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Der Flaggenstreit der Weimarer Republik

(Hintergrund, Verlauf, Analyse, Deutung) 

Flaggenstreit, eine Erscheinungsform des politischen Meinungskampfes, indem Ideologien unter verschiedenen Symbolen gegeneinander kämpfen. Er vermag ganze Nationen in zwei oder mehrere Parteien zu spalten, weshalb man den Flaggenstreit als symbolpublizistischen Bürgerkrieg bezeichnen könnte.

Neben dem folgenden Flaggenstreit der Weimarer Republik -> Trikolore (über den Kampf zwischen dem bourbonischen Lilienbanner und der Trikolore in Frankreich); -> Kanada (über den bis 1965 andauernden Flaggenstreit zwischen Anglo- und Franko-Kanadiern); -> Zypern (über den permanenten Flaggenstreit zwischen dem griechischen Kreuz und dem türkischen Halbmond); -> Panama (über den Flaggenstreit 1959-64 um das Sternenbanner in der Panamakanalzone).

Flaggenstreit der Weimarer Republik Der Streit zwischen Schwarz-Rot Gold und Schwarz-Weiß-Rot war mitverantwortlich für den Untergang der Republik. Friedrich Sell umreißt sein Ausmaß in seinem Buch „Die Tragödie des deutschen Liberalismus“ mit den Worten: »Dem rationalen Verstand muss dieser Streit kleinlich erscheinen angesichts der großen Aufgaben, die zu lösen waren. Die Geschichte ist aber nicht rational. Es war ein Kampf um ein Symbol, und von jeher ist um Symbole mit größerer Erbitterung gestritten worden als um reale Interessen.«

Die historischen Wurzeln des Flaggenstreits zwischen Schwarz-Rot-Gold, den Farben der deutschen Einigungsbewegung, und Schwarz-Weiß-Rot, den Farben des Bismarckreiches reichen bis in die zweite Hälfte de 19. Jh. zurück. Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 wurden die schwarz-rot-goldenen Farben von den Fürsten unterdrückt, blieben jedoch Symbol der Sehnsucht nach der nationalen Einheit. Österreich machte sich im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland diese Sehnsüchte zunutze und propagierte die Farben 1866 gegen Preußen. Nach dem Sieg Preußens und damit der kleindeutschen Richtung kamen aber die schwarz rot-goldenen Farben bei der Reichsgründung als Reichsfarben nicht mehr in Frage; -> Schwarz-Weiß-Rot. Dennoch ging die Erinnerung an -> Schwarz Rot-Gold nicht unter.

Das Ereignis, das den Flaggenstreit der Weimarer Republik auslöste, war der verlorene Erste Weltkrieg. An seinem Anfang hatte 1914 noch einmal ein starker Aufschwung vor Schwarz-Weiß-Rot gestanden: »Die Einheitlichkeit des nationalen Willens zur Selbstbehauptung gestaltete sich unter der Bismarckschen Trikolore zu einem unvergesslichen patriotischer Erlebnis. Der Gedanke des Verteidigungskrieges und des Burgfriedens eroberte der schwarz-weiß-roten Fahne bis zur entschiedenen Linken und bis in die entferntesten Winkel des süddeutschen Partikularismus eine begeisterte, opferwillig im vaterländischen Gefühl gleich bewegte Anhängerschaft.« (Veit Valentin, Die deutschen Farben, Leipzig 1929.)

Mit der Niederlage im Weltkrieg und der Suche nach Symbolen für die deutsche Republik spaltete sich das deutsche Volk in zwei sich mit verschiedenen symbolpublizistischen Mitteln befehdende Parteien.

Anfangs wurde der Zwist überschattet von der Gefahr, dass Deutschland unter der kommunistischen -> roten Fahne zum Rätesystem übergehen könnte. In der Arbeiterschaft bestanden umso größere Sympathien für die rote Fahne, je radikaler sie eingestellt war. Andererseits waren sich die Führer der Sozialdemokratie bewusst, dass ]Deutschland unter einem Partei- bzw. Klassensymbol nicht zu einigen war. Die schwarz-weiß-rote Fahne des Bismarckreiches hingegen war (zunächst) mit dem Odium der Niederlage behaftet. Bald nach dem 9.11.1918 tauchten in Berlin schwarz-rot-goldene Armbinden und Kokarden auf. Egmont Zechlin (Schwarz-Rot-Gold und Schwarz-Weiß-Rot in Geschichte und Gegenwart, Berlin 1926) bescheinigt ihnen: »... bezeichneten sie eine Richtung, die gegenüber dem marxistisch-bolschewistischen Diktaturgedanken und der marxistischen Klasseninternationale zur Ordnung und Gesetzmäßigkeit und zur nationalen Besinnung strebte.«

Mit dem gleichen Argument rechtfertigte Veit Valentin den Übergang von Schwarz-Weiß-Rot zu Schwarz-Rot-Gold: »Die Sozialdemokratische Partei hat, begreiflich genug, von ihrem Standpunkt Schwarz-Weiß-Rot unbedingt abgelehnt; im Zeichen von Schwarz-Rot-Gold war es ihr möglich, an dem Neuaufbau von Deutschland positiv mitzuarbeiten. Es war der größte Erfolg der schwarz-rot-goldenen Fahne, die rote Fahne in Deutschland in ihre Stellung als Sinnbild der internationalen proletarischen Bewegung zurückzudrängen.«

Mit der Sozialdemokratie nahmen Teile des liberalen Bürgertums unter ausdrücklicher Bezugnahme auf 1848 für Schwarz-Rot-Gold Stellung. Ihre Wünsche drückte Theodor Heuss in einem Aufsatz vom 22. 11. 1918 aus: »Wir müssen die alten Fahnen und Farben des ersten deutschen romantischen Freiheitstraumes hissen, denn unsere Aufgabe ist, die deutsche Geschichte beim Werk des Jahres 48 wieder anzuknüpfen.« Manche Gebildete sahen im Weimarer Flaggenstreit mit den Worten des Reichskunstwartes Dr. Edwin Redslob »den Gegensatz zwischen Volksstaat und Obrigkeitsstaat, da er die aus der Sehnsucht des Volkes geborenen Farben des großdeutschen Einheits- und Freiheitsdranges den ruhmvollen, aber nicht vom Volke gewollten, sondern von der Regierung festgesetzten Farben gegenüberstellt«.

Der sozialdemokratische Reichsinnenminister Eduard David erklärte in der konstituierenden Nationalversammlung am 3. 7. 1919, die Regierung wolle mit Schwarz-Rot-Gold ein Symbol schaffen, zu dem sich mit Freuden das ganze Volk bekenne. Wie sich alsbald zeigte, war Davids Hoffnung allzu optimistisch.

In weiten Kreisen des Bürgertums war die von der Sozialdemokratie und der Mehrheit der Demokratischen Partei befürwortete Ablösung der Farben des Bismarckreichs durch die altneuen Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold eine Sünde wider den Nationalstolz. Zechlin, selbst ein (wenn auch um Objektivität bemühter) Anhänger von Schwarz-Weiß-Rot, macht ihre Gefühle deutlich: »Ein im Augenblick der Unterschrift unter das Versailler Diktat ohne jeden positiven Gewinn und ohne innere Anteilnahme des Volkes von knapp zweieinhalb Parteien eingeführtes Nationalzeichen konnte nicht populär werden ... Vor allem: unter Schwarz-Weiß-Rot hatte man soeben vier Jahre lang gekämpft und gelitten, es deckte die Bahren der Toten, es hatte auf untergehenden Schiffen geweht, es war unentrinnbar mit der Erinnerung an den >Geist von 1914< verbunden, in dem so mancher freudig gestorben war.«

Der demokratische Abgeordnete Koch-Weser meinte zu der Entscheidung eines Teiles seiner Partei, für Schwarz-Weiß-Rot zu stimmen: „... weil wir der Meinung waren, dass die einmal übernommene Fahne, an die sich so viele Traditionen knüpfen, unter der der Aufstieg unseres Volkes erfolgt und unter der soviel Opfermut bewiesen ist, nicht in der Stunde der Not aufgegeben werden konnte, ohne dass sich das Volk selbst aufgibt.“ Am schärfsten formulierte der Abgeordnete Dr. Kahl von der Deutschen Volkspartei die Stellungnahme gegen Schwarz-Rot-Gold: »Vor allem die Selbstachtung. In den Augen der Feinde ist es eine Selbstentwertung, wenn wir nach diesem Unglück unsere Fahne wechseln.« 

Auf der Gegenseite erklärten die Sozialdemokraten bei den lebhaften und beiderseits von Bitterkeit durchzogenen Diskussionen im Juni und Juli 1919 im Verfassungsausschuss und in der Vollversammlung des Parlaments, warum Schwarz-Weiß-Rot für sie unannehmbar blieb: Schwarz-Weiß-Rot sei das Symbol »des monarchistischen-militaristischen Obrigkeitsstaates«, des »Bismarckschen Systems«, »das die Arbeiterschaft niederschlagen wollte, das sie außerhalb staatsbürgerlicher Ehrenrechte gestellt hat«; die Arbeiterschaft könne nicht vergessen, was unter der schwarz-weißroten Fahne wider sie gesündigt worden sei. Darum seien diese Farben schon in den Jahrzehnten vor dem Kriege von ihr als Parteifahne betrachtet worden, als ein feindliches Symbol. Bemerkenswerterweise klagten die Sozialdemokraten schon in Weimar, auch neuerdings sei Schwarz-Weiß-Rot wieder als Parteifahne entfaltet worden und zwar unter der Devise: gegen Demokratie und Republik (Rede Davids vom 2. 7. 1919). Der Streit ging teilweise quer durch die Parteien hindurch. Bei der Diskussion im Verfassungsausschuss sprachen sich die Sozialdemokraten, darunter der Schöpfer des Verfassungsentwurfs, Hugo Preuß, zusammen mit der Mehrheit der Demokraten für Schwarz-Rot-Gold aus, hingegen eine starke Minderheit der Demokraten, die Deutschnationalen und die Deutsche Volkspartei für Schwarz-Weiß-Rot. Das Zentrum verhielt sich abwartend. Die äußerste Linke, die USPD, forderte die Einführung der Reichsfarbe Rot. 

Bei der Abstimmung im Verfassungsausschuss wurde der Flaggenfrage eine solche Wichtigkeit beigemessen, dass zum ersten und einzigen Male jedes Mitglied in namentlichem Aufruf für seine Entscheidung einstehen musste. Eine klare Mehrheit ergab sich nur in der Ablehnung der kommunistischen roten Farbe; hingegen vermochte der Verfassungsausschuss sich nicht auf eine eindeutige Empfehlung an das  Plenum zu einigen: er schlug vor, als »Reichsfarbe« solle zwar Schwarz-Rot-Gold gelten, als »Schifffahrts-, Marine- und Kolonialflagge« jedoch nach wie vor die Farben des wilhelminischen Kaiserreiches. Am 3. 7. folgte die Vollversammlung im wesentlichen diesem von keiner Seite als befriedigend empfundenen Kompromissvorschlag, indem sie bestimmte: »Die Reichsfarben sind Schwarz-Rot-Gold, die Handelsflagge ist Schwarz-Weiß-Rot mit den Reichsfarben in der oberen inneren Ecke.« Zwar wurden nach der endgültigen Annahme der Verfassung am 31. 7. 1919 auf den Dienstgebäuden des Reiches die schwarz-rot-goldenen Fahnen gehisst, doch war damit die Rivalität der beiden konkurrierenden Symbole nicht beseitigt, da bis zum Erlass von Ausführungsbestimmungen ein Zeitraum von rund zwei Jahren verstrich.

Der Kapp-Putsch im März 1920 fand nicht nur im Zeichen der schwarz-weiß-roten Farben, sondern sogar unter der kaiserlichen Reichskriegsflagge statt. 

Als die Reichsregierung sich 1921 anschickte, die Verwirklichung des 1919 gefassten Beschlusses durchzusetzen, und nach einer erneuten Debatte im Reichstag am 27. 6. 1921 die Einführung der neuen Handelsflagge (Schwarz-Weiß-Rot mit den Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold im Obereck) für den 1. 1. 1922 festsetzte, ging eine Welle des Ressentiments durch die Küstenländer und vor allem durch die Kriegsmarine. Als die Kriegs- und Handelsmarine an diesem Datum endgültig die neuen Flaggen aufziehen mussten, drang das Ressentiment sogar durch den auf die alte Flagge bezogenen Text des Tagesbefehls der Marineleitung hindurch: »Keiner unter uns, der nicht voll Stolz zu ihr aufblickte als zu dem Wahrzeichen einstiger deutscher Macht und Seegeltung. Über unvergessliche Taten in Krieg und Frieden auf allen Meeren und an allen Küsten hat sie geweht. Was wir empfinden, wenn diese Flagge sinkt, verschließen wir in unseren Herzen.« 

Anstatt dass sich die Gemüter durch die amtlich verordnete Kompromisslösung beruhigten, nahm der Flaggenstreit an Schärfe zu. Die Kriegsmarine, in der das Flaggenlied aus dem Ersten Weltkrieg noch lebendig war, machte aus ihrer Verachtung von Schwarz-Rot-Gold und ihrer ungebrochenen Zuneigung zu Schwarz-Weiß-Rot kein Hehl. Der »Stahlhelm« und andere rechtsstehende Kameradschaften ehemaliger Frontkämpfer marschierten, wie schon die meisten Freikorps unmittelbar nach dem Sturz der Monarchie, unter schwarz-weiß-roten Fahnen. Für die »völkischen« Gruppen wurden die schwarz-rot-goldenen Reichsfarben zum Sinnbild einer schwarzen, roten und goldenen Internationale, »die gemeinsam auf den Sturz und die Vernichtung eines mächtigen Deutschland hinarbeiten, die Parteifarben der Weimarer Koalition, nicht des gesamtdeutschen Volkes, selbst nicht die der Republik«. 

Auf der anderen Seite formierte sich das republiktreue »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold« unter diesem programmatischen Namen zur Abwehr, was wiederum die Burschenschaften auf Protestkundgebungen in Berlin und München als »Usurpation« bezeichneten.

Selbstverständlich berührte der Flaggenstreit nicht nur die Symbole als solche. Mit Schwarz-Weiß-Rot und Schwarz-Rot-Gold taten Gegner und Verteidiger der Weimarer Republik ihre politischen Meinungen im Parteienstreit öffentlich kund, wie es Theodor Eschenburg kennzeichnet: »Aus den zwei Farbensymbolen des republikanischen Reichs wurden Kampfflaggen der in scharfem Gegensatz zueinander stehenden Blöcke, Anstelle der einen Nationalflagge, die als ein staatliches Friedenssymbol über allen wehen sollte, gab es deren zwei, die zu Symbolen des innerstaatlichen Streits wurden. Es ging im Grunde nicht so sehr um die Symbole. Sie waren vielmehr Sinnbilder entgegengesetzter politischer Vorstellungen und Richtungen. Dadurch, dass die Rechte unter schwarz-weiß-roten Fahnen die Verfassung, aber auch die Außenpolitik der Regierung bekämpfte, wurde für die Gegenseite Schwarz-Rot-Gold zur Karmpffahne gegen die Rechte.« (Deutsche Staatssymbole, in: Die Zeit, Nr. 30/31, 1962.) 

In öffentlichen Demonstrationen und Umzügen gaben beide Seiten mit schwarz-weiß-roten bzw. schwarz-rot-goldenen Farben symbolpublizistische Stellungnahmen zum politischen Kurs der Republik ab, wie beispielsweise in der vielbeachteten Kundgebung am 2. 7. 1921 an der Hamburger Börse für Schwarz-Weiß-Rot. In den Jahren bis zum Höhepunkt der Inflation 1923 waren Notgeldscheine, die von verschiedenen Städten ausgegeben wurden, ein beliebtes Mittel zur politischen Werbung. In der überwiegenden Mehrzahl nahmen die Stadtverwaltungen, die solche Scheine mit Symbolschmuck ausgaben, für Schwarz-Weiß-Rot Partei. Eine Serie Hamburger Papiergeldscheine aus dem Jahre 1921 beispielsweise war mit schwarz-weiß-roten Bändern verziert und trug außerdem die Mahnung: »Deutschlands Handels-Flagge sei schwarz-weiß-rot!« Auf Plakaten stellte besonders die Deutschnationale Volkspartei Schwarz-Weiß-Rot in ihrer Wahlwerbung heraus. Auf einen, Münchener Wahlplakat der Deutschnationalen von 1924 ist eine große schwarz-weiß-rote Fahne das beherrschende Motiv; der Text lautet: »Frei von Versailles!  Los von jüdisch-sozialistischer Fron! Für Freiheit und Vaterland - Deine Losung Deutschnational!«

Auf der anderen Seite warb der aus der Sozialdemokratischen Partei, dem Zentrum und der Deutschen Demokratischen Partei bestehende »Volksblock« anlässlich der Reichspräsidentenwahl von 1925 für seinen Kandidaten Wilhelm Marx auf Plakaten mit großen schwarz-rot-goldeneu Fahnen und dem Text: »Was 48 die Väter gedacht, die Enkel habens 18 vollbracht! Das Banner, das Grimm und Uhland entrollt - wollt ihr verraten? Schwarz-Rot und Gold!!«  

Ein eindrucksvolles Motiv zeigt ein Plakat der Deutschen Demokratischen Partei von 1928: ein junger Mann schiebt mit einem großen schwarz-rot-goldenen Schild Hakenkreuze, Sowjetsterne und allerlei Gewürm aus dem Reich, der dazugehörige Text erläutert: »Säubert das Reich! Wählt Deutsche Demokraten!« Im großen und ganzen waren die Angriffe der Anhänger von Schwarz-Weiß-Rot auf die Farben des »Systems« von einer größeren Häufigkeit und Schärfe, als umgekehrt; die Verteidiger von Schwarz-Rot-Gold gingen in ihrer (beim Zentrum ohnehin nur halbherzigen) Propagierung der offiziellen Reichsfarben im allgemeinen eher zögernd vor; als Anhänger des zu Reichsfarben erklärten Schwarz-Rot-Gold sahen sie sich durch die immer ausfallender werdenden Attacken der Schwarz-Weiß-Roten in eine Verteidigungsstellung gedrängt. So bedauerte beispielsweise der Journalist Sling (Paul Schlesinger) in der „Vossischen Zeitung“ vom 26. 6. 1922 die geringe Flaggenfreudigkeit der Republikaner; er forderte, jedes Haus müsse wenigstens eine Reichsfahne (Schwarz-Rot-Gold) besitzen. Gleichzeitig nahmen die Verfechter von Schwarz-Weiß-Rot immer weniger Rücksichten. Ein beliebtes Schimpfwort, mit dem sie die offiziellen Reichsfarben belegten, lautete: Schwarz-Rot-Mostrich«. Schon vor 1929 wurde Schwarz-Rot-Gold als Judenfahne« beschimpft.

Mit nicht geringem Erfolg gelang es den Anhängern von Schwarz-Weiß-Rot Schwarz-Rot-Gold im Zusammenhang mit der Dolchstoßlegende als Symbol der Niederlage von 1918 hinzustellen, indem sie beispielsweise darauf hinwiesen, dass feindliche Flieger an der Westfront 1917 vereinzelt Propagandaflugblätter mit schwarz-rot-goldener Einfassung und einem gegen die Monarchie gerichteten Text geworfen hatten (wobei sie es unterließen, darauf hinzuweisen, dass auch Schwarz-Weiß-Rot vom Feind in eben derselben Weise verwendet worden war). Veit Valentin schrieb dazu: „Sehr töricht ist es, die Farben Schwarzrotgold mit dem Friedensvertrag von Versailles politisch belasten zu wollen, nachdem die militärische Niederlage, die die Ursache dieses Friedens ist, von dem schwarzweißroten Kaisertum erlitten worden ist ...“

Es kam nicht selten vor, dass schwarz-rot-goldene Fahnen von den Anhängern von Schwarz-Weiß-Rot heruntergerissen oder auf andere Weise beschimpft wurden, wogegen sich die Schutzmaßnahmen der Republik zaghaft ausnahmen. Lautstark nahmen die Gegner des »Systems« für Schwarz-Weiß-Rot in Anspruch, dass diese Farben in Wahrheit die deutsche Nation repräsentierten. So schrieb die >Kreuz-Zeitung< am 11. 11. 1924: »Jetzt hat Schwarz-weiß-rot noch eine besondere Bedeutung, es ist zum Symbol geworden für die nationale Bewegung in Deutschland.« Das >Deutsche Tageblatt< argumentierte am 27. 9. 1927 gar, die Republik sei Schwarz-Weiß-Rot überhaupt nicht wert, der Farben „des herrlichen Bismarckreiches, für dessen Errichtung und Verteidigung Ströme teuersten deutschen Blutes geflossen sind“.

Der Flaggenstreit zog sich selbstredend auch durch die Spalten der deutschen Presseorgane; mit wenigen Ausnahmen ergriffen die Zeitungen und Zeitschriften eindeutig Partei. Nur wenige Blätter suchten eine gewisse Neutralität zu wahren oder gar eine Vermittlung der entgegengesetzten Standpunkte anzustreben, so die )Germania<, die >Deutsche Allgemeine Zeitung< (Berlin) und die >Kölnische Volkszeitung<. Unter den Blättern, die für Schwarz-Weiß-Rot kämpften, taten sich insbesondere die >Neue Preußische (Kreuz)Zeitung<, der „Hamburger Correspondent“, die Berliner >Tägliche Rundschau<, >Der Tag<, die >Weserzeitung<, die >Deutsche Zeitung< und die >Hamburger Nachrichten< hervor. Auf der Gegenseite führten die >Frankfurter Zeitung<, die >Vossische Zeitung<, der >Vorwärts< und >Das Reichsbanner< die Verteidiger von Schwarz-Rot-Gold an. Die Leserbriefspalten der Zeitungen waren voll von Stellung- und Parteinahmen.

Darüber hinaus veröffentlichten zahlreiche ansonsten unbekannte Autoren, oft auf eigene Kosten, Flugschriften und Broschüren zum Flaggenstreit, in denen sie, nicht selten in polemischer Form, für die eine oder andere Seite Partei ergriffen oder aber auch gut gemeinte, bisweilen skurrile Vorschläge für eine Versöhnung, beispielsweise in Gestalt einer »Einheitsflagge«, der Öffentlichkeit unterbreiteten.

Es fehlte nicht an Stimmen, die mit den Argumenten der Vernunft zu schlichten versuchten, doch vermochten sie in der überhitzten Atmosphäre des mit Emotionen und Ressentiments geladenen Flaggenstreits keine Brücke zwischen den beiden streitenden Parteien herzustellen. So mahnte Wilhelm Heile, ursprünglich ein Anhänger von Schwarz-Weiß-Rot, in der >Hilfe< vom 25. 1. 1921: »Jetzt aber, nachdem einmal mit Gründen, denen auch wir, die wir für Schwarz-weiß-rot gestimmt haben, unsere Achtung und Anerkennung nicht versagen konnten, in Weimar die schwarzrotgoldene Fahne verfassungsmäßig eingeführt worden ist, jetzt ist es geradezu frivol, um parteipolitischer Agitationsbedürfnisse willen in unserer mit allergrößten Aufgaben und Sorgen doch wahrhaftig genug belasteten Zeit den alten Streit immer wieder aufzurühren.« Auch in der Beamtenschaft, die eigentlich durch das Treueverhältnis zu ihrem Dienstherrn zur Loyalität gegenüber den Reichsfarben verpflichtet war, gärte es in bezug auf den Farbenstreit. Der preußische Innenminister Severing sah sich am 14. 7. 1923 zu einem Rundschreiben an seine Beamten veranlasst: »Verschiedene durch den Streit um die jetzigen und die früheren Reichsfarben verursachte Zwischenfälle geben mir Anlass, nachstehend den Schluss meiner Landtagsrede vom 19. 6. 1923 ... zur Beachtung bekannt zugeben: >Ich bin der Meinung, dass wir im Landtag, in der Presse, in allen öffentlichen Stellen jetzt wichtigeres zu tun haben, als uns um die Farben der Republik zu streiten. Die Farben, die einst die Farben des Deutschen Reiches waren, und die Farben, die heute die Farben der Deutschen Republik sind, sollten von allen ordnungsliebenden Deutschen in dieser Zeit gleich geachtet werden. Nicht auf die Farben der Fahne des Deutschen Reiches kommt es heute besonders an, sondern auf das Wohl der deutschen Bürger ... « 

Es gab auch Menschen, denen die Schärfe des Flaggenstreits alle Symbole überhaupt verleidete, wie den Schriftsteller Willy Haas, der in der >Literarischen Welt< vom 4. 6. 1926 den Reichskanzler in einem offenen Brief aufforderte, alle »Flaggen, Fahnen, Banner, Paniere in Deutschland« abzuschaffen: »Wir aber, moderne Menschen, brauchen keine romantischen Symbole mehr für unseren Glauben. Erleichtern Sie sich selbst die komplizierte Aufgabe und machen Sie uns wenigstens in dieser Beziehung zum modernsten Staat der Erde!« Im >Montag Morgen< vom 29.8. 1927 meinte ein ungenannter Verfasser gar: »Die Fahne ist also eine Art Blinddarm der Staatsentwicklung, sie ist noch da, obwohl sie keine Funktion mehr erfüllt, und obwohl sie, wie man sieht, gelegentlich große Schmerzen verursachen kann.« im Jahre 1926 kam es über den Flaggenstreit sogar zum Sturz eines Kabinetts. Nachdem die Deutsche Volkspartei am 30. 5. 1924 vergeblich die Wiedereinführung von Schwarz-Weiß-Rot beantragt hatte, suchte Reichskanzler Dr. Luther eine Lösung des Flaggenstreits anzustreben. Die Flaggenverordnung vom 5. 5.1926 setzte fest, dass die gesandtschaftlichen und konsularischen Behörden des Reiches im außereuropäischen Ausland in Zukunft die schwarz-rot-goldene Nationalflagge und die schwarz-weiß-rote Handelsflagge (mit kleinem schwarz-rot-goldenem Obereck) nebeneinander setzen sollten. Diese groteske und in der Flaggengeschichte der Neuzeit wohl einmalige Anweisung stellte, wie die sofort einsetzenden tumultuarischen Diskussionen in der Öffentlichkeit zeigten, keine Lösung des Flaggenstreits dar; vielmehr wurde er damit vor aller Welt öffentlich ausgebreitet. 

Zwar versuchte Reichspräsident von Hindenburg, in einem Schreiben an Reichskanzler Luther vom 9. 5. 1926, die hochgehenden Wogen des Meinungsstreits zu besänftigen: »Leider hat sich aber aus den Erörterungen in Presse und Öffentlichkeit erneut ergeben, wie verhängnisvoll und gefährlich für unser Volk der schwebende Streit um die Flagge ist. Hier in absehbarer Zeit auf verfassungsmäßigem Wege einen versöhnenden Ausgleich zu schaffen ... ist mein innigster Wunsch«; zwar beauftragte Hindenburg die Regierung nunmehr, endlich eine annehmbare Lösung zu schaffen die »dem gegenwärtigen Deutschland und seinen Zielen entspricht, und zugleich dem Werdegang und der Geschichte des Reiches gerecht wird«, doch konnte Luther diesen Auftrag nicht mehr ausführen (auch die späteren Kabinette brachten keinen Ausgleich mehr zuwege; einem von den Fraktionen der Mitte angeregten Volksentscheid verweigerte die Mehrheit des Parlaments ihre Zustimmung). In den erregten Reichstagssitzungen am 11. und 12. 5. 1926 wurde Reichskanzler Luther gestürzt. 

Auch damit war der Flaggenstreit keineswegs beendet; vielmehr lebte er mit erneuter Schärfe wieder auf. Bei der »Verfassungsfeier« vom 11. 8. 1926 und beim 80. Geburtstag Hindenburgs am 2. 10. 1927 entbrannte der Zwist über die Ausschmückung von Sälen und Straßen, von Rathäusern und anderen Dienstgebäuden in besonders hässlichen Formen. Am Verfassungstag des Jahres 1929, am 11. 8., kam es zu einem symptomatischen Zwischenfall in Goslar: den Oberprimanern wurden für sportliche Leistungen Siegerkränze mit schwarzrotgoldenen Schleifen überreicht. Die Schüler rissen die Schleifen von den Kränzen, warfen sie auf den Boden und traten sie mit Füßen. Vergeblich versuchte der Reichswehrminister Gessler in einem Erlass an die Reichswehr, die in der Reichskriegsflagge die schwarz-weiß-roten Farben beibehalten hatte, für die beiden Flaggen die gleiche Achtung zu erlangen; vielmehr beschimpfte die Rechte Schwarz-Rot-Gold in Anlehnung an Schillers >Wilhelm Tell< nunmehr auch als »Gesslerhut der deutschen Demokratie«. 

Kurz vor dem Ende der Weimarer Republik dauerte der Flaggenstreit immer noch an; vor den Reichstagswahlen vom 6.11. 1932 kam es bei den Häuserbeflaggungen zu einem regelrechten Flaggenkrieg; in Berlin machten kämpferische Spottverse die Runde wie: »Schwarzweißrot, Männeken ist tot, Schwarzrotgold, die Jungfrau, die ist hold.« 

Noch einmal wurde ein ernst zunehmender Vorschlag zu einer Versöhnung gemacht. Hans Domizlaff begründete ihn in seiner Arbeit >Propagandamittel der Staatsidee< (Altona/Leipzig 1932): »Durch den politischen Streit des letzten Jahrzehnts ist der einigende Wert dieser Flagge [Schwarz-Rot-Gold] im Gegensatz zu ihrer ursprünglichen Mission endgültig verlorengegangen.      Schwarz-Rot-Gold ist keine Reichsflagge, sondern eine Parteiflagge; es ist zwecklos, sich hierüber einer Täuschung hinzugeben. Die Farben kamen nicht anlässlich eines freudigen, sondern eines katastrophalen Ereignisses in amtliche Geltung. Daher sind und bleiben sie psychologisch mit der Erinnerung an die unangenehmsten Zeiten verkuppelt. Ein ähnliches Schicksal fand die 1871 vom Norddeutschen Bund übernommene alte Reichsflagge. Nachdem sie schon vor dem Weltkriege nur bedingt das Symbol der Einigkeit des Reiches bedeutete, ist sie heute ebenfalls zur Parteiflagge geworden.« Domizlaff erkannte richtig die Bedeutung der Kontinuität für ein publizistisch wirkendes politisches Symbol und dass man ihretwegen ein einmal angenommenes Symbol nicht ohne zwingende Gründe abändern solle: »Jede Flagge bedeutet im Zusammenhang mit ihrer Erscheinungsform ein investiertes Propaganda-Material.  Ihr Wert liegt in ihrer Bekanntheit und in ihrer Assoziation mit einer Zeit großen Ansehens. Ihr Ersatz durch eine neue Marke bedeutet den Verlust des investierten Kapitals und den Verlust des traditionsgebundenen Ansehens.« Domizlaff erläuterte auch, dass in der hoffnungslos zerstrittenen Situation weder Schwarz-Rot-Gold noch Schwarz-Weiß-Rot auf einen überzeugenden Sieg im Flaggenstreit hoffen konnten: »Trotz der ernsten Bedenken hinsichtlich eines Flaggenwechsels muss es nach Kenntnis der Psyche auch für die Zukunft als absolut ausgeschlossen gelten, dass eine von den beiden strittigen Flaggen allgemeine innere Gültigkeit gewinnt, und es muss weiterhin als ausgeschlossen betrachtet werden, dass ohne ein allgemein einheitlich anerkanntes Symbol tatsächlich das Gefühl der Gemeinsamkeit, besonders bei der Unvermeidbarkeit innerpolitisch verschiedener Richtungen, wiedergewonnen wird ... Ein Staat kann nicht auf ein alleingültiges psychologisch wirksames Hoheitssymbol verzichten! Ohne eine allgemein verehrte Flagge sind alle weiteren Propaganda-Mittel und alle materiellen Hilfen zur Erreichung einer innerhalb der heutigen Welt lebensfähigen Volksgemeinschaft zur Hoffnungslosigkeit verdammt.« Domizlaff machte daher den an sich einleuchtenden Vorschlag, zum Zwecke der Aussöhnung auf das von beiden Seiten anerkannte heraldische Sinnbild, auf den schwarzen Reichsadler im goldenen (gelben) Felde zurückzugreifen, der sowohl im wilhelminischen Kaiserreich als auch in der Weimarer Republik offizielles Hoheitszeichen war, und diesen in eine mit dem Wappen bildgleiche Flagge zu setzen. Aber diese vernünftige Anregung, die einer sachlichen Diskussion wert gewesen wäre, stand bereits im Schatten einer erneuten Zuspitzung und gleichzeitigen Komplizierung des Flaggenstreites, indem nämlich die Extremisten von links und rechts unter den bildlosen roten Fahnen des Kommunismus und den nationalsozialistischen Hakenkreuzfahnen sowohl gegen die sterbende Republik als auch gegeneinander zu Felde zogen. Vor allem die Hakenkreuzflagge mischte sich immer unübersehbarer und in einer selbst für die Intensität des bisherigen Flaggenstreites ungewohnten Massierung unter die streitenden Symbole. Adolf Hitler hatte sich mit der schwarz-weiß-roten Farbgebung der Hakenkreuzflagge auf die Seite der Gegner des »Systems« geschlagen und warb bei den Anhängern der schwarz-weiß-roten Trikolore um wohlwollende Duldung und für gemeinsames Handeln. Am 23. 4. 1932 notierte Goebbels für seine zur späteren Veröffentlichung bestimmten >Tagebuchblätter<: »Draußen tobt der Flaggenkrieg auf den Straßen. Das Hakenkreuz hat die Oberhand.« 

Durch die nationalsozialistische Machtübernahme war der Flaggenstreit mit der Niederlage von Schwarz-Rot-Gold und einem vorläufigen Sieg von Schwarz-Weiß-Rot entschieden. Im März 1933 führten die Deutschnationale Volkspartei und der »Stahlhelm« ihren letzten Wahlkampf unter der Bezeichnung »Kampffront Schwarz-Weiß-Rot«. Am 12.3.1933 wurde ihnen die Genugtuung zuteil, dass Schwarz-Weiß-Rot durch einen Erlass des Reichspräsidenten wieder offiziell in seine alten Rechte eingesetzt wurde, allerdings zusammen mit der nationalsozialistischen Parteiflagge und auch nur »bis zur endgültigen Regelung der Reichsfarben«. Welcher Art die endgültige Regelung sein würde, klang bereits deutlich in Goebbels' >Tagebuchblatt<-Notiz zu diesem Anlass an: »Der Reichspräsident hat gerade einen Erlass unterzeichnet, demzufolge die schwarz-weiß-rote und die Hakenkreuzfahne zu den Fahnen des Reiches erhoben werden. Welch ein unausdenkbarer Triumph! Unsere verfemte, verlachte und verhöhnte Flagge geht als Symbol über dem ganzen Reich auf. Es ist die Fahne der deutschen Revolution!« 

Die »Kampffront Schwarz-Weiß-Rot« und die anderen Anhänger der alten Reichsflagge sollten des halben Sieges ihrer Farben nicht recht froh werden. Bald war Hitler so weit, dass er auf seine Koalitionspartner von 1933 (und auf Hindenburg, der 1934 gestorben war) keine Rücksichten mehr zu nehmen brauchte. Das Reichsflaggengesetz vom 15. 9. 1935 bestimmte zwar in Artikel 1 : »Die Reichsfarben sind Schwarz-Weiß-Rot«, doch beseitigte Artikel 2 gerade das Symbol, an dem die alten Verfechter dieser Farben so sehr hingen, die schwarz-weiß-rote Trikolore: »Reichs- und Nationalflagge ist die Hakenkreuzflagge. Sie ist zugleich Handelsflagge.« Damit war der endgültige Schlussstrich unter den Flaggenstreit der Weimarer Republik gezogen. Für einen freien Widerstreit der Meinungen war im Dritten Reich, auch im Bereich der Symbolpublizistik, kein Platz, nicht einmal für symbolpublizistische Kundgebungen der einstigen Verbündeten. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Schwarz-Rot-Gold 1949 sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR wieder zu Ehren. 

Nach dtv-Lexikon politischer Symbole, München 1970 

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