattes Lächeln auf den Lippen entstehen lassen, da dieser Mann mittlerweile für seine Spinnereien bekannt geworden ist und selbst Gentechnik-Forscher, also Personen aus dem gleichen Lager, nicht mit ihm in Verbindung gebracht zu werden wünschen. Der Artikel ist also reine Panikmache, es wird von „derart unkontrollierter Gentechnik“ gesprochen; die juristischen Grenzen, die noch in vielen Ländern bestehen, werden gar nicht erst erwähnt. Auch formulieren Dargatz und Voigt keine wirklichen ethischen Bedenken, sondern verrennen sich nur in Übertreibungen. Der Artikel, der also vor der Gentechnik warnen soll, kann aber ganz schnell in die gegenteilige Propaganda umschlagen. Da die Gefahr besteht, dass der Leser diese ganzen Überzogenheiten und mit ihnen zusammen auch seriöse Artikel, die sich gegen die Gentechnik richten, in einen Topf werfen und als Quatsch abtun könnte. So ist fraglich, was die Bild-Zeitung mit dieser Art von Berichterstattung bezweckt. Höchstwahrscheinlich soll einfach die Meinung des Volkes, das größtenteils noch skeptisch ist, eingefangen und damit Leserschaft gewonnen werden.
 
 
3.   SPIEGEL – Artikel (Text)
 
Erschienen in der Ausgabe 3/2001 im Spiegel
AUTOR: Jörg Blech
TITEL: Magischer Moment – Forscher haben den ersten gentechnisch manipulierten Affen erschaffen –Probelauf für den Menschen nach Maß?
 
In dem hier vorliegenden Artikel wird von der Erschaffung des ersten gentechnisch manipulierten Affen berichtet. Der Primatenforscher und Frauenarzt Gerald Schatten nennt seinen, im amerikanischen Bundesstaat Oregon zur Welt gekommen, Zögling ANDI, dessen Name rückwärts gelesen „inserted D N A“ (eingefügte DNA) bedeutet“. Blech zitiert in seinem Artikel den jubelnden Schatten („Das ist ein magischer Moment“ –  daher auch die Überschrift) und lässt auch andere Forscher, wie z.B. Franz-Josef Kaup  vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen, zu Wort kommen. Dieser (Kaup) schwelgt auch sogleich in Zukunftsprognosen und behauptet: „Man kann so etwas von der Technik her mühelos auch beim Menschen machen.“ Auch Jörg Blech scheint der Ansicht zu sein, dass es vom Affen zum Menschen jetzt nur noch „ein kleiner Schritt“ ist. So schließt er daraus, dass „die bisher entdeckten Gene von Rhesusaffen und Menschen zu 95 Prozent identisch“ sind, dass sich „Hirnleiden wie Alzheimer und Parkinson deshalb in genmanipulierten Rhesusaffen trefflich simulieren“ ließen. Doch wie mühelos ist die Gentechnik wirklich beim Menschen anzuwenden? Und wieviel Prozent Übereinstimmung der gesamten Gene sind bei Rhesusaffe und Mensch zu finden, wenn von den bisher entdeckten Genen 95 Prozent identisch sind? Ähnliche Prophezeiungen wie schon von Franz-Josef Kaup werden auch von Paul Serhal, Reproduktionsmediziener am University College Hospital in London, ausgesprochen. Doch Serhal prophezeit nicht nur was andere machen werden, er selbst ist bereit „ein gentechnisch verändertes Menschenbaby herzustellen“. Auch dem Erschaffer des genmanipulierten Affen wird das Wort erteilt. Der Primatenforscher scheint gentechnische Veränderungen am Menschen zu verurteilen, wollte er doch nur „ganze Horden gentechnisch veränderter Affen züchten, um an ihnen menschliche Krankheiten zu studieren“. Auch der Autor bezieht eindeutig Stellung gegen die gentechnische Veränderung von Embryonen. Dies wird schon zu Beginn des Artikels deutlich, wenn Blech schreibt, dass die Schreckensvision vom gentechnischveränderten Menschen erstmals als reale Möglichkeit erscheint“. Außer der Beschreibung des Verfahrens, mit welchem ANDI erschaffen wurde und zahlreicher Zukunftsprognosen des Autors und einiger zitierter Forscher, ist inhaltlich eigentlich nicht mehr zu finden. So verspricht die Alliteration „Magischer Moment“ mehr als der Artikel hergibt, aber dies liegt mit Sicherheit nicht zuletzt an der Kürze des Artikels.
 
 
VI  VERGLEICH
 
Die Medien werden häufig als 4. Gewalt bezeichnet, da man der Meinung ist, sie würden maßgeblich zur Meinungsbildung im deutschen Lande beitragen. Diese Annahme ist sicherlich nicht falsch und ebenso wenig ist sie von der Hand zu weisen.
Häufig wurde auch darüber spekuliert, wie frei die Presse wirklich sei, wenn schon die Politik diesen Anspruch nicht mehr zu erfüllen scheint. So kommen Vermutungen zustande, die die Abhängigkeit von marktwirtschaftlichen Unternehmen wähnen.
In Bezug auf die Gentechnik aber scheinen all diese Vorwürfe weder Hand noch Fuß zu haben. Alles deutet darauf hin, dass die Industrie wohl doch nicht den vermuteten Einfluss auf die Presse besitzt. Denn die Gentechnik erfreut sich in Deutschland nicht allzu großer Beliebtheit.
Der Optimist (und Gegner der Gentechnik) würde hinter dieser Tatsache die Aufgeklärtheit der Bevölkerung vermuten, doch hat sich diese allerdings noch nicht allzu oft gezeigt. So steht die Frage nach dem „Warum“ weiterhin unbeantwortet im Raum. Was mögen wohl die Beweggründe der Autoren und Zeitungen/Zeitschriften sein, so gut wie ausschließlich negativ über die Gentechnik zu berichten und dabei nicht zu beachten, dass dies der deutschen Forschungsindustrie und Wirtschaft maßgeblichen Schaden zufügt? Denn alle hier analysierten Artikel nehmen gegenüber der Gentechnik eine oppositionelle Haltung ein. Und es war für mich unmöglich, in zahlreichen Online-Archiven einen Artikel zu finden, der Positives über gentechnische Verfahren enthält.
Eine weitere Gemeinsamkeit des hier vorliegenden Artikels besteht darin, dass in allen dreien Experten oder zumindest selbsternannte Experten herangezogen werden. Auch diese Tatsache lässt sich auf weitgehend alle Berichterstattungen zu diesem brisanten Thema finden.
Denn mit Sicherheit steigt die Überzeugungskraft des Artikels, wenn Professoren oder Ärzte die Aussagen des Autors bestätigen. Dass diese dem Leser häufig aus dem Kontext gelöst präsentiert werden, fällt hier kaum jemandem auf. Natürlich ändert sich die Qualität der Zitate je nach dem, welche Zeitung/Zeitschrift man zu Hand nimmt. So auch die Qualität des gesamten Artikels.
Hier schneidet die Bild-Zeitung, auf den ersten Blick ersichtlich, am schlechtesten ab.
Wie allgemein bekannt, vermag „DIE ZEITUNG“ es, das Stimmungsbild der Öffentlichkeit einzufangen und dies bis ins Extreme zu schüren. Ebenso auch in der Berichterstattung über die neuste Sparte der Biotechnologie.
Der Leser bekommt hier das Gefühl vermittelt, der Welt stehe unmittelbar eine Apokalypse bevor, die denn heißt "„Menschenzüchtung", „Baby’s aus Fabriken“, „die Auferstehung des Frankenstein“ oder „Vergiftung des Essens durch Gen-Food“.
Einerseits beruhigend, dass sich die Bild-Zeitung so rigoros gegen die Gentechnik wendet, da ihr im gegenteiligen Fall wohl zu einem rasanten Durchbruch verholfen wäre. Andererseits kann diese unglaubwürdige Art von Berichterstattung womöglich bei einzelnen Personen auch dazu führen, jegliche seriöse Kritik mit der der Bild-Zeitung gleichzusetzen und als Panikmache abzutun.
Wobei bei Artikeln, wie dem hier vorliegenden der „Zeit“, davon nicht die Rede sein kann. Hier hat der Leser das Gefühl, einen gut recherchierten Artikel vorliegen zu haben, dem er auch Glaubwürdigkeit schenken kann. Schon durch die sprachliche Gestaltung des Zeit-Artikels wird Seriösität gewonnen.
Dies lässt sich auch auf den Spiegel-Artikel übertragen. Auf den ersten Blick wirkt der Artikel
informativ, seriös und glaubhaft. Wirft man nun aber einen Blick hinter die Fassade der Sprache, ist ein mehr schlecht als recht gebautes Gerüst aus Zukunftsprognosen, die scheinbar keiner Argumentation bedürfen und einer einfachen Berichterstattung über das in diesem Fall angewandte gentechnische Verfahren zu entdecken.
 
So ist erkennbar wie illusionsreich die Presse ist. Nicht nur inhaltliche Verfälschungen und Ungenauigkeiten sind zu entdecken, nein, der Artikel kann auch ein falsches Bild von sich selbst und der eigenen Qualität wiedergeben.
 
 
 
SCHLUSSWORT
 
Häufig wird uns von Genforschern versichert, dass sie einstweilen nur an ausgewählten Stellen in die embryonalen Gene einzugreifen gedenken. Und doch beschleicht einen der Gedanke:
Was, wenn auch hier der Fehlerteufel, getarnt als menschlicher Faktor, eintritt? So ist diese allzu häufig gehörte Äußerung nur wenig beruhigend. Vorerst geht es nur um die Optimierung harmloser Embryonen, an direkte Manipulation oder gar Züchtung mag im Augenblick niemand denken. Es nützt nichts, als apokalyptische Phantasie abzutun, was dereinst nüchterne Risikokalkulation sein wird. Natürlich kann noch nicht von einem Umlenken der Evolution gesprochen werden. Jedoch sitzt der Laie, der potentielle Nutzer der Gentechnologie, längst in der Falle. Verweigern hilft nichts, die Entscheidung haben ihm andere abgenommen, ihm bleibt nur, sich vertrauensvoll hinzugeben, wie immer, wenn Wissenschaft sich der intimsten Lebensbereiche bemächtigt.
Die Spezialisten experimentieren, die Spezialisten können sich irren, die Spezialisten werden es richten. Mehr denn je werden wir auf ihr Krisenmanagement angewiesen sein.
Man sagt uns, wir wüssten auf welchen Chromosomen die erblichen Krankheiten liegen. Mit anderen Worten: Die Speicherplätze für Farbenblindheit etwa, Alzheimer oder bestimmte Formen von Blutkrebs sind nunmehr dingfest gemacht. Man kann sie, wie Steckbriefe von Schwerverbrechern, jetzt an die Öffentlichkeit weitergeben. Demnächst also wird man den Symptomen zuvorkommen, ohne die furchtbare Wirkung erst abwarten zu müssen.
Mit solcherlei unanfechtbarer Argumentation panzert sich heute die Forschung.
So arbeitet man auf etwas hin, von dem man schon immer träumte: den perfektionierten Menschen.
 
 
 
Für die naturwissenschaftlichen Grundlagen gebrauchte Quellen:
www.genetic.diner.com
www.uni-heidelberg.de
www.zum.de
„Der kleine Rocher“
www.zum.de
 
 
Für die Textanalyse gebrauchte Quellen :
 
Online-Archive :
 
www.zeit.de
www.bild.de
www.spiegel.de
 
 
VIII Anhang: Die Zeitungsartikel
 
Der Wahn des Doktor Antinori
Forscher wollen Menschen klonen. Dabei ignorieren sie ethische Bedenken und biologische Risiken
Von Ulrich Bahnsen

Panayiotis Zavos wähnt sich in Gefahr. Doch der amerikanische Arzt griechischer Abstammung scheut das Risiko eines Attentats nicht. "Schauen Sie sich die Geschichte der amerikanischen Präsidenten an", meint er. "Ruhm hat seinen Preis. Das nehme ich auf mich." Ob das, was Doktor Zavos Minuten zuvor im ehrwürdigen Hörsaal der Policlinica Umberto I zu Rom verkündet hatte, ihn tatsächlich zu einem potenziellen Anschlagsopfer qualifiziert oder vielleicht doch eher zu einem Fall für einschlägige Paragrafen zur beschränkten Geschäftsfähigkeit, ist nur schwer zu entscheiden. Immerhin hatten Zavos, ein Reproduktionsmediziner aus Lexington, Kentucky, sein italienischer Kollege Severino Antinori und der israelische Wissenschaftler Avi Ben-Abraham das Kunststück fertig gebracht, die Weltpresse mit einer vagen Ankündigung nach Rom zu locken: Man werde binnen 18 Monaten das erste Baby klonen. Genaueres werde man beim Workshop Human Therapeutic Cloning am 9. März bekannt geben. Selbst japanische und australische Sender schickten daraufhin Kamerateams in die ewige Stadt.
Zu übertragen gab es indes kaum mehr als heiße Luft. Ziemlich schnell dämmerte der versammelten Reporterschar, dass hier weniger eine Pioniertruppe mit dem Zeug zu wissenschaftlichen Großtaten als vielmehr ein Gruselkabinett vor den Linsen der Kameras stand. Die Herren hatten wolkige Statements, aber kaum sachdienliche Hinweise zu bieten. "Dolly ist hier, die Klone sind da. Wer ist als Nächstes dran?", ruft Zavos die steilen Ränge des Hörsaals hinauf. Die Antwort liefert er gleich selbst: "Wir!" Auf den hinteren Reihen brandet Beifall auf. Da sitzt Antinoris Entourage, eine Riege weiß bekittelter Assistenzärztinnen. Ihr Chef - als hochbefähigter Fortpflanzungsmediziner ebenso gerühmt wie als Tüftler mit fragwürdigen ethischen Standards berüchtigt, seit er einer Frau von immerhin 62 Jahren zu einem Kind verhalf - hatte zuvor einige grundsätzliche Worte fallen lassen. Kinderlosigkeit sei eine Krankheit, das Klonen als Ultima Ratio des labortechnischen Schwängerns könne nicht länger tabu sein. "Geklonte Kinder sind auch einzigartig", meinte er, "und sie wachsen ebenso individuell heran."
Tatsächlich ist der Verdacht, das Wissen um die genetische Identität mit dem Vater werde schwere psychische Schäden bei geklonten Kindern hervorrufen, bisher nur Spekulation. Doch wie soll das erste Klonkind zum Beispiel später mit den Nachstellungen der Boulevardpresse umgehen - à la Klonjunge verliebt: Wird er Monster zeugen?. Das interessiert die künftigen Kloner wenig. Die Entscheidung zum Klonen sei eine Privatangelegenheit der Eltern, stellt Antinori fest, der Staat solle sich gefälligst heraushalten. Doch auch wer die ethische Fragwürdigkeit des Babyklonens mit dem "Menschenrecht auf ein Kind" wegwischen will, muss Fragen nach der Sicherheit des Verfahrens, nach der Gefahr für Leib und Leben von Mutter und Kind beantworten können. "Klone sind Klone, und die Natur klont auch." Mehr sagt Zavos nicht dazu, nur noch: "Ein Klon ist der eineiige Zwilling seines Vaters, bloß wird er 40 Jahre später geboren. Was ist daran falsch?"
Fast alles. Vor allem wissenschaftlich betrachtet. Zwar sind auch eineiige Zwillinge Klone, doch sie entstehen durch die regelgerechte Vereinigung von Spermium und Eizelle. Erst danach, auf dem Weg zur Gebärmutter, zerfällt der Embryo in zwei Teile. Das hat wenig mit dem Vorhaben der Klonallianz zu tun: Geht es nach ihnen, so wird ein Kern einer erwachsenen Körperzelle in eine Eihülle übertragen. Unter dem Einfluss unbekannter Faktoren soll sich der erwachsene Zellkern dann in einen embryonalen Kern verwandeln und die Entwicklung eines Embryos, dann eines Fötus und schließlich eines Kindes in Gang bringen. So was kann - siehe Dolly - funktionieren. Vor allem aber geht vieles schief. Ian Wilmuts Forscherriege im schottischen Roslin-Institut verbrauchte fast 300 Schafeizellen, um zunächst ganze 29 Retortenembryos herzustellen. Gerade einer überlebte bis zur Geburt - das war Dolly. Bis heute, bekennt Wilmut, selbst ein erbitterter Gegner des Menschenklonens, habe sich die Erfolgsrate der Technik kaum verbessern lassen.
Die Kloner ficht das nicht an. "Wilmut arbeitet nur mit Schafen", tönt Zavos. "Wir, und nicht Herr Wilmut, haben mehr als 20 Jahre Erfahrung mit menschlicher Reproduktion: Millionen von Embryotransfers, mindestens 200 000 Kinder wurden so geboren." Recht hat der Mann, nur hat auch das nichts mit Klonen zu tun. Die Leistung der bisherigen Reproduktionstechniken besteht genau genommen darin, der Befruchtung mehr oder weniger energisch im Reagenzglas nachzuhelfen und den Embryo dann in die Gebärmutter zu spülen. Immerhin, zur Frage, woher denn die vielen Eizellen kommen sollen, die bei der Klonerei verbraucht werden, haben die Herren eine Idee: Man werde den Bedarf reduzieren. Jeder Embryo, so lautet das Kalkül von Antinori und Zavos, werde im Achtzellstadium in einzelne Zellen zerlegt, dann soll aus jeder Embryozelle wieder ein ganzer Embryo wachsen. Der Plan erregt bei Experten eher Heiterkeit. "Das geht im Achtzellstadium kaum noch", sagt Davor Solter, Klonfachmann vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg. "Vielleicht gelingt es bei Vierzellern, aber wer glaubt, dass aus jeder dieser Zellen ein lebensfähiger Embryo heranwächst, hat sich gefährlich getäuscht."
Aber das sind alles nur Detailfragen, verglichen mit dieser: Wie man sich denn nun gegen Totgeburten oder Missbildungen wappnen wolle, fragt eine inzwischen deutlich missgelaunte Reporterin des US-Senders ABC. Die Herren haben erkennbar keine Ahnung. Avi Ben-Abraham bügelt weitere kritische Fragen ab: "Wir stehen mit dem Versuch auf einer soliden wissenschaftlichen und medizinischen Basis. Wir sind Experten, und wir sagen der Welt: Ihr seid in guten Händen."
Von 100 menschlichen Klonen wird vielleicht einer überleben
Die wahren Experten sehen das leider völlig anders. "Bei allen bisher geklonten Säugetieren hat es gravierende Probleme gegeben", sagt Rudolf Jaenisch. "Und warum", fragt der Klonpionier vom Whitehead Institute in Cambridge, USA, "sollte das beim Säuger Mensch anders sein?" Von 100 menschlichen Klonen werden die meisten bei einer spontanen Fehlgeburt infolge schwerer genetischer oder körperlicher Defekte sterben, lautet die Prognose. Die wenigen, die in der Gebärmutter anwachsen, werden stark vergrößerte Plazenten haben und unter Fettlebern leiden.
Vielleicht werden drei oder vier der Klone ihre Geburt überleben, doch auch sie würden von schweren Krankheiten oder Deformationen heimgesucht. Die Liste der klontypischen Geburtsfehler liest sich wenig ermutigend: Föten mit einem Gewicht von bis zu sieben Kilo und möglichen Schädeldeformationen lassen keine natürliche Geburt zu. Die Kaiserschnittkinder werden mit großer Wahrscheinlichkeit in den ersten Wochen an Herz- und Gefäßmissbildungen sterben, an unterentwickelten Lungen oder Immunschwäche. Und sollte doch einer der 100 Klone auf einer Intensivstation überleben, wird er zeitlebens als Klon zu erkennen sein: am überdimensionierten Nabel, Überbleibsel einer unerklärlich dicken Nabelschnur, die sich bei den meisten Klonschwangerschaften bildet.
Selbst der Versuch, trauernden Eltern einen toten Säugling zu ersetzen, sei daher als zynische Missetat zu werten, resümiert Dolly-Schöpfer Ian Wilmut (ZEIT Nr. 11/01) ergrimmt: "Das wahrscheinliche Ergebnis ist noch ein totes Kind." Die internationale Forschergemeinde verzichtete darauf, Antinoris Team mit dieser Tatsache zu konfrontieren. Kein ausgewiesener Experte mochte sich auf der Tagung blicken lassen. Niemand will in Verdacht geraten, mit Antinori und Co. zu sympathisieren. Im Gegenteil: Die Zunft fürchtet ihre Diskreditierung durch das Vorhaben. Endet der Klonversuch in einer Katastrophe, könnte das auch der Stammzellforschung und selbst der herkömmlichen Reproduktionsmedizin auf lange Zeit die Arbeit schwer machen. Entsprechend furios fallen die Reaktionen der Fachkollegen aus. "Schlicht gewissenlos" nennt etwa der Lübecker Reproduktionsmediziner Klaus Diedrich die Pläne Antinoris.
Hinzu kommt: Nicht nur ihr Vorhaben, auch die Klontruppe selbst erscheint reichlich dubios. So gab sich etwa Zavos als Mitglied der amerikanischen Fachgesellschaft für Reproduktionsmedizin aus - was diese nachdrücklich bestreitet. Seine Fertilitätsklinik in Lexington beteiligt sich nicht an dem freiwilligen Qualitätssicherungsprogramm, dem die meisten US-Zeugungszentren angeschlossen sind.
"Ich werde meine Frau klonen und meine ganze Familie"
Über die Befähigung von Ben-Abraham zum Klongeschäft lässt sich nur angeben, dass er bereits mit 18 Jahren dem Arztberuf nachging. Und zu Karl Illmensee, der sich bei Antinoris Auftritt als wissenschaftlicher Berater präsentierte, muss gesagt werden, dass er seit Jahren des Forschungsbetrugs bezichtigt wird. Schon vor 1979 hatte Illmensee angeblich Mäuse geklont (siehe nebenstehende Chronik). Nur konnte niemand die vorgebliche Großtat mit seiner Methode wiederholen. Illmensee räumte darauf seinen Lehrstuhl an der Genfer Universität und soll so einem Rauswurf zuvorgekommen sein.
Ein echtes Dream-Team also. "A priori", höhnt der Klonexperte Davor Solter, "erwecken die ja nun nicht gerade viel Vertrauen - da fehlt nur noch Richard Seed." Seed, ein bis dato völlig unbekannter US-Forscher, hatte kurz nach der Geburt des Klonschafs Dolly Aufsehen erregt: Er werde mit dem Klonen von Menschen beginnen. Was Seed angeht, irrte Solter allerdings. Der alte Herr fehlte keineswegs, stakste kurz nach Beginn der Pressekonferenz steifbeinig vor und krähte: "Ich werde meine Frau klonen und meine ganze Familie", bevor man ihm das Mikrofon entreißen konnte. Selbst die Gruppe um Severino Antinori nimmt den Mann nicht ernst.
Bleibt die Frage, wie ernst Antinori und Co. zu nehmen sind: Allzu viel ließen die Herren im Dunkeln. Wer denn nun dem Team alles angehöre? "Kein Kommentar." Wer das Experiment bezahle? "Wir haben unbegrenzte Mittel zur Verfügung." Wo das Experiment stattfinden solle? "Geheim. Aus Sicherheitsgründen." Die bisherigen Kandidaten für die Durchführung der Klonpremiere jedenfalls winkten energisch ab: In Israel, Italien oder Zypern ist Antinori nicht willkommen. Und die italienische Ärztekammer drohte ihm mit drastischen Konsequenzen, sollte er sein Vorhaben wahr machen.
So wird Antinoris Crew vermutlich bereits am Widerstand von Standeskollegen, Staatsanwälten und Parlamenten scheitern, bevor die Biologie den Wahnwitz des Projekts enthüllt. Ein Klonverbot sei überflüssig, äußerte sich der Nobelpreisträger Jim Watson schon vor Jahren. Watsons Begründung: "Sollte es jemand versuchen, wird er sofort merken, dass das eine lausige Idee ist." Allerdings: Lässt Antinori nicht ab, könnte diese Erkenntnis mit Toten bezahlt werden. Kommt es schlimm, liegt neben dem Säugling auch die Mutter im Sarg.
(c) DIE ZEIT 12/2001




 
20.06.1999


Für 380.000 Mark will er Embryos herstellen
Von THORSTEN DARGATZ und ULLRICH VOIGT
Ein Mensch war der Zellhaufen noch nicht, den die Forscher im Labor der amerikanischen Firma Advanced Cell Technology (ACT) aus menschlichem Erbgut und einer zuvor entkernten Kuh-Eizelle gezüchtet hatten. Aber aus einem derart künstlich hergestellten Leben, das 14 Tage in dem Labor der Firma ACT im US-Bundesstaat Massachusetts in einer Nährflüssigkeit schwamm, hätte theoretisch einmal ein Baby werden können – ein sogenannter Klon, eine perfekte Kopie des menschlichen Zellspenders.


In einem komplizierten Verfahren wird die Erb-Information einer menschlichen Körperzelle in die Eizelle einer Kuh übertragen. Der daraus entstehende Embryo kann zum Klonen eines Babys benutzt werden. Das Vorgehen ist ähnlich wie bei der Befruchtung im Reagenzglas


Die ACT-Forscher mußten ihren schaurigen Menschenversuch, der erst jetzt öffentlich gemacht wurde, abbrechen. So schreibt es das amerikanische Recht vor. Aber er hat Millionen Menschen in Deutschland und der ganzen Welt schockiert. Alle bewegt die unheimliche Frage, ob wir tatsächlich irgendwann einmal Menschen nach unserem Vorbild vervielfältigen können.
„Möglich ist das“, sagt Professor Hans Günter Gassen (61), Biochemiker und Gentechnik-Experte an der Universität Darmstadt. „Uns droht tatsächlich die Menschenzüchtung.“ Noch deutlicher äußert sich Professor Horst Backhaus (58), Mikrobiologe und Genetiker an der Biologischen Bundesanstalt
in Braunschweig: „Technisch sind wir schon heute in der Lage, einen Menschen zu klonen. Es gibt bestimmt Institute auf der Welt, in denen solche Klon-Versuche schon stattfinden. Ethisch ist das allerdings äußerst bedenklich.“


Professor Richard Seed, Physiker und Genetiker aus Chicago, gibt es bislang nur im Spiegel doppelt. Er hat jetzt auf den Bahamas eine Firma gegründet, die eine Klinik errichten soll, in der Babys geklont werden können. Der US-Forscher will sich sogar selbst klonen lassen


Die Einwände deutscher Wissenschaftler werden aber im Wettrennen um einen Mega-Markt der Zukunft, der mit Milliarden-Gewinnen lockt, immer häufiger übergangen.
Bestes Beispiel ist der Genetiker und Physiker Professor Richard Seed (70) aus Chicago. Schon im Januar vergangenen Jahres hatte er angekündigt, professionell Menschen klonen zu wollen. Vor zwei Tagen setzte er seine Idee in die Tat um: eine Fabrik, in der Babys geklont werden. Sie soll „Clonaid“ heißen und auf den Bahamas gebaut werden.
Der winzige Inselstaat vor der Küste des US-Bundesstaates Florida ist ein idealer Standort. Denn anders als in Deutschland, wo die künstliche Erzeugung menschlichen Lebens nach dem Embryonenschutz von 1990 strikt verboten ist, schränkt dort keine Bestimmung die Forscher ein.


Präsident Dr. Michael D. West in einem Labor seines Technologie-Unternehmens ACT in Worcester (USA). Hier fanden die Experimente an lebenden menschlichen Zellen statt. Kritiker befürchten, dass Forscher mit ihren Versuchen noch viel weiter gehen


Seed macht keinen Hehl daraus, dass er sich mit seiner Firma hauptsächlich an reiche Interessenten wendet. 200 000 Dollar (umgerechnet 380 000 DM) verlangt der Wissenschaftler für seinen Klon-Service, etwa 90 000 Mark kostet die Lagerung menschlicher Zellen, aus denen später, zu einem vom Kunden gewünschten Zeitpunkt Embryonen gezüchtet werden können.
Dr. Brigitte Boisselier, wissenschaftliche Leiterin von Clonaid, ist davon überzeugt, dass das Zuchtlabor ein Segen für die Menschheit ist: „Eltern sollten das Recht haben zu entscheiden, ob das Kind den genetischen Code des Vaters oder der Mutter haben soll.“ Außerdem könne die Wissenschaft auf diese Weise Trost spenden: „Wie glücklich wäre eine Witwe, wenn sie ein Kind aufwachsen sehen könnte, welches das Ebenbild ihres verstorbenen Mannes ist.“


Ängstlich klammern sich die Äffchen aneinander. Sie wurden zu Forschungszwecken geklont. Die Tiere leben nicht mehr


Schon jetzt, so schätzen die Clonaid-Betreiber, finden sich weltweit etwa eine Million zahlungskräftige Kunden. Der erste wird der Gründer selbst sein. Aus einer Eizelle seiner Frau und seinem Erbgut will er sich selbst ein Ebenbild schaffen.
Aufgerüttelt durch derartige Auswüchse und durch die ACT-Forschungsergebnisse von Massachusetts, haben sich in Amerika wütende Proteste gegen derart unkontrollierte Gentechnik gebildet. 70 Abgeordnete des Kongresses haben sich in einem Brief an den Präsidenten für das totale Verbot der Forschung an Embryonen ausgesprochen. 67 Nobelpreisträger wollen lediglich Arbeiten an sogenannten embryonalen Stammzellen, wie sie im ACT-Labor hergestellt worden sind, genehmigen.
Diese Zellen würde man – wie bei ACT geschehen – nicht zur Embryonalphase heranwachsen lassen. Man würde sie, so die Vision der Wissenschaftler, zur Zucht von menschlicher Haut, Nervenzellen und Organen verwenden.


Die niedlichen Mäuse sind künstliche Zwillinge, wurden im Labor mit Hilfe der Gentechnik geschaffen, sollen als Medikamentenfabrik dienen


„Wir halten diese Forschung für ausgesprochen wichtig“, sagt Dr. Michael D. West, Präsident und Geschäftsführer von ACT zur BamS. „Wenn man eine ausgereifte Körperzelle in eine junge, beliebig genetisch programmierbare Zelle zurückverwandeln und dann ohne Abwehrreaktion des Körpers einpflanzen kann, haben wir das Mittel gegen Krebs, Herzschwäche, Aids, Parkinson und andere schwere Krankheiten.“


Prof. Hans Günter Gassen von der TU Darmstadt warnt vor unkontrollierbaren Folgen der Klon-Forschung


Noch ist die Wissenschaft nicht soweit, Zellen zu „befehlen“, dass sie sich als Haut, Organ oder Nervenstrang weiterentwickeln sollen. Aber der Wettlauf um das entsprechende Patent ist voll entbrannt. Denn die Sieger werden mit gigantischen Profiten belohnt.
Kritiker befürchten allerdings, dass Ethik und Anstand dabei auf der Strecke bleiben und mögliche grauenhafte Klon-Unfälle vertuscht werden.
Kontrollierbar ist die Entwicklung nach Meinung vieler Experten schon lange nicht mehr. Allein in Südkoreas Hauptstadt Seoul, wo das Klonen nicht verboten ist, gibt es mindestens zwölf Institute, in denen Klon-Experimente durchgeführt werden können. Der genaue Entwicklungsstand ist unbekannt. Und der japanische Professor Yukio Tsunoda klagt: „Niemand weiß, was in welchem Land hinter verschlossenen Türen erforscht wird.“

Klonen – so geht’s

Klonen: Der Begriff kommt von dem griechischen Wort Klon = der Sprößling. So gehen die Wissenschaftler im Labor vor: Sie trennen das Erbmaterial eines Menschen aus einer beliebigen Körperzelle heraus – zum Beispiel aus der Haut des Unterschenkels. In jeder Zelle ist die gesamte Erbinformation (DNS) enthalten. Diesen Kern mit den Erbinformationen verpflanzen die Forscher dann in die Eizelle einer Kuh, aus der der Kern mit den gesamten Erbinformationen des Tieres zuvor entfernt worden war. In einer chemischen Nährlösung beginnt dann die Verdoppelung der Zellen – wie nach einer normalen menschlichen Befruchtung. Wenn man diesen Zellhaufen in die Gebärmutter einer Leihmutter einpflanzen würde und von ihr austragen ließe, wäre es möglich, Lebewesen mit perfekt identischer Erbmasse beliebig oft zu kopieren, also zu klonen. Noch schwieriger ist das Fernziel, aus dem Zellhaufen einmal neue Organe zu züchten.

 
 
DER SPIEGEL 3/2001
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,113217,00.html


Magischer Moment

Forscher haben den ersten gentechnisch manipulierten Affen erschaffen - Probelauf für den Menschen nach Maß?
Von Affenbabys zu Menschenkindern ist es an der Universität für Gesundheitswissenschaften im amerikanischen Bundesstaat Oregon nur ein kleiner Schritt. Während auf der Wochenstation die Säuglinge brüllen, schreit im Zentrum für Primatenforschung ein Äffchen.
Andi, so der Name des dreieinhalb Monate alten Herrentiers, ist gesund, aber nicht normal - beides zur Freude seines wissenschaftlichen Vaters. "Das ist ein magischer Moment", jubelt der Primatenforscher und Frauenarzt Gerald Schatten über seinen Andi: den ersten gentechnisch manipulierten Affen der Welt.
Die Existenz des haarigen Verwandten, vergangenen Freitag im Wissenschaftsmagazin "Science" verkündet, lässt die Schreckvision vom gentechnisch veränderten Menschen erstmals als reale Möglichkeit erscheinen. "Spätestens jetzt ist klar: Man kann so etwas von der Technik her mühelos auch beim Menschen machen", kommentiert Franz-Josef Kaup vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen die Geburt des Affen in Beaverton bei Portland.
"Man wird nicht beim Primaten Halt machen", prophezeit Paul Serhal, Reproduktionsmediziner am University College Hospital in London. "Das ist nur der Startschuss für die genetische Manipulation des Menschen in der Zukunft."
Eltern könnten ihre Nachkommen im Labor genetisch verbessern lassen: Frauen würden Designer-Babys gebären, die ihre neuen Eigenschaften weitervererbten.
Solche Eingriffe in die menschliche Keimbahn verbietet in Deutschland das Embryonenschutzgesetz. Auch in den Vereinigten Staaten hat eine Arbeitsgruppe des Amerikanischen Verbandes zur Förderung der Wissenschaft solche ethisch heiklen Experimente im vergangenen September strikt abgelehnt.
"Gott verbietet, dass wir die Technik beim Menschen einsetzen", sagt denn auch Schatten. Er habe lediglich das Ziel, beteuert der Mediziner, ganze Horden gentechnisch veränderter Affen zu züchten, um an ihnen menschliche Krankheiten zu studieren: "Andi und seine künftigen Cousins und Brüder und Schwestern werden uns helfen, unsere Wissenslücke zu schließen."
Tatsächlich sind Rhesusaffen in vielerlei Hinsicht weitaus bessere Modelltiere als die ungezählten Mäuse, Ratten, Schafe, Rinder und Schweine, die bisher für unterschiedliche medizinische Zwecke gentechnisch verändert wurden. Wie die Menschen gehören Rhesusaffen zur Ordnung der Herrentiere (Primaten); die bisher entdeckten Gene von Rhesusaffen und Menschen sind zu 95 Prozent identisch. So ist auch das Affenhirn ähnlich strukturiert wie das des Homo sapiens. Hirnleiden wie Alzheimer und Parkinson ließen sich deshalb in genmanipulierten Rhesusaffen trefflich simulieren.
Andi, dessen Name rückwärts gelesen "inserted DNA" (eingefügte DNS) bedeutet, taugt allerdings nicht zum medizinischen Modelltier. Er wurde bloß geschaffen, um zu beweisen, dass der Eingriff ins Affen-Erbgut machbar ist.
Zu diesem Zweck schleusten Schatten und seine Teamkollegen Quallen-Gene in 224 Rhesusaffen-Eizellen. Das neu eingefügte Gen stellt ein Protein her, das grünlich leuchtet, wenn man es mit UV-Licht bestrahlt.
Ein grünes Schimmern verriet den Forschern folglich, welche der Eizellen das fremde Leucht-Gen aufgenommen hatten. In diese Eizellen spritzen die Gelehrten dann jeweils ein Spermium. Die 40 vitalsten der entstandenen Embryonen verpflanzten sie in 20 äffische Leihmütter.
Gut fünf Monate später wurden schließlich drei Affen geboren. Aber nur Andi trägt das fremde Gen im Erbgut; bei seinen zwei Spielgefährten, mit denen er jetzt im Gehege balgt, hat die Manipulation nicht geklappt.
Und zur Enttäuschung seiner Schöpfer leuchtet Andi selber nicht. Das Quallen-Gen hat sich zwar dauerhaft in sein Erbgut eingefügt, doch aus noch rätselhaften Gründen stellt es nicht das gewünschte Protein her.
Gleichwohl dürfte Andi nun eine "neue Ära der genetischen Manipulation" einläuten, wie Reproduktionsmediziner Serhal glaubt. Denn obwohl die amerikanischen Forscher nicht kontrollieren konnten, an welcher Stelle im Erbgut das eingeschleuste Fremd-Gen schließlich landete, hat der Embryo sich völlig normal entwickelt. Allem Anschein nach ist Andi ein putzmunteres Äffchen.
Dass dieser Durchbruch andere Forscher ermuntern könnte, Ähnliches auch beim Menschen auszuprobieren, mag selbst Schatten nicht ausschließen. "Wir lehnen eine solche Ausweitung ab und haben das auch nicht im Sinn", sagt er. Es gebe aber "keine Kristallkugel, mit der sich vorhersagen ließe, wie neue Techniken gebraucht oder missbraucht werden".
Schon jetzt melden sich Forscher, die keinerlei Skrupel plagt. "Ich hätte überhaupt keine Probleme, ein gentechnisch verändertes Menschenbaby herzustellen", behauptet Fortpflanzungsmediziner Serhal. Von Affen zu Menschen sei es nur ein kleiner Schritt. 
JÖRG BLECH
 
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