Geschichte der deutschen Farben (nach Brockhaus Enzyklopädie)
1 Fahne der Deutschen Burschenschaft (1816) | |
2 Kriegsflagge des Deutschen Bundes, ohne Abzeichen National- und Handelsflagge (1848-66) | |
3 Handelsflagge des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches, 1892-1919 Nationalflagge, 1933-35 National- und Handelsflagge (zusammen mit der Hakenkreuzflagge) | |
4 Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches | |
5 Nationalflagge des Deutschen Reiches 1919-33 | |
6 National- und Handelsflagge des Deutschen Reiches 1935-45, 1933-35 zusätzlich neben der schwarz-weiß-roten Flagge | |
7 Kriegsflagge des Deutschen Reiches 1935-45 | |
8 National- und Handelsflagge der Bundesrepublik Deutschland | |
9 Staats- und Handelsflagge der Deutschen Demokratischen Republik | |
Deutsche Farben, die Nationalfarben des Dt. Reiches
und der ihm nachfolgenden Staaten. Das alte Reich vor 1806 konnte keine Nationalfarben
entwickeln, da die Voraussetzung der Staatseinheit fehlte. Als kaiserliche Farben galten
Schwarz-Gelb, die mit der Kaiserwürde in Österreich bis 1918 weiterbestanden. Die
Geschichte der d. F. ist aufs engste mit der Geschichte der dt. Einigung, ihrer Krisen und
Höhepunkte verknüpft. Entstehung: Durch T. KÖRNER war die schwarze Uniform der Lützower Jäger volkstümlich geworden, die aus umgefärbten, mit roten Vorstößen und goldenen Knöpfen besetzten Zivilröcken bestand. Nach den Befreiungskriegen trugen die Burschenschaften, in denen sich v.a. in Jena viele Lützower befanden, ihre Waffenröcke als Bundeskleidung weiter: daraus entstanden ihre Bundesfarben, Rot und Schwarz mit Gold durchwirkt, ebenso ihre Fahne. Entgegen der verbreiteten Tendenz, die preußischen Farben Marschall BLÜCHFRS (Schwarz-Weiß) zu wählen, setzte die Jenaische Burschenschaft beim Wartburgfest 1817 ihre eigene Tracht und Farbe durch. Nach den Karlsbader Beschlüssen wurde daraus durch das Lied >Wir hatten gebauet ein stattliches Haus ( von AUGUST DANIEL VON BINZER (* 1793, gest. 1868) die Reihenfolge schwarz-rot-gold: beim Hambacher Fest (1832) zweifelte niemand mehr daran, dass dies die d. F. seien. Der Bundestag in Frankfurt am Main verbot das Tragen aller Kokarden in anderen als den Farben der Bundesstaaten, erklärte aber 1848 die schwarzrotgoldenen Farben als das (angebliche) alte Reichspanier zu Bundesfarben; die Nationalversammlung beschloss sogar ein Flaggengesetz. Die Begeisterung verebbte, mit der bes. im März und Sommer 1848 alle Truppen der Bundesfürsten und Freien Städte die schwarzrotgoldene Kokarde angelegt hatten: 1852 wurde diese wieder abgelegt, doch lebte die >Trikolore< im Volksbewusstsein als d. F. weiter. Der Norddeutsche Bund wurde durch eine neue, aus den Farben Preußens (Schwarz-Weiß) und der Hansestädte (Weiß und Rot) abgeleitete Trikolore Schwarz-Weiß-Rot versinnbildlicht, die im Krieg 1870-71 auf das Dt. Reich übertragen wurde. Diese Farben wurden 1892 zur Nationalflagge erklärt und 1897 als zweite Kokarde von den Truppen aller Bundeskontingente angelegt. In Österreich-Ungarn betrachteten die Deutschen weiter Schwarz-Rot-Gold als deutsche Farben.
Weimarer Republik: Noch im Nov. 1918 wurde Schwarz-Rot-Gold zum Symbol der Republik. Die Weimarer Nationalversammlung fand sich nach heftigem Flaggenstreit zu einem politisch folgenschweren Kompromiss zugunsten der Gegner der Republik bereit: Die Reichs- und Nationalfarben der Republik sollten Schwarz-Rot-Gold sein, die Handelsflagge aber Schwarz-Weiß-Rot mit den Reichsfarben in der Oberecke (1. 1. 1922 - 12. 3. 1933).
Der Nationalsozialismus verwendete die schwarzweißrote Farben 1933-35, danach wurden Schwarz-Weiß-Rot nur noch als Reichsfarben (für Kokarden, Schlagbäume, Schilderhäuser u.a.) verwendet: die Hakenkreuzflagge wurde zur alleinigen Nationalflagge.
Nach 1945 zeigten versch. Behörden schwarzrotgoldene Farben (z. B. die Kokarden der Polizei), die als Symbol dt. Staatlichkeit wieder verboten wurden. Auf dt. Schiffen diente die Signalflagge C (> Stander) als Flaggenersatz. Die Liberal-Demokrat. Partei Deutschlands (LDPD) in der Sowjet. Besatzungszone führte längere Zeit Schwarz-Rot-Gold, bis der Dt. Volksrat 1948 diese Farben als die alten d. F. bezeichnete: von da an sind sie auch in der späteren Deutschen Demokratischen Republik und seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. auch in dieser in Geltung. Die Länder Rheinland-Pfalz und Niedersachsen (sowie das bis 1952 bestehende Land Württemberg-Baden), außerdem das Saarland (1957), wählten die d. F. auch zu Landesfarben. VALENTIN u. 0. NELBECKER: Die D. F. (1929); P.WENTZCKE: Die D. F. Ihre Entwicklung u. Deutung sowie ihre Stellung in der dt. Gesch. (Neuausg. 1955); H. HATTENHAUER: Dt. Nationalsymbole (1984).
Ab den 1970er Jahren wurden die Deutschen Farben mehr und mehr von rechtsgerchteten Krreisen (NPD, Republikaner etc.) verwendet. Da die links-liberale Öffentlichkeit beim Zeigen der Dt. Farben den Nazi-Verdacht (zu Unrecht, die Nazis bevorzugten Schwarz-Weiß-Rot!) hegten und nährten, hat man Schwarz-Rot-Gold mehr und mehr den rechten Demokratiefeinden überlassen. Mit der Fußball-WM in Deutschland 2006 ("Sommermärchen") änderte sich die Lage. Die Fußballbegeisterung war eingebettet in ein SRG-Fahnenmeer. Für manche jungen Leute war die Flagge identisch mit Fußball. Im Laufe der Jahre, spätestens ab der Weltmeisterschaft 2014 flaute diese Fahnenbegeisterung wieder ab. Fast zeitgleich okupierte die immer stärker werdende AFD die Flagge, welche die demokratische Öffentlichkeit erneut der Rechten überließ. Der seit der Weimarer Republik tobende Flaggenstreit scheint der deutschen Geschichte geradezu eingebrannt. FAZ-Kommentar: "Die Farben der Freiheit" vom 04.09.2019 |
© Michael Seeger, Faust-Gymnasium Staufen, 1998-2019, E-Mail: info@michaelseeger.de, update 05.09.2019