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PRESSEDOKUMENTATIONEN |
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II.1 Ziele
II.2 Mittel
II.3 Resümee
III.1 Klonierung bei
Verwendung menschlichen Erbguts nach dem geltenden Embryonenschutzgesetz
III.2 Rechtspolitische Notwendigkeit einer
internationalen Übereinkunft
III.3 Resümee
Die von schottischen Tierzüchtern erstmals erfolgreich praktizierte
Herstellung eines Säugetiers mit dem identischen Erbgut eines anderen
erwachsenen Tieres hat weltweit Aufsehen und teilweise sogar Erschrecken
ausgelöst. Was bedeutet dieser weitere Schritt in der Kette der
Eingriffe des Menschen in die Natur, so fragen viele Menschen. Ist das
Verfahren auf den Menschen anwendbar und , wenn ja, sollte dies und wie
kann dies verhindert werden? Welche Grenze wird uns durch unsere
akzeptierten ethischen und rechtlichen Prinzipien gezogen, und reichen
bestehende rechtliche Verbote aus, um die Einhaltung der nötigen
Grenzen national wie international zu sichern?
Um auf diese Fragen antworten zu können, muß
geklärt werden, was es mit dem Verfahren der Klonierung und seiner möglichen
Anwendung auf den Menschen auf sich hat (I), wie
die Anwendung auf den Menschen im Licht anerkannter ethischer Prinzipien
zu beurteilen ist (II) und wie sie sich im Rahmen
der Rechtsordnung darstellt (III), bevor dann
erste Schlußfolgerungen für weiteres Handeln gezogen werden können
(IV).
I.1 Zur Definition des Klonens
Ein Klon ist eine Gruppe genetisch identischer, also erbgleicher Organismen. Klone entstehen auf einfachste Weise durch Zweiteilung, auch vegetative Vermehrung genannt. Es ist ein Vermehrungsmechanismus aller Bakterien, aber auch höherer Mikroorganismen, wie Hefen und Pilzen und sogar vieler Arten mehrzelliger Tiere. Einige höhere Pflanzen vermehren sich durch Knospen oder Sprossen, indem auf der Stamm- oder Blattoberfläche eine Knospe entsteht, durch Zellteilung wächst, schließlich abfällt und zu einem neuen Individuum (einem Klon) wird. In diesem Sinne sind auch alle Kartoffeln eines Ackers Klone.
Die meisten Wirbeltiere pflanzen sich ausschließlich durch bisexuelle Vermehrung fort, wobei keine Klone entstehen. Vielmehr ist das Erbgut der Nachkommen in der Regel genetisch verschieden, weil es ein Gemisch aus mütterlichen und väterlichen Genen darstellt. Genetisch identische Individuen (= Klone) können bei ihnen auf natürliche Weise dadurch entstehen, daß sich Embryonen in frühen Teilungsstadien (siehe unten) spontan aufspalten und sich die Teile getrennt in unabhängigen Individuen weiterentwickeln.[1] Bei der Spezies Homo sapiens liegt die Rate der Zwillingsbildung bei 1 %, davon sind etwa 20 % eineiig (monozygot), also Klone. Das bedeutet, daß derzeit viele Millionen Menschen leben, die genetisch identische Geschwister haben. Eine ähnlich niedrige Rate für das Entstehen eineiiger Zwillinge (0.2 - 0.4 %)wird auch bei Rindern und Schafen beobachtet. Eineiige Drillings- oder gar Vierlingsgeburten sind beschrieben, aber extrem selten. Allerdings gibt es Säugetierarten (Gürteltiere), die obligatorisch eineiige Mehrlinge (also Klone) in Vier- bis Zwölfzahl durch Aufteilung eines Embryos hervorbringen. Ein Klon zu sein heißt nur, daß das Erbgut, der sogenannte Genotyp der Individuen, identisch ist. Der Phänotyp, die vom Genotyp beeinflußten äußeren Merkmale, müssen dabei noch lange nicht identisch sein. Dies ist deshalb so, weil nicht alle Merkmale eines lebenden Organismus durch Genwirkung allein, sondern auch durch die Entwicklungsbedingungen, beim Menschen vor allem durch das sozio-kulturelle Umfeld, mitbestimmt sind.
I.2 Anwendungen des Klonens in der Versuchstier- und Nutztierzucht
Klone höherer Organismen sind von großem Interesse für die medizinische Grundlagenforschung. Seit den 20er Jahren wird versucht, durch Inzucht (fortgesetzte Bruder x Schwester-Kreuzungen) Mausstämme zu erhalten, die genetisch weitgehend identisch sind. Sie spielten und spielen eine große Rolle in der Analyse des Immunsystems, beispielsweise wenn es um die Frage geht, wie nahe verwandt zwei Individuen sein müssen, um noch ein Transplantat des jeweils anderen akzeptieren zu können. Inzuchtlinien werden auch gebraucht, wenn es um das Studium von Arzneimittel- und Arzneimittelnebenwirkungen an genetisch möglichst übereinstimmenden Versuchstieren geht. Homozygosität (genetische Identität) konnte leider auch durch fortgesetzte Inzucht nie wirklich erreicht werden. Genetisch identische Klone würden nämlich bei Fragestellungen dieser Art, aber auch bei Versuchen in der klinischen Erforschung genetisch bedingter Krankheiten und der Ernährungsbiologie wegen der größeren statistischen Aussagekraft die Zahl der Test- bzw. Versuchstiere drastisch verringern helfen.
Nutztierzüchtern ermöglicht die Erstellung von Klonen eine nie erreichte Genauigkeit bei der Bewertung von Fleisch-, Milchleistungs- und anderen Qualitätsmerkmalen. Verbunden mit den neuen Möglichkeiten der Genomanalyse ließen sich Embryonen vor der Klonierung auf unerwünschte oder erwünschte Merkmale hin auswählen. Embryonen mit einem optimalen Satz von Erbanlagen könnten dann zu Klonen aufgezüchtet und zu Reproduktionszwecken mittels klassischer Methoden eingesetzt werden. Da dies immer nur spezielle Nutztierzuchten betrifft, wäre dadurch das Problem der Artenvielfalt nicht berührt. Auch von solchen Nutztierzuchten werden - wie bei Nutzpflanzen - immer je nach Bedarf viele verschiedene genetische Linien benötigt, so daß durch sorgfältige Zuchtpraxis dafür gesorgt werden kann, daß durch bereits jetzt genutzte (Embryoteilung) oder neu entwickelte Klonierungstechniken keine genetische Verarmung von Nutzorganismen-Rassen eintritt.
Auf dem Gebiet der Xenotransplantation, aber auch auf dem der Gewinnung von in die Milch abgeschiedenen Proteinen (Gen-Farming) wird man den Einsatz von Klonen erwägen. Für beide Ansätze sind gezielte Eingriffe in das Erbgut von entscheidender Bedeutung. Sie wären allerdings auf der Ebene von Zellinien in Zellkulturen viel leichter durchzuführen als auf der von Embryozellen. Aus den veränderten Zellinien ließen sich durch Klonen transgene Tiere verschiedener Arten, beispielsweise Schweine, erstellen, vorausgesetzt, das Klonen funktionierte hier ebenso, wie dies beim Schaf berichtet worden ist.
I.3 Zellbiologie des Klonens
Um die neuen Klonierungstechniken bewerten zu können, seien im folgenden einige Aspekte der Embryonalentwicklung bei Säugern erwähnt: Eizellen und Samenzellen enthalten jeweils nur einen (haploiden) Chromosomensatz, so daß sich bei ihrem Verschmelzen eine befruchtete Eizelle mit einem normalen (diploiden) Chromosomensatz bilden kann. Diploide Zellen enthalten in den meisten Chromosomen jedes Gen in zwei Kopien, eines vom Vater und eines von der Mutter (Ausnahme: Geschlechtschromosomen im männlichen Geschlecht). Reife Eizellen entstehen im Prozeß der Oogenese aus Vorläuferzellen durch eine Serie physiologischer Prozesse, in denen der diploide Chromosomensatz auf einen Chromosomensatz reduziert wird. Bei Mensch oder Rind reift meist jeweils nur eine befruchtungsfähige Eizelle, beim Schaf reifen zwei bis drei, beim Schwein gleichzeitig 15 - 20 Eizellen. Durch Hormonbehandlung (Superovulation) kann diese Zahl beim Menschen auf vier bis sechs, beim Rind und Schaf auf 6 bis 10, beim Schwein auf bis zu 40 steigen. Rindereizellen können nicht nur aus den Eierstöcken lebender Tiere durch Punktion, sondern auch aus Eierstöcken von geschlachteten Tieren gewonnen werden. Reife Eizellen sind von der Zona pellucida, einer proteinreichen Hülle, sowie einer mehrlagigen Zellschicht aus Follikelzellen umgeben, durch die das Spermium hindurchdringen muß. Die ersten Teilungen des Embryos erfolgen noch innerhalb der Zona. Wenn das sogenannte Blastozystenstadium erreicht ist (70 - 100 Zellen; beim Rind nach 7 Tagen) schlüpft der Embryo aus der Zona heraus. Erfolgt dieser Schlüpfprozeß nur unvollständig und bleibt ein entwicklungsfähiger Teil der Zellen in der Zona zurück, so entwickeln sich die beiden Teile unabhängig voneinander zu eineiigen Zwillingen; werden diese beim Schlüpfvorgang nicht vollständig getrennt, so entstehen siamesische Zwillinge (die daher immer eineiig sind).
Totipotent nennt man alle Zellen, die sich in einen intakten, erwachsenen Organismus entwickeln können. In der Regel besitzen diese Eigenschaft alle Embryozellen bis hin zum 16 - 32 Zellstadium, das auch Morula genannt wird. In der nächsten Phase (70 - 100 Zellstadium) beginnt schon eine gewisse Differenzierung.
Aus der himbeerartigen Morula entwickelt sich ein kugelförmiger Körper (Bläschenstadium: Blastozyst), dessen Oberfläche aus Zellen besteht, die nicht mehr totipotent sind, während die nach innen, im Hohlraum gelagerten Zellen (inner cell mass) noch totipotent bleiben. Der Begriff der Totipotenz wird allerdings vor dem Hintergrund der an Schafen in Schottland gewonnenen Ergebnisse neu definiert werden müssen. Bisher war man davon ausgegangen, daß die Differenzierung bei allen Säugetieren schon in sehr frühen Phasen zu irreversiblen genetischen Modifikationen führt. Offensichtlich ist es (jedenfalls beim Schaf) doch möglich, derartige Zellen zu "reprogrammieren" und sie damit wieder totipotent werden zu lassen, obwohl derzeit die molekularen Grundlagen dieser "Reprogrammierung" nicht bekannt sind.
I.4 Klonierung von Versuchs- und Nutztieren
Zur Erzeugung von Klonen höherer Organismen stehen im Prinzip zwei Verfahren zur Verfügung,
- die Embryo-Teilung (= Embryo Splitting) und die
- Zellkern-Transplantation in Ei- oder Embryozellen, denen ihr eigenes genetisches Material entfernt wurde.
Das Aufspalten von Embryonen in frühen Teilungsstadien durch Abtrennung und Aufteilung von Zellaggregaten genügender Größe ist möglich, aber aus praktischen Gründen auf die Erzeugung von zwei bis höchstens vier Individuen begrenzt.
Das Konzept der Kerntransplantation geht auf Hans Spemann (30er Jahre) und seine Frage zurück, ob das Erbgut während der Entwicklung eines Organismus unverändert bleibt oder nicht. J. B. Gurdon (Oxford) war der erste, der in den späten 60er Jahren zeigen konnte, daß die Transplantation des Zellkerns aus einer Hautzelle eines erwachsenen Frosches in eine von ihrem eigenen Zellkern befreite Eizelle zwar nicht zur Bildung eines erwachsenen Tieres, aber immerhin zur Entstehung einer Kaulquappe führen kann. Eine "Reprogrammierung" des Genoms war danach zumindest bei Amphibien in gewissen Grenzen möglich. Bei Säugern werden derartige Versuche seit Mitte der 80er Jahre vorgenommen, wobei der Donorzellkern aber zunächst immer aus totipotenten Embryozellen in allerfrühesten Teilungsstadien stammte. Die Versuche wurden und werden in den verschiedensten Varianten durchgeführt.
Akzeptorzellen sind in der Regel reife, befruchtungsfähige Eizellen, denen ihr eigenes genetisches Material durch Abschnüren derjenigen Teile der Zelle, die das Erbgut enthalten, oder durch Absaugen mittels einer Glaskanüle entfernt wird. Solche erbgutfreien Zellen werden Cytoplasten genannt. Als Donoren von Zellkernen (sogenannte Karyoplasten) dienen Embryozellen bis hin zum Blastozystenstadium, die durch Elektroschock mit dem Cytoplasten verschmelzen bzw. direkt in diesen hinein injiziert werden. Die Ausbeute der Verfahren war bislang gering. Weltweit wurden auf diese Weise bislang 1000 bis 2000 Kälber geboren.
Die Zahl der Klone soll maximal 11 Tiere betragen haben. Praktische Bedeutung haben diese Verfahren bislang jedoch nicht erlangt. Durch Kerntransplantation erzeugte Klone sind genetisch nicht absolut identisch, da sie in der Regel zwei genetische Vorfahren haben, einen, von dem der Donor-Zellkern, und einen zweiten, von dem der Cytoplast stammt. Dem Cytoplast wurde zwar sein eigener Zellkern entfernt; er enthält aber in seinem Zellinnern immer noch mehrere Exemplare eines Zellorganells, des Mitochondrions, das für die Energieerzeugung in der Zelle verantwortlich ist und das selbst ein kleines Genom enthält. Dieses kodiert beim Menschen allerdings für nur 13 Gene, so daß der Beitrag dieses Chromosoms zur Gesamtzahl von Genen in dem Zellkern (> 80.000) quantitativ nicht ins Gewicht fällt. Für die überwältigende Mehrzahl der genetischen Anlagen eines Individuums besteht daher bei auf diese Weise erzeugten Klonen genetische Identität.
Um die Ausbeuten zu verbessern, hat die schottische Arbeitsgruppe des Roslin-Instituts eine Arbeitshypothese entwickelt, wonach das Cytoplasma einer befruchtungsfähigen Eizelle und der Zellkern einer Embryozelle nur dann zu einer biologisch aktiven, totipotenten Zelle zusammenschmelzen können, wenn sie in ihren Wachstumsstadien einander angepaßt sind. Andernfalls könnte der Cytoplast einer Entwicklung des Zellkerns unter Umständen im Wege stehen. Dieser Hypothese liegt die Beobachtung zugrunde, daß lebende Zellen in ihrem Wachstum bestimmte Stadien oder Phasen durchlaufen, in denen sie die Verdoppelung des Erbguts vorbereiten und schließlich auch vollziehen. So entstand der Gedanke, Empfängercytoplasma und Donorkern physiologisch miteinander zu synchronisieren. Schon ein recht grober erster Versuch, für den Embryozellen in einer bestimmten Wachstumsphase ausgewählt worden waren, brachte eine Verdoppelung der Ausbeute an geborenen Tieren. Es ist möglich, Zellen durch Behandlung mit verschiedenen Chemikalien in bestimmten Phasen des Teilungszyklus anzuhalten. Auf solchen Beobachtungen beruhen viele Behandlungsprotokolle in der Krebs-Chemotherapie. Da nun Embryozellen nur schwer auf diese Weise zu synchronisieren sind, wich das Roslin-Team auf embryonale Zellinien aus. Embryonale Zellinien entstehen, wenn Embryozellen außerhalb ihres gewohnten Aufenthaltsortes im Organismus, beispielsweise in-vitro oder in anderen Organen, wie der Nierenkapsel, gezogen werden. Unter solchen Bedingungen können sie sich in der Regel nicht differenzieren und behalten ihre Totipotenz. Nachdem derartige Zellen durch Entzug der Wachstumsfaktoren in einer bestimmten Phase des Zellzyklus festgehalten worden waren, gelang eine weitere Erhöhung der Ausbeute an geklonten Tieren.
Inzwischen konnte nun der Versuch überraschenderweise auch auf Zellen der Milchdrüse von Schafen ausgedehnt werden, wenn auch mit schlechten Ausbeuten (eine Trächtigkeit auf 277 fusionierte Embryonen). Diesen Arbeiten kam zugute, daß im Schaf das embryonale Genom erst im 8 - 16 Zellstadium mit der Aktivierung seines eigenen Programms beginnt (bis dahin besorgen dies die im Zellinneren noch vorhandenen Proteine der Akzeptoreizelle, sogenannte maternale Proteine), während dies bei Maus oder Mensch schon im Zwei-Zellstadium geschieht. Dadurch gewinnt der neueingebrachte Zellkern Zeit, sich selbst zu reorganisieren und sein Genom auf einen Zustand hin vorzubereiten, der ihn am Ende wieder totipotent macht.
Die schlechten Ausbeuten des Verfahrens zeigen, daß die Arbeitshypothese über die Synchronisation von Akzeptorcytoplasma und Donorzellkern zwar einen Erfolg gebracht hat, daß es aber weiterer, grundlegender Verbesserungen bedarf, um das Verfahren für die Nutztier- und Tierzucht im allgemeinen praktikabel zu machen.
Die hier beschriebenen Versuchsansätze könnten - rein reproduktionsbiologisch betrachtet - grundsätzlich auch auf andere Säugetiere und auch auf den Menschen übertragen werden. Die Vertretbarkeit und die Zulässigkeit einer solchen Anwendung auf den Menschen ist jedoch kein biologisches, sondern ein ethisches und rechtliches Problem.
In der Ablehnung, mit der weithin auf die Anwendbarkeit des neu entdeckten Klonierverfahrens auf den Menschen reagiert wurde, kommt die moralische Überzeugung zum Ausdruck, daß mit der Klonierung von Menschen eine Grenze überschritten würde, die der Mensch nicht überschreiten sollte. Dabei spielt sicher das Erschrecken vor der Neuartigkeit eines solchen Verfahrens eine Rolle. Denn noch nie hat es eine Fortpflanzung des Menschen gegeben, ohne daß das Erbgut zweier geschlechtsverschiedener Menschen zusammenkommen mußte; noch nie gab es außer gleichzeitig gezeugten und geborenen Mehrlingen einen Menschen, der das gleiche Erbgut besitzt wie ein anderer Mensch. Ohne Zweifel ist aber der Wegfall von Grenzen, die bislang die Natur selbst dem Menschen gezogen hat, kein Grund, nicht aus moralischen und rechtlichen Gründen an ihnen festzuhalten.
Da intuitive moralische Überzeugungen ein wichtiger Leitfaden, aber noch keine hinlängliche Begründung dafür sind, welche Grenzziehungen bei sich erweiternden Handlungsmöglichkeiten geboten sind, sind wir zu einer auf Gründe sich stützenden ethischen und rechtlichen Urteilsbildung gezwungen. Eine bewährte Methode solcher Urteilsbildung legt es nahe, nach der Legitimität der Ziele zu fragen, für die die neuen Handlungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden können, und die Vertretbarkeit der eingesetzten Mittel hinsichtlich ihrer intendierten wie ihrer nichtintendierten Wirkungen zu prüfen. Als Kriterien sind dabei die ethischen Prinzipien heranzuziehen, die sich auf einen breiten Konsens stützen können, wie er in den Menschenrechtskodifikationen, in völkerrechtlichen Konventionen, vor allem aber in unserer Verfassung rechtlich zum Ausdruck kommt.
II.1 Ziele
Für beide Methoden des Klonierens, Embryo-Teilung und Kerntransplantation, werden als mögliche Ziele der Anwendung beim Menschen u. a. genannt: eine Verbesserung bei der Behandlung von Unfruchtbarkeit, die Vermeidung von genetischen Krankheiten, die Replizierung eines verstorbenen oder als vortrefflich empfundenen Menschen, die Möglichkeit einer Organ- und Gewebespende durch den klonierten Menschen, eine Vermehrung in Form eines Zwillings, eine Verbesserung der Forschung an Embryonen mit dem Ziel der Verhinderung oder Heilung von Erbkrankheiten.
An welchen ethischen und rechtlichen Prinzipien aber ist die Legitimität solcher Ziele zu prüfen? Auszugehen ist von dem Grundprinzip der Unverletzlichkeit der Würde des Menschen, aus der als Grundansprüche das Recht auf Leben und leibliche Integrität und das Recht auf Selbstbestimmung folgen, die ihrerseits alle Eingriffe Dritter in die psychophysische Integrität eines Menschen grundsätzlich an dessen Einwilligung nach Aufklärung binden. Zu nennen sind aber auch das Gleichheitsprinzip sowie der Schutzanspruch, der sowohl der menschlichen Individualität und ihrer Entfaltung als auch der menschlichen Sozialität in Form der Familie und der damit verbundenen Struktur der menschlichen Reproduktion eigen ist. Insofern die Klonierung menschliche Embryonen betrifft, ist die Anwendung dieser Prinzipien von der Natur und dem Status abhängig, den wir dem menschlichen Embryo zumessen.
- Prüft man die genannten Handlungsmöglichkeiten im Licht dieser Prinzipien, so ist zunächst festzustellen, daß es nicht die Tatsache sein kann, daß der entstandene Mensch das gleiche Genom hat wie ein anderer Mensch, die das Klonieren beim Menschen verbietet. Zwar steht das individuelle Genom als der unverwechselbare naturale Entfaltungsrahmen der leiblichen Natur dieser Person ohne Zweifel unter dem besonderen Schutz, der der individuellen Person und ihrer leiblichen Integrität gebührt. Aber Individualität und personale Identität eines Menschen gehen nicht in seiner genetischen Ausstattung auf, sondern sind Resultat einer in Wechselwirkung mit der Umwelt sich vollziehenden Entfaltung. Will man der Würde der Person entsprechen und einen genetischen Determinismus vermeiden, dann muß selbstverständlich dem aus natürlicher Mehrlingsbildung entstandenen Menschen die gleiche Würde zukommen wie allen anderen Menschen. Selbst wenn gegen alle Verbote ein geklonter Mensch entstünde, hätte er die gleiche Würde wie jeder andere.
Problematisch an der Klonierung von Menschen ist also nicht die Übereinstimmung seines Genoms mit dem eines anderen Menschen, sondern die Tatsache, daß ein Mensch als Mittel zu einem Zweck hergestellt wird, der nicht er selbst ist, und daß ihm zu diesem Zweck die genetische Gleichheit mit einem anderen Menschen auferlegt wird. Offenkundig ist dies der Fall, wenn ein Mensch deshalb geklont wird, weil er einen anderen Menschen gleichen Genoms ersetzen, für einen anderen als Organ- oder Gewebespender dienen oder als Kind die genetische Wiederholung des Menschen sein soll, von dem der transplantierte Zellkern stammt, - von einer Klonierung zu eugenischen oder kommerziellen Zwecken ganz abgesehen. In jedem dieser Fälle wird die genetische Identität um eines Zweckes willen manipuliert, dem der hergestellte Mensch dienen soll. Er soll der sein, dem sein Genom gleicht, oder existieren, um durch seine genetische Gleichheit einem anderen zu dienen. Damit aber sind mehrere der genannten Prinzipien verletzt: Einen Menschen in seiner genetischen Identität zu manipulieren, um ihn den Zwecken Dritter zu unterstellen, stellt ohne Zweifel eine Instrumentalisierung dar, die den Kern der Person berührt und deshalb gegen die mit dem Prädikat der Würde geschützte Selbstzwecklichkeit verstößt, die dem Menschen als Person zukommt. Das als Zwilling hergestellte Kind stünde unter der Erwartung, den Menschen wiederholen müssen, dessen Genom es trägt. Es hätte ein vorgelebtes Leben zu leben und wäre nur akzeptiert wegen der Übereinstimmung seiner genetischen Identität mit einer anderen und nicht um seiner eigenen 'fremden' Identität wegen. Es ist also die Verbindung mit den Zwecken Dritter, die die Verdoppelung des Genoms zum Verstoß gegen die Würde der individuellen Person und der daraus resultierenden Rechte macht. Sie beraubt den gezielt klonierten Menschen der elementaren Möglichkeit, wie jeder andere in der ihm eigenen, genetisch unerwarteten Identität respektiert zu werden.
Offensichtlich hat der Zufall, nach dem sich im Vorgang der Zeugung die haploiden Keimzellen zu einem neuen individuellen Genom verbinden, die Wirkung, den betroffenen Menschen davor zu schützen, Objekt der biologischen Vorbestimmung durch Dritte zu sein, wahrt also die Freiheit des Menschen vor der Unterwerfung unter genetische Fremdbestimmung. Ist es aber die Heteronomie der natürlichen Genese des individuellen Genoms, welche die der Würde der Person entsprechende Freiheit ihrer Entfaltung gegen Willkür sichert, dann scheint es so etwas zu geben wie ein Recht der Person, von zwei biologischen Eltern gezeugt und in ihrer genetischen Identität nicht manipuliert zu werden. Anders als der eineiige Zwilling stünde der aus gezielter Klonierung hervorgegangene Mensch unter einer heteronomen Zwecksetzung, die die Entfaltung der Individualität jener Offenheit und Freiheit beraubte, wie sie unter dem Titel der freien Entfaltung der Persönlichkeit geschützt ist.
- Dagegen kann nicht mit Gründen argumentiert werden, die - wie im Fall der Unfruchtbarkeit beider Partner oder der Gefahr der Übertragung einer schweren Erbkrankheit - auf bestimmte Interessenlagen einzelner oder auf Konstellationen abheben, die die befürchtete Instrumentalisierung nicht notwendig eintreten lassen. Offensichtlich stehen die freie Entfaltung der individuellen Person mit der Wahrung der Struktur der natürlichen Reproduktion in einem so engen ganzheitlichen Zusammenhang, daß um der Würde und Freiheit der individuellen Person willen auch die Würde der mit der menschlichen Gattung verbundenen natürlichen Reproduktion respektiert werden muß. Es ist der mögliche Wegfall der durch die Natur gezogenen Grenzen menschlichen Handelns, der uns den humanen Sinn dieser Grenzen tiefer entdecken läßt. Würde die Unterworfenheit unter die gleichen Bedingungen der Natur in diesem Punkt aufgehoben, würden nicht nur die Ansprüche des betroffenen Individuums verletzt, die biologische Manipulation würde auch die elementaren Grundeinstellungen in der Generationenfolge verändern und zu einer neuen Ungleichheit unter den Menschen führen und damit gegen den Schutz der Familie und das Gleichheitsgebot sowie das daraus folgende Diskriminierungsverbot verstoßen.
- Gegen diese Begründung kann eingewendet werden, daß sie nur auf die Klonierung zutrifft, die das Ziel hat, einen Menschen gleichen Genoms wie ein anderer Mensch ins Leben zu rufen, daß dies aber nicht der Fall ist, wenn die Klonierung dem Ziel dient, menschliche Embryonen zu Zwecken der Diagnose oder der Forschung herzustellen und damit die Behandlung der Infertilität zu verbessern oder durch Präimplantationsdiagnostik Eltern zu Kindern zu verhelfen, die nicht von der von den Eltern übertragenen genetischen Krankheit betroffen sind. In der Tat ist bei der Prüfung dieser Ziele auf andere als die oben genannten Gründe zurückzugreifen. Diese Gründe hängen freilich davon ab, welchen moralischen und rechtlichen Status man dem menschlichen Embryo in seinen verschiedenen Entwicklungsstadien zuordnet. Geht man - wie das deutsche Embryonenschutzgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - davon aus, daß das menschliche Lebewesen von seinem Beginn bei der Kernverschmelzung an unter dem Schutz der menschlichen Würde steht, verbietet sich die Klonierung zu Zwecken der Diagnose ebenso wie zu Zwecken der Forschung, weil sie den Embryo in seiner Gesamtheit als Mittel zum Zweck benutzt. Anders könnte die Bewertung ausfallen, wenn man dem Embryo nicht in allen seinen Stadien diesen Status einräumt. Da viele Rechtsordnungen, für die dies gilt, dennoch von einem 'besonderen' Status des Embryos ausgehen, der ihm eine, wenn auch nicht gleichrangige Schutzwürdigkeit zuspricht und die Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarats einen "angemessenen Schutz" für den Embryo fordert und Herstellung zu Forschungszwecken verbietet, ergibt sich auch hinsichtlich der Embryonen-Teilung keine rechtsfreie Zone. Hier steht aber ein internationaler Klärungsprozeß aus, der mit Nachdruck vorangetrieben werden muß.
Zusammenfassend ergibt sich, daß das Ziel einer Klonierung des Menschen ethisch nicht mit den Prinzipien der Menschenwürde und des Embryonenschutzes vereinbar ist und somit als illegitim angesehen werden muß.
II.2 Mittel
Über die Bewertung der Legitimität der Ziele einer Klonierung beim Menschen hinaus ist ihre Vertretbarkeit als Mittel zu prüfen. Geht man davon aus, daß eine Klonierung beim Menschen nicht ohne entsprechende Forschung am Menschen möglich ist und diese Forschung in Form von Embryonenforschung bzw. Humanexperimenten geschieht, die ethisch nicht vertretbar und - nach deutschem Recht - auch nicht erlaubt sind, kann eine Klonierung auch aus diesen Gründen nicht in Frage kommen. Darüber hinaus fielen auch alle die ethisch-rechtlichen Probleme an, die mit der künstlichen Befruchtung verbunden sind, wie die Frage überzähliger Embryonen, Leihmutterschaft u. a. Verblieben auch nach erfolgter Forschung außer den oben bereits genannten Gefahren besondere Risiken für den geklonten Menschen, so wäre dies angesichts der nicht einholbaren Einwilligung des Betroffenen neben den genannten Gründen ein zusätzlicher Grund, der eine Anwendung ausschließt. Da die Mittel stets auch hinsichtlich ihrer Sozialverträglichkeit zu prüfen sind, sind darüber hinaus alle die Auswirkungen zu beachten, die unter dem Stichwort der Beziehungen zwischen den Generationen und innerhalb der Familie genannt wurden.
II.3 Resümee
Die Möglichkeit einer Klonierung von Menschen eröffnet Handlungsweisen, die völlig neuartig sind und uns mit bis dahin unbekannten ethischen Fragen konfrontieren. Die Beantwortung dieser Fragen macht eine intensive Auseinandersetzung mit allen damit zusammenhängenden Fragen erforderlich. Denn die mit der Klonierung eröffneten Handlungsmöglichkeiten berühren unsere Grundeinstellung zum Leben und zur Würde der Person. Schon eine erste Vergewisserung macht deutlich, daß es notwendig ist, aus moralischen und rechtlichen Gründen Grenzen zu ziehen, wo dies bislang nicht erforderlich war, weil uns die Natur selbst die Grenze setzte. Diese Vergewisserung macht deutlich, daß die nötige Grenzziehung nur gelingt, wenn wir uns an den akzeptierten ethisch-rechtlichen Prinzipien orientieren und die physischen, psychischen und sozialen Bedingungen in den Blick nehmen, ohne die der Mensch seiner Natur nach nicht zu gelingen vermag. Aus dieser doppelten Perspektive kommt eine erste Prüfung zu dem Resultat, daß eine Klonierung von Menschen sowohl den Zielen nach wie auch als Mittel ethisch nicht vertretbar ist.
III.1 Klonierung bei Verwendung menschlichen Erbguts nach dem geltenden Embryonenschutzgesetz
In grundsätzlicher Übereinstimmung mit der ethischen Beurteilung kann auch aus rechtlicher Sicht die Verbotswürdigkeit des Klonens von Menschen für Deutschland als praktisch unumstritten gelten. Bereits die Benda-Kommission hatte sich für ein strafrechtliches Verbot ausgesprochen (Abschlußbericht S. 59 f.). Im Embryonenschutzgesetz (ESchG) vom 15.12.1990 ist durch § 6 das Klonen ausdrücklich unter Strafe gestellt:
"(1) Wer künstlich bewirkt, daß ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Foetus, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer einen in Absatz 1 bezeichneten Embryo auf eine Frau überträgt.
(3) Der Versuch ist strafbar."
Die nachfolgende Untersuchung, ob § 6 ESchG - sowie etwaige andere einschlägige Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes - vor dem Hintergrund der neueren Entwicklungen sowie denkbarer weiterer Technologien der Nachbesserung bedarf, beschränkt sich auf Rechtsfragen des Klonens mit menschlichem Genom; das Problem, inwieweit auch das Klonen von Tieren rechtlich reglementiert werden sollte oder nicht, bleibt ausgeklammert.
- Die Teilung totipotenter Zellen ist schon gem. § 2 Abs. 1 ESchG ("verwendet") mit Strafe bedroht; als lex specialis geht allerdings § 6 Abs. 1 ESchG vor. Nach beiden Tatbeständen ist auch die lediglich versuchte Tat mit Strafe bedroht. Unangebrachte Strafbarkeitslücken sind insoweit nicht ersichtlich.
- Hinsichtlich der Strafbarkeit des Klonens durch Zellkernaustausch bei Anwendung am Menschen sind verschiedene Fragen zu erörtern:
a) Es ist in Zweifel gezogen worden, ob beim Klonen nach dieser Methode tatsächlich ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer ... entsteht (§ 6 Abs. 1 ESchG). Denn tatsächlich werde - methodenbedingt - etwa 1 % der Erbinformation nicht über den ausgewechselten Zellkern übertragen. Die Erbinformation des geklonten Wesens stimme also nur zu 99 % mit der seines "Originals" überein. Indes würde bei teleologischer Auslegung und unter Berücksichtigung der amtlichen Überschrift zu § 6 ESchG kaum ein Jurist insoweit das Merkmal "gleich" verneinen. Denn maßgeblich ist nicht ein mathematischer Gleichheitsbegriff, sondern ein rechtlicher. In letzterem Sinne steht aber nichts im Wege, etwas - in Übereinstimmung mit der Umgangssprache - dort als "gleich" anzusehen, wo der Mathematiker nur noch von "ungefähr gleich" sprechen würde. Um dies an einem unverfänglichen Beispiel zu verdeutlichen: Im Küchenschrank stehen die im Rechtssinne gleichen (zu einem Service gehörigen) Tassen, mag auch die eine intensivere Gebrauchsspuren als die anderen aufweisen.
Die hier vertretene Auffassung wird auch von der juristischen Fachliteratur geteilt (vgl. insbesondere Keller/Günther/Kaiser, Kommentar zum Embryonenschutzgesetz, Stuttgart 1992, § 6 Rn. 6).
b) Weiterhin erscheint das Tatbestandsmerkmal Embryo (ebenfalls § 6 Abs. 1 ESchG) problematisch: Gemäß der Legaldefinition in § 8 Abs. 1 ESchG gilt als Embryo im Sinne dieses Gesetzes "bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an ...". Da beim Klonen durch Zellkernaustausch keine Befruchtung stattfindet, scheint diese Definition hier wie in Fällen der Parthenogenese nicht zuzutreffen. Dies hätte jedoch die absurde Konsequenz, daß der geklonte Mensch kein Embryonalstadium durchlaufen würde. Da aber § 6 ESchG ersichtlich einen umfassenden "Rundumschutz" bezweckt und die Herstellung von "Kopien" menschlicher Individuen schlechthin unterbinden will (vgl. Keller/Günther/Kaiser, aaO, § 6 Rn. 7 a.E.), kann die Legaldefinition des § 8 nicht einfach auf den Begriff "Embryo" in § 6 angewandt werden. Ersichtlich will § 8 (wie aus dem Abheben auf "bereits" zu entnehmen) keine exklusiv-abschließende Definition des Begriffs "Embryo" leisten, sondern eher umgekehrt inklusiv die Einbeziehung frühester Entwicklungsstadien sichern. Daher wird eine Interpretation von "Embryo" in § 6 dahin gehend, daß darunter zumindest jede entwicklungsfähige Eizelle (zu somatischen Zellen. s. u. D) verstanden wird, die einen der Befruchtung vergleichbaren Prozeß der "Initialisierung" erfahren hat, durch § 8 nicht ausgeschlossen. Allerdings bedürfte es noch genauerer Klärung, wann die mittels Zellkernaustausch begangene Tat im Sinne des § 6 ESchG vollendet ist. Man wird jedoch bereits im Vorgang des Entkernens, wenn es mit dem Ziel des späteren Einbringens eines anderen Zellkerns erfolgt, einen strafbaren Versuch zu erblicken haben. Dabei kommt es nicht darauf an, daß beide Teilhandlungen von derselben Person vorgenommen werden. Wer eine von ihm entkernte menschliche Eizelle einem anderen zur Verfügung stellt und weiß oder damit rechnet, daß diese zum Klonen verwendet wird, macht sich zumindest wegen Beihilfe zu dieser Tat strafbar.
c) Hingegen wird man eine Strafbarkeit auch nach § 5 ESchG regelmäßig zu verneinen haben. Denn wer eine Eizelle entkernt, verändert zwar künstlich die Erbinformation einer menschlichen Keimbahnzelle im Sinne von § 5 Abs. 1 ESchG; tut er dies, um damit das Einbringen eines anderen menschlichen Zellkerns in diese Zelle vorzubereiten, so greift jedoch der Tatbestandsausschluß des § 5 Abs. 4 Nr. 1 ein, da durch die Bestimmung der Verwendung zum Zellkernaustausch ausgeschlossen ist, daß diese Zelle zur Befruchtung verwendet wird.
- Unterstellt, bei der Methode des Klonens durch Zellkernaustausch würde als Akzeptorzelle eine soeben befruchtete Eizelle (noch vor der ersten Zellteilung) verwendet, stellt sich das soeben unter B. b) diskutierte Interpretationsproblem nicht. Davon abgesehen stellt bereits der Vorgang des Entkernens, wenn an einem frühen Embryo vorgenommen, eine gemäß § 2 Abs. 1 ESchG strafbare Verwendung dar. Dieses Entkernen dient nicht der Erhaltung (des Embryos) im Sinne von § 2 Abs. 1, da diesbezüglich auf die Zellkerninformation als identitätscharakterisierendes Merkmal abzuheben ist: Wer den Zellkern einer entwicklungsfähigen, befruchteten Eizelle auswechselt, erhält nicht diesen Embryo, sondern schafft einen anderen.
- Würde Klonen einmal dadurch bewerkstelligt werden können, daß eine (beliebige) Körperzelle des zu klonierenden Wesens so stimuliert wird, daß sie sich daraufhin "wie eine befruchtete Eizelle verhält", so wäre ein Verfahren gefunden, bei dem auf die Verwendung jedweder Keimbahnzellen verzichtet werden könnte. Aus diesem Grund würde bei diesem Verfahren eine Strafbarkeit gem. §§ 2 und 5 ESchG tatbestandlich ausscheiden. Gleichwohl bestehen nach dem oben B. b) Ausgeführten keine durchgreifenden Bedenken, auch in diesem Fall das Klonierungsverbot des § 6 Abs. 1 ESchG als erfüllt anzusehen; denn diese Vorschrift verlangt nicht ausdrücklich, daß der zur Entstehung kommende Embryo aus Keimzellen entstanden sein muß. Als entscheidend für das Merkmal "Embryo" muß vielmehr die Entwicklungsfähigkeit zum fertigen Menschen angesehen werden, nicht aber die Herkunft aus bestimmten Zellarten.
- Eine mögliche Regelungslücke könnte sich im Falle einer weiteren Abwandlung der Klonierung nach der "Austausch-Methode" ergeben, worauf D. v. Bülow (Dolly und das Embryonenschutzgesetz, DÄBl. 1997, S. C-536 ff., 539) hingewiesen hat: Würde die Erbinformation des "Ersatz-Zellkerns" vor seinem Einbringen in die entkernte Ausgangszelle durch gentechnische Methoden so sehr verändert, daß auch im Rechtssinne von "gleicher Erbinformation" nicht mehr gesprochen werden könnte, würde das Klonierungsverbot des § 6 Abs. 1 ESchG nicht mehr eingreifen. Würde ein derart veränderter Zellkern in eine vorher entkernte Eizelle eingebracht, wird man wegen § 5 Abs. 4 Nr. 1 auch keinen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 ESchG (künstliche Veränderung einer menschlichen Keimbahnzelle) zu sehen haben. Auch wäre das Tatbestandsmerkmal des § 5 Abs. 2 ESchG "zur Befruchtung verwendet" - mangels einer solchen - nicht erfüllt. Diese - derzeit freilich nur theoretisch bestehende - Strafbarkeitslücke ließe sich auf mindestens drei verschiedenen Wegen durch eine Ergänzung des ESchG schließen (vgl. dazu auch die Vorschläge von D. v. Bülow, DÄBl. 1997, S. C-539), und zwar
- indem in § 6 ESchG generell die Einbringung eines Zellkerns einer menschlichen Zelle in eine entkernte Eizelle untersagt wird,
- indem man das ESchG um einen weiteren Tatbestand ergänzt, durch den untersagt wird, das Entstehen eines menschlichen Embryos zu bewirken, ohne daß es hierbei zu einer Befruchtung einer menschlichen Eizelle durch eine menschliche Samenzelle kommt; inwieweit es bei einem derart umfassend formulierten Tatbestand zum Schutz des natürlichen Kerns menschlicher Fortpflanzung daneben dann überhaupt noch eines besonderen Klonierungsverbotes bedürfte, soll hier nicht weiter erörtert werden -,
oder
- indem der Tatbestandsausschluß des § 5 Abs. 4 ESchG enger als bisher gefaßt wird: zu denken wäre etwa an eine Ergänzung des § 5 Abs. 4 Nr. 1, letzter Halbsatz ("daß diese zur Befruchtung oder zur Erzeugung eines Embryos auf andere Weise verwendet wird").
III.2 Rechtspolitische Notwendigkeit einer internationalen Übereinkunft
Ein lediglich nationales Verbot des Klonens stünde angesichts einer international ausgerichteten Forschung auf schwachen Füßen. Forscher würden sich entsprechend permissive Länder aussuchen. Eine Erweiterung der Strafbarkeit auf Auslandstaten durch entsprechende Ergänzung des (deutschen) internationalen Strafrechts dürfte politisch nur durchsetzbar sein, wenn auch eine nicht geringe Zahl anderer Länder in ihren nationalen Gesetzen das Klonen unter Strafe stellt. Ohne hier die Rechtslage in anderen Ländern im Detail darstellen zu können, läßt sich doch zusammenfassend feststellen, daß international eine Ablehnung des Klonens von Menschen weit verbreitet ist:
- Das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin erwähnt das Klonen zwar nicht ausdrücklich; doch ist davon auszugehen, daß es implizit durch Art. 13 untersagt ist. Bestrebungen, das Klonen beim Menschen in dem vorgesehenen Protokoll zum Embryonenschutz explizit zu "ächten", verdienen nachhaltige Unterstützung.
- Zu erinnern ist auch an die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16.3.1989, in der ein strafbewehrtes Verbot des Klonens gefordert wird, und an die Empfehlung 1046 (1986) des Europarats, die sich ebenfalls für ein umfassendes Verbot des Klonens beim Menschen ausspricht.
III.3 Resümee
Insgesamt erweist sich somit das ESchG zwar als interpretationsbedürftig, aber auch ohne Überstrapazierung des Gesetzestextes als interpretationsfähig genug, um rechtspolitisch unangemessene Lücken im Hinblick auf die Erfassung der aktuellen Verfahrensweisen zu vermeiden. Deshalb besteht insoweit keine Notwendigkeit für eine tatbestandliche Erweiterung. Allenfalls wäre an eine klarstellende Erweiterung der Legaldefinitionen des "Embryos" und der "Keimbahnzelle" (§ 8 ESchG) im Hinblick auf (die oben bei II.2 D genannten) Fälle der - klonierenden wie nichtklonierenden - Schaffung menschlichen Lebens ohne biologischen Befruchtungsvorgang zu denken (in diesem Sinne D. v. Bülow, DÄBl. 1997, S. C-538). Einer Ergänzung des Embryonenschutzgesetzes bedürfte es allerdings, um denkbare zukünftige Verfahrensweisen zu erfassen, die einen Zellkernaustausch mit einer (erheblichen) Veränderung des "Ersatz-Zellkerns" verbinden (wie in den oben bei II.2 E genannten Fällen).
Fußnote:
1) Auch Zellkulturen - z. B. menschlicher Blutzellen -, die durch ungeschlechtliche Vermehrung aus Einzelzellen erzeugt werden, sind definitionsgemäß Klone. Im Folgenden soll jedoch nur von der Herstellung ganzer identischer Individuen oder von Embryonen, die sich zu solchen Individuen entwickeln können, die Rede sein, denn Zellkulturklone - auch des Menschen - bedürfen keiner neuen ethisch-rechtlichen Bewertung, solange sie nicht zur Klonierung von Individuen dienen. <<<
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Letzte Änderung: Tue, 18 May 1999 14:12:52 GMT